Die meiste Zeit im Internet verbringen Kinder nicht etwa zu Hause, sondern bei Freunden. Ob sie dort soziale Netzwerke wie Facebook nutzen, können Eltern nicht kontrollieren. Foto: dpa-Zentralbild

Obwohl das soziale Netzwerk Facebook erst ab 13 Jahren genutzt werden darf, tummeln sich dort immer mehr Kinder. Statt die Anmeldung zu verbieten, sollten Eltern diese lieber gemeinsam mit dem Nachwuchs machen und das Profil regelmäßig kontrollieren, rät der Pädagoge Jöran Muuß-Merholz.

Obwohl das soziale Netzwerk Facebook erst ab 13 Jahren genutzt werden darf, tummeln sich dort immer mehr Kinder. Statt die Anmeldung zu verbieten, sollten Eltern diese lieber gemeinsam mit dem Nachwuchs machen und das Profil regelmäßig kontrollieren, rät der Pädagoge Jöran Muuß-Merholz.

Herr Muuß-Merholz, das soziale Netzwerk Facebook ist die beliebteste Internetseite bei 6- bis 13-Jährigen in Deutschland. Wundert Sie dieses Ergebnis einer aktuellen Studie zur Mediennutzung von Kindern?
Die Altersspanne ist sehr groß gewählt. Aber bei 12- und 13-Jährigen würde es mich umgekehrt wundern, wenn sie kein Facebook nutzen würden. Ein 6-Jähriger sollte sicher noch nicht auf Facebook unterwegs sein.

Weshalb Facebook selbst in seinen Richtlinien festgeschrieben hat, dass das Netzwerk erst ab 13 Jahren genutzt werden darf.
Ja, das ist zwar eine klare Ansage. Aber um sich anzumelden, muss das Kind nur das Geburtsjahr fälschen und in der Lage sein, von der aktuellen Jahreszahl die Zahl 13 abzuziehen. Das können auch schon 8-Jährige.

Die Kontrolle bei der Anmeldung müsste also strenger sein?
Nein, es geht hier nicht um technische oder juristische Fragen, sondern um pädagogische. Deshalb halte ich auch nichts von strikten Altersgrenzen. Es gibt 13-Jährige, die noch nicht reif genug sind, um sich mit Datenschutz und Urheberrechten auseinanderzusetzen. Manch 11-Jähriger kann das schon. Das zu beurteilen ist allein Aufgabe der Eltern.

Und woher wissen Eltern, ob das Kind schon reif für Facebook ist?
Zunächst muss man herausfinden, warum sich das Kind überhaupt anmelden will. Aus verschiedenen Umfragen weiß man, dass jüngere Kinder vor allem die Spiele reizen. Eltern können sich dann überlegen, ob nicht vielleicht eine andere, werbefreie Plattform mit besserem Datenschutz dieses Bedürfnis auch stillt. Die Kindersuchmaschine Frag Finn stellt hierzu ein gutes Angebot zusammen. Dort werden auch Chats aufgelistet, die sich für Kinder eignen. Denn der zweite Grund für Facebook ist natürlich die Kommunikation. Da geht es gar nicht unbedingt darum, der ganzen Welt irgendwelche privaten Fotos zu zeigen. Die meisten Kinder wollen sich einfach nur mit ihren zwei,drei besten Freunden unterhalten. Auch dazu braucht es nicht unbedingt Facebook.

Doch, sobald die ganzen Freunde nur dort angemeldet sind.
Das ist tatsächlich das Problem, ja. Deshalb bringt es auch überhaupt nichts, Facebook komplett zu verbieten. Die meisten Eltern denken: Sobald sie das Internet entsprechend gesichert haben und nur der Familienrechner im Wohnzimmer genutzt werden darf, haben sie alles unter Kontrolle. Aber die meiste Zeit surfen Kinder inzwischen bei Freunden und auf dem Schulhof mit irgendeinem Smartphone. Es lässt sich nicht verhindern, dass sich das Kind ein Facebook-Profil zulegt. Bevor das heimlich passiert, setzt man sich aber lieber zusammen hin und spricht über Regeln. Meine Töchter dürfen zum Beispiel überhaupt keine Bilder veröffentlichen und keine weiteren Kontaktdaten. Sie sind auch nicht mit ihrem richtigen Namen angemeldet.

Das setzt voraus, dass die Eltern selbst wissen, wie Facebook funktioniert.
Ja, natürlich, das ist ihre Pflicht! Ich würde eine 12-Jährige ja auch nicht allein an irgendeinen Ort zu wildfremden Menschen schicken, ohne mich vorher zu informieren. Mit Facebook ist das nichts anderes. Eltern müssen dafür auch nicht alle technischen Tricks kennen. Aber sie müssen mit den Kindern darüber reden, was es für Auswirkungen hat, wenn die ganze Schule liest, dass man den Mathelehrer doof findet. Der Grat zwischen privat und öffentlich ist in sozialen Netzwerken eben ein schmaler. Darauf muss ein Kind erst balancieren lernen – und zwar Schritt für Schritt. Im Sportunterricht fängt man ja auch nicht gleich auf einem dünnen Seil in zehn Meter Höhe an.

Zum Üben setzt man also strikte Regeln – und kontrolliert sie dann auch?
Natürlich, es ist ja nicht damit getan, sich einmal zusammen anzumelden. Anfangs würde ich mir einmal die Woche Zeit nehmen und das Profil gemeinsam durchsehen. Was gar nicht geht, ist, sich das Passwort zu merken und dann heimlich zu kontrollieren.

Eleganter ist es, sich einfach mit dem Kind auf Facebook zu befreunden.
Wenn beide Seiten das wollen, kann man das durchaus machen. Meist finden Kinder aber sehr schnell heraus, wie sie Dinge so posten können, dass es die Eltern trotzdem nicht mitbekommen. Aber sobald Kinder wissen, wie sie ihre Privatsphäre schützen können, haben sie ja etwas ganz Entscheidendes gelernt.

Wenn man trotz allem das Facebook-Profil des 7-jährigen Kindes wieder löschen möchte: Geht das überhaupt?
Ja, aber das ist sehr kompliziert. Facebook muss zunächst prüfen, ob ich wirklich der erziehungsberechtigte Vater bin oder nicht von einem Schulfreund ausgedacht, der mein Kind ärgern will. Das muss man sich notariell beglaubigen lassen und an Facebook schicken