Bei Oldtimerversteigerungen geht es um knallhartes Geschäft und große Emotionen. Mancher Profi ersteigert bei der Retro Classics in Stuttgart gleich mehrere Luxusautos – und verzieht kaum eine Miene dabei.
Auktionator Oliver Wimmers hat drei Jahrzehnte Erfahrung. Schnell gehen die Gebote nach oben für den grünen Porsche 911 aus dem Jahr 1968. Wimmers wird zum Schnellsprecher, blickt sich permanent in der Halle um, hat gleichzeitig den Bildschirm seines Laptops im Blick. Rasant geht das Gebot in die Höhe, Interessierte vor Ort und Online zugeschaltete Bieter treiben den Preis in die Höhe. Der Holzhammer des Auktionators fällt. 77 300 Euro stehen auf der Live-Anzeigentafel.
Es ist das teuerste Fahrzeug an diesem Samstagnachmittag. Porsche-Oldtimer gehen immer gut weg, nicht nur bei Auktionen im Schwabenland; ihr Wert steigt in der Regel, je älter sie werden; auch im vergangenen Jahr erzielte ein Porsche bei der Retro Classics das höchste Gebot.
In Messehalle 4 nehmen Oldtimerfans und potenzielle Bieter schon weit vor dem Start der Auktion die Fahrzeuge in Augenschein. Autos beliebter Marken wie Ferrari, Porsche, Mercedes, BMW, Jaguar und Volkswagen werden ebenso versteigert wie weniger gängige Fahrzeuge von De Tomaso, Buick, Lincoln und Lotus.
Bietergefechte wie das um den 911er sind an diesem Nachmittag allerdings rar, entsprechend selten kommen die beiden Auktionatoren Wimmer und Rainer Scholler, die sich jeweils nach zehn Positionen abwechseln, so richtig in Fahrt. Die Zuschauer haben trotzdem ihren Spaß, ihre Zahl ist weitaus höher als die der Bieter.
Wer sich vor Ort mit seinem Personalausweis registriert hat und die Bieterkarte in der Hand hält, wartet in den reservierten Stuhlreihen sichtlich angespannt, bis das Fahrzeug der Begierde zur Versteigerung kommt.
Sammler trennen sich von ihren Autos
Bei Auktionen geht es ums Geschäft, eine Versteigerung soll aber gleichzeitig auch Unterhaltung sein, wie Günter Kaufmann sagt. Gute Auktionatoren wecken auch große Emotionen, Oldtimer seien Liebhaberobjekte, ergänzt der Chef der Auktion & Markt AG, zu der Classicbid gehört. „Einen Oldtimer braucht man nicht, den will man.“ Das Oldtimerauktionshaus veranstaltet seit 2016 die Live-Auktion auf der Retro Classics.
Meist sind es Privatleute, die ihre Fahrzeuge bei Classicbid einliefern, wie es im Fachjargon heißt. Sammler, die sich zum Beispiel aus Altersgründen komplett oder teilweise von ihren Autos trennen, gehören dazu, wie Kaufmann sagt. Ein Versteigerungsvorgang dauert 50 Sekunden. Mit den letzten 20 Sekunden bricht die heiße Phase (Hotbid) an; nach jedem Gebot laufen erneut 20 Sekunden herunter, bis der Hammer irgendwann fällt. Erzielt ein Fahrzeug nicht den Preis, den der Verkäufer sich vorgestellt hat, steht die Versteigerung unter Vorbehalt; Käufer und Verkäufer versuchen dann, sich zu einigen.
Mancher Interessent bietet im Laufe der zweistündigen Auktion gleich auf mehrere Fahrzeuge, hebt dabei kaum merklich die Bieterkarte, aber schon so deutlich, dass es der Auktionator registrieren kann. Wie der Herr in der ersten Reihe: Er ersteigert ein seltenes BMW 326 Cabrio von 1938 für 72 500 Euro, einen Ferrari Mondial T Pininfarina von 1990 für 68 000 Euro, einen Ford Capri III RS/Turbo Umbau für 30 300 Euro, einen VW-Camper T 3 Multivan Westfalia von 1989 für 22 600 Euro – da kommt eine schöne Summe zusammen. Da sowohl der Ferrari- als auch der Ford-Besitzer deutlich mehr Geld wollen, muss nachverhandelt werden. „Ich bin gespannt, ob das klappt. Und haben Sie eigentlich im Lotto gewonnen?“, ruft Auktionator Scholler dem Herrn angesichts dessen Kauffreude zu.
Der Angesprochene verzieht kaum eine Miene. Schnell wird klar, hier handelt es sich um einen solventen Händler, der sich an diesem Nachmittag mit Nachdruck durchsetzt. Händler sind gleichzeitig diskret, schließlich soll niemand erfahren, zu welchem Preis sie Fahrzeuge erwerben, die dann mit einem Aufschlag in ihren Verkaufsräumen angeboten werden.
Zahlenmäßig sind die Händler in der Unterzahl, bringen aber viel mehr Geld zum Einsatz. Der Händleranteil an der Auktion liegt an dem Nachmittag bei 30 Prozent, wie der für Classicbid Verantwortliche Rainer Hahn sagt. Ihre erfolgreichen Gebote machen unter dem Strich aber zwei Drittel der Versteigerungssumme aus. Private Bieter, die auf ein Schnäppchen hoffen, ziehen meist den Kürzeren oder bieten erst gar nicht, wenn der Preis davoneilt.
70 Objekte, 50 davon Autos
Zur Versteigerung aufgerufen wurden in diesem Jahr 70 Objekte, davon 50 Fahrzeuge, eins davon ein Mofa der Firma Göricke von 1954; und 20 sogenannte Automobilia – Sammelobjekte wie Uhren, Bilder und Taschen. Bereits zwei Wochen vorher können Interessierte die Autos, die zur Versteigerung kommen, am Firmensitz von Classicbid im rheinland-pfälzischen Grolsheim bei Bingen besichtigen. 150 Oldtimer im Jahr wechseln via Classicbid den Besitzer, sagt Hahn. „Oldtimerhandel ist ein betreuungsintensives Geschäft“, ergänzt der Manager.
Bei Classicbid kommen Fahrzeuge zwischen 50 000 und 150 000 Euro unter den Hammer, sagt Hahn. „Preisklassen darüber funktionieren bei uns nicht.“ Das Auto eines Kunden im siebenstelligen Bereich habe man schon mal zu Sotheby’s, einem der weltweiten größten Auktionshäuser, weitergereicht. „Da ist das Fahrzeug dann weggegangen“, so Hahn, der einst bei Bosch Kfz-Elektrik gelernt hat.
Classicbid finanziert sich über den sogenannten Aufpreis: Verkäufer müssen fünf Prozent des Auktionspreises entrichten, Käufer zehn Prozent. So mancher potenzielle Verkäufer komme auf dem Boden der Tatsachen an, wenn er sein Auto bei Classicbid einliefere. „Wir arbeiten nicht mit Mondpreisen“, macht Hahn deutlich. Wer ein Fahrzeug jahrzehntelang besitze, verbinde besondere Momente „wie den ersten Kuss mit der späteren Ehefrau“ mit dem Auto. „Diese Emotionen können wir nicht bezahlen.“