Je 1800 Polizeianwärter sollen in den Jahren 2018 und 2019 in Baden-Württemberg eingestellt werden. Foto: dpa

Um die geplante Einstellungsoffensive bei der Polizei in Baden-Württemberg bewältigen zu können, sollen pensionierte Beamte als Ausbilder einspringen. Eine clevere Idee von Innenminister Strobl (CDU), um Versäumnisse aus der Vergangenheit auszugleichen? Oder eine Folge von Aktionismus?

Stuttgart - D ie Polizei in Baden-Württemberg steht vor einer Pensionierungswelle. Laut Innenministerium gehen bis 2021 jährlich rund 1000 Beamte in den Ruhestand. Die grün-schwarze Landesregierung hat im Gegenzug beschlossen, in den Jahren 2018 und 2019 je 1800 Polizeianwärter einzustellen. Damit sollen die Abgänge mittelfristig ausgeglichen und den wachsenden Gefahren, etwa durch Terrorismus und Cyberkriminalität, begegnet werden.

Gut vorbereitet ist das Land auf diesen Einstellungsboom nicht. Zusätzlich zu den bestehenden Ausbildungsstätten in Biberach und Lahr sollen in den nächsten Monaten in Wertheim und Herrenberg zwei weitere Polizeischulen entstehen. Die Gebäude werden derzeit saniert. Wie unsere Zeitung zuerst berichtete, fehlt jedoch eine dreistellige Zahl an Polizeilehrern. Das Ressort von Thomas Strobl (CDU) will jetzt Polizeibeamte, die seit kurzem oder bald im Ruhestand sind, im Zeitraum von April 2018 bis 2023 für eine vorübergehende Lehrtätigkeit gewinnen. Innen- und Finanzministerium arbeiten an einer Regelung, dass Freiwillige für die Arbeit entlohnt werden, ohne dass ihnen die Pension gekürzt wird.

Goll: Versäumnisse von Grün-Rot

Die Innenexperten der Oppositionsfraktionen im Landtag bewerten Strobls Vorstoß unterschiedlich. Sascha Binder (SPD) sieht angesichts des fehlenden Lehrpersonals die grün-schwarze Einstellungsoffensive bedroht. „Strobls Versprechen von mehr Polizei droht wie eine Seifenblase zu zerplatzen“, sagt Binder. Er wirft dem Innenminister Konzeptlosigkeit vor. Auch für Lars Patrick Berg (AfD) ist das ganze Thema Ausbildung „mit heißer Nadel gestrickt“. Zwar sei mehr Personal für die Polizei zwingend erforderlich. Die Begleitumstände mit den eilig ausgewählten Standorten in Wertheim und Herrenberg und dem Versuch, kurzfristig Ausbilder zu finden, seien jedoch „durchzogen von Aktionismus“.

Für Ulrich Goll (FDP) ist der Personalmangel das Ergebnis von Versäumnissen der grün-roten Vorgängerregierung. Grüne und SPD hätten den tatsächlichen Bedarf an neuen Polizisten ignoriert: „Da nun überall Polizeibeamte fehlen, ist es schwer, irgendwo Personal abzuziehen.“ Die Aktivierung von Pensionären sei nicht falsch, aber teuer.

„Bereits jetzt sehr knappe Personalressourcen“

Die Regierungsfraktionen verteidigen die Idee, Pensionäre als Lehrer zu gewinnen. Der grüne Innenexperte Hans-Ulrich Sckerl betont, dass Ausbilder nicht aus dem aktiven Vollzugsdienst abgezogen werden sollen: „Präsidien und Reviere klagen bereits jetzt über sehr knappe Personalressourcen.“ Auch der polizeipolitische Sprecher der CDU, Siegfried Lorek, hofft, dass erfahrene Beamte ihre Lebensarbeitszeit freiwillig verlängern. „Anders können wir die bestehenden Personaldefizite nicht in den Griff bekommen“, sagt er. Es räche sich jetzt, dass Ex-Innenminister Reinhold Gall (SPD) „Ausbildungsstandorte geschlossen und Ausbilder wegversetzt“ habe.

Sollten sich nicht genügend Pensionäre melden, um den Bedarf an Lehrpersonal in den nächsten Jahren zu decken, bleibt dem Innenressort nichts anderes übrig, als Beamte aus der Fläche an die Ausbildungsstätten abzuordnen. Aus Sicht von Ralf Kusterer, dem Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in Baden-Württemberg, würde das wiederum zu Lasten der Sicherheit der Bürger gehen.