Rund 1000 Menschen demonstrierten gegen 100 Neonazis in Pforzheim. Hier die Bilder. Foto: dpa

Mit Pfefferspray stoppen Polizisten Gegner einer Versammlung von 100 Rechtsextremisten in Pforzheim. Die Konfrontation überschattet das Gedenken am Jahrestag des alliiertem Luftangriffs auf die Stadt.

Mit Pfefferspray stoppen Polizisten Gegner einer Versammlung von 100 Rechtsextremisten in Pforzheim. Die Konfrontation überschattet das Gedenken am Jahrestag des alliiertem Luftangriffs auf die Stadt.

Pforzheim - Bei Protesten gegen eine Versammlung von Rechtsextremisten ist es am Jahrestag des alliierten Luftangriffs in Pforzheim zu Zusammenstößen mit der Polizei gekommen. Die Beamten setzten am Sonntagabend Pfefferspray und Schlagstöcke gegen Demonstranten ein, die zum Ort eines Fackelaufzugs der rechtsextremen Szene vordringen wollten. Sanitäter behandelten mindestens 20 Menschen mit Augenverletzungen. Die Polizei begründete den Pfefferspray- und Schlagstockeinsatz mit Angriffen auf Beamte.

Am 23. Februar 1945 hatten britische Bomber die Stadt nahezu völlig zerstört. 17.600 Menschen starben. Rechtsextremisten missbrauchen den Tag seit mehr als zehn Jahren für eine Fackel-Mahnwache auf dem Wartberg.

Gegen rund 100 Neonazis demonstrierten am Sonntag an die 1000 Menschen. Mit Sprechchören und Böllern versuchten Demonstranten die Rechtsextremen-Aktion zu stören, außerdem läuteten die Glocken der Pforzheimer Kirchen.

Ein Bündnis von 19 Parteien und Organisationen hatte zu der Gegendemo gegen die Rechtsextremen aufgerufen, darunter die SPD, die Grünen und die Linke sowie die evangelische Kirche in Pforzheim. Die Demonstration teilte sich nach kurzer Zeit in mehrere Gruppen auf. Rund 300 Menschen versuchten zum abgesperrten Wartberg durchzukommen. Einige rannten Schilder um und wollten über Absperrungen gelangen. Eine Gruppe von 40 Demonstranten wurde während der Aufnahme ihrer Personalien vorübergehend eingekesselt. Ein Neonazi mit Schlagstock wurde vorläufig festgenommen.

Die Polizei hatte die Neonazis in ihren Privatfahrzeugen zum Wartberg durchgelassen und abgeschirmt, um Zusammenstöße zu verhindern. Vorher hatte sie eine Namensliste mit Teilnehmern erhalten.

„Mögen tut das keiner hier“, sagte der Erste Bürgermeister Roger Heidt (CDU) der Nachrichtenagentur dpa. „Aber das ist der Preis der Demokratie, dass die Polizei auch solche Versammlungen schützen muss.“

„Faschismus ist keine Meinung, Faschismus ist ein Verbrechen“, hatte der stellvertretende DGB-Kreisvorsitzende Wolf-Dietrich Glaser zum Auftakt der Demonstration zuvor auf dem Marktplatz gesagt und zu friedlichem Protest gegen die Versammlung der Rechtsextremisten aufgerufen.

"Diese Menschen haben nichts aus der Geschichte gelernt"

An einer zentralen Gedenkfeier in Erinnerung an die Toten bei der Bombardierung der Stadt nahmen am Vormittag rund 400 Menschen teil, darunter auch Zeitzeugen des britischen Luftangriffs. Oberbürgermeister Gert Hager (SPD) schloss in das Gedanken den „millionenfachen Tod“ von Menschen in vielen Ländern ein, der 1939 „seinen Ausgang in Deutschland genommen“ habe.

Zu der Versammlung der Rechtsextremisten sagte OB Hager, die Stadt verbitte sich einen solchen Missbrauch. Der evangelische Landesbischof Ulrich Fischer sagte bei der Gedenkfeier: „Diese Menschen haben nichts aus der Geschichte gelernt.“ Die Stadt lud die Bürger für den Abend zu einer Kundgebung auf dem Marktplatz ein.

Mit Hamburg und Dresden gehört Pforzheim zu den im Bombenkrieg am schwersten zerstörten Städten. Bei dem Angriff kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs warfen die Besatzungen von 379 Flugzeugen der britischen Luftwaffe innerhalb von 22 Minuten Spreng- und Brandbomben mit einem Gewicht von insgesamt 1575 Tonnen ab. Die historische Innenstadt wurde dabei nahezu vollständig zerstört. Warum gerade Pforzheim? Einige Historiker sehen den Hauptgrund in der feinmechanischen Industrie mit der Produktion von Zündern für Flakgranaten. Andere betrachten den Angriff vor allem als Teil der Strategie, die Zivilbevölkerung zu demoralisieren.