Wer im Falle seines Hirntods Organe spenden will, sollte dies in einem Organspendeausweis festhalten Foto: dpa

Mit interaktiver Grafik - Krankenkassen versenden wieder Organspendeausweise. Patientenschützer jedoch halten diese Aktion für nutzlos - zu wenige füllen den Ausweis aus.

Hamburg/Frankfurt a. M. - Das Angebot mutet etwas seltsam an: Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) verschenkt Tischkalender. Im neuen Jahr lächeln dann einen Tag für Tag 365 Organpaten an – und erklären, warum sie sich im Falle ihres Todes für eine Organspende entschlossen haben. Wer sich von diesen hat überzeugen lassen, darf sich dann das 366. Kalenderblatt abreisen und darauf selbst ein Kreuzchen machen: Denn das ist gleichzeitig ein Organspendeausweis.

Doch auch diejenigen, denen der Kalender zu sehr nach einem moralischen Fingerzeig anmutet, werden um die Frage „Organspende – Ja oder nein?“ nicht umhin kommen. Dank Post seitens der Krankenkassen. Darin: Noch mehr Informationen zur Organspende und noch ein Ausweis. Den Anfang macht die Techniker Krankenkasse. Sie versendet bis zum 27. Oktober mehr als acht Millionen Briefe an ihre Versicherten.

Die Kassen folgen damit der Gesetzgebung: Seit 2012 sind sie zu dieser Aufklärungskampagne, die alle zwei Jahre wiederholt wird, verpflichtet. Schließlich ist das Problem des Mangels an Organen drängender als eh und je: Derzeit warten 10 600 Menschen in Deutschland auf ein neues Herz, eine Niere oder eine Leber. Alle acht Stunden stirbt einer von ihnen, weil das kranke Organ versagt.

Die Not ist bekannt: Grundsätzlich hält es die Mehrheit der Bundesbürger für richtig, nach dem Tod die eigenen Organe Schwerkranken zur Verfügung zu stellen – nämlich zwei Drittel. Diese Umfrage hat die BzGA zu ihrem Kalenderangebot mit veröffentlicht.

Nur 35 Prozent haben im Ausweis eine Entscheidung getroffen

Doch statt als logische Folge den Organspendeausweis auszufüllen, bleibt dieser unangetastet. Nur 35 Prozent haben im Ausweis eine Entscheidung getroffen. Zu groß ist noch das Misstrauen nach den Transplantationsskandalen von 2012. Damals kam heraus, dass Akten an mehreren Unikliniken gefälscht worden waren, damit ausgewählte Patienten bevorzugt Organe bekamen. Daraufhin ging die Zahl der gespendeten Organe um 20 Prozent zurück. Erst seit diesem Jahr verzeichnet die Deutsche Stiftung Organspende eine Steigerung von fünf Prozent – auch dank der besseren Aufklärung.

Doch führt noch mehr Information auch zu noch mehr Zustimmung? Information ist immer gut, heißt es seitens der Deutschen Stiftung Patientenschutz: Fraglich bleibt die Wahl der Mittel. Die Briefkampagne der Krankenkassen etwa sehen die Patientenschützer eher kritisch. Wenn man bedenke, dass die Wurfsendung „rund 80 Millionen Euro kostet und damit knapp 80 000 Euro pro Organspender, dann kann man nicht von einer Erfolgsgeschichte reden“, sagt der Vorsitzende Eugen Brysch. Der Gesetzgeber erkaufe sich die bloße Hoffnung, dass sich die Menschen mit der Organspende auseinandersetzen.

Das Thema gehöre nach Meinung Bryschs auf den Lehrplan von Schulen und Universitäten, in die Seniorengruppen, Betriebe, Kirchengemeinden und andere öffentliche Einrichtungen. „Hier sollten dann auch kritische Stimmen zu Wort kommen: Beispielsweise der Widerspruch zwischen Organspende und Patientenverfügung.“