Einige Händler finden, dass die Aktionen zur Belebung der Fußgängerzone während der Bauphase nicht zünden. Foto: Werner Kuhnle

Zwei Geschäftsleute starten eine Unterschriftenaktion und weisen per offenen Brief auf das Ausbluten der Marbacher Fußgängerzone hin. An der Verwaltung üben sie Kritik.

Marbach - E s ist ein trister Montagmorgen. Draußen huscht bei grauem Himmel nur ab und zu ein Passant am Fenster vorbei, manchmal auch eine Baumaschine. Drinnen im Café Winkler ist es zwar gemütlich und warn, der Blick durch seinen Gastraum erweist sich für Sedat Güragac dennoch als Stimmungskiller. Lediglich eine treue Seele hat sich hierher verloren. „Ich schaue mir das noch zwei Monate an“, sagt der Gastronom. Ziehen die Umsätze dann nicht wieder an, lasse er die Rollläden unten. Nicht viel rosiger sind die Perspektiven bei Johannes Botz vom Teeladen gleich gegenüber. „Wenn das so weitergeht, kann ich auch nur noch ein halbes Jahr überstehen“, erklärt Botz.

Größere Diskussion ausgelöst

Das Problem für beide ist, dass direkt nach Corona mit der Sanierung der Fußgängerzone gleich der nächste Nackenschlag gekommen ist, wie sie sagen. In der Fußgängerzone sei nun vollends tote Hose und das Geschäft weiter eingebrochen. Mit Schuld daran ist für Botz und Güragac aber auch die Stadt, der sie ein untaugliches Baustellenmanagement vorwerfen und von der sie sich mehr Unterstützung in diesen schweren Zeiten erhofft hatten.

Botz beschrieb seine Sicht der Dinge schließlich auch in der Facebook-Gruppe „Die Marbacher“, löste damit eine größere Diskussion aus und kam schließlich zusammen mit Güragac auf die Idee, einen offenen Brief an Bürgermeister Jan Trost aufzusetzen. Man habe insgesamt 21 Unterschriften gesammelt von sieben anderen Geschäftsleuten, außerdem zehn Anwohnern und vier Immobilienbesitzern aus der Fußgängerzone, die den Hilferuf unterstützen, erklärt Güragac. Er und Botz räumen jedoch auch ein, dass sie mit ihrer Idee nicht überall offene Türen eingerannt haben. Viele hätten „Angst, weil der Brief so scharf formuliert ist“, erklärt Botz.

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Anreize für Auswärtige werden vermisst

In dem Schreiben listen die beiden die aktuellen Nöte auf, fordern die Kommune zum Gegensteuern auf, nehmen aber auch vor allem das Citymanagement und den Bürgermeister unter Beschuss. Das Baustellenmarketing mit Bonusheften und dem Sammeln von Kristallen als Kaufanreiz gleiche „einem Kinderspiel auf einem Kindergeburtstag“.

Es sei offenbar ein Fehler gewesen, überhaupt eine Citymanagerin anzuheuern, das Geld hätte man wohl besser für eine darauf spezialisierte Firma ausgegeben und diese auf Erfolgsbasis bezahlt. Ferner vermisse man Anreize, wie Auswärtige in die gebeutelte Innenstadt gelockt werden können. „Hier will doch niemand draußen einen Kaffee trinken, wenn nebenbei der Presslufthammer dröhnt“, sagt der Betreiber des Café Winkler. Außerdem frage man sich, was aus dem Tourismuskonzept geworden sei, das vor rund einem Jahr verabschiedet wurde.

Vorwurf in Richtung Bürgermeister

Ein großes Manko sehen die Initiatoren des Briefs überdies darin, dass der Markt aus der Innenstadt abgezogen wurde. „Seither gleicht die Marktstraße eher einer Geisterstadt“, heißt es in dem Schreiben. Das Ladensterben schreite voran, während der Bürgermeister selbst kein gutes Beispiel abgebe und persönlich kein Geschäft aufsuche, um dort einzukaufen. Außerdem würden sich Botz und Güragac wünschen, dass die Stadt den Händlern finanziell gezielt und stärker unter die Arme greift. Ihnen schwebt während der Sanierungsphase der Fußgängerzone ein Modell wie bei den Coronahilfen vor, wo der Staat die Umsatzeinbußen der Geschäftsleute ausgeglichen hat.

Vorstoß soll von Räten diskutiert werden

Der Bürgermeister hält es allerdings für äußerst schwierig, die finanziellen Lücken zu beziffern, die tatsächlich durch die Verschönerungsarbeiten im Zentrum hervorgerufen werden und nicht auf das Konto der Corona-Auswirkungen gehen, wie er auf Nachfrage erklärt. Zumal die mit der Sanierung verbundenen Unbilden in zwei Drittel der Marktstraße aktuell kaum oder gar nicht bemerkbar seien.

Gleichwohl müsse das Thema kommunalpolitisch diskutiert werden. Trost kann zudem die Verzweiflung einiger Ladeninhaber grundsätzlich nachvollziehen. „Hauptursache dafür ist sicher die Pandemie“, ist der Rathauschef überzeugt.

Schultes weist Unterstellung zurück

Verärgert ist er jedoch über die Unterstellung der Initiatoren, selbst nicht in der City einzukaufen. „Diesen Vorwurf weise ich entschieden zurück. Alles, was in Marbach zu erledigen ist, erledige ich auch vor Ort“, beteuert Trost und listet eine ganze Palette von Branchen, Geschäften und Dienstleistern auf, bei denen er verkehrt. Der Bürgermeister weist auch den Vorwurf zurück, nicht genügend Anstrengungen für den Tourismus zu unternehmen. Man habe unter Mitwirkung einer Agentur, aber auch mit Akteuren aus der Innenstadt ein entsprechendes Konzept entwickelt. „Die angestrebten Maßnahmen des Konzepts sind dabei darauf ausgelegt, mehr Touristen in die Stadt zu locken“, betont Trost. „Leider wird die Pandemiesituation von den Briefschreibern völlig verkannt. Der Geschäftstourismus ist überall massiv zurückgegangen“, erklärt er.

Was die Verlegung des Wochenmarkts anbelangt, so hätte man die Stände im Rückblick gewiss noch zwei oder drei Wochen länger am Wochenende im Zentrum belassen können, doch aus damaliger Sicht und in Abstimmung mit der Baufirma habe man mit dem 9. Oktober schon den spätestmöglichen Zeitpunkt gewählt.

Mit Aktionen die Innenstadt beleben

Citymanagerin
Heike Büttner ist weiter krankgeschrieben, aktuell bis Ende Februar. Dadurch hätten auch die angedachten Events zur Belebung der Innenstadt noch nicht stattfinden konnten, erklärt Bürgermeister Jan Trost. Man arbeite an Lösungen, wolle am 14. Mai zum Tag der Städtebauförderung rund um das neue Rathaus etwas auf die Beine stellen. Im Rahmen der Gartenschauvorbereitung soll zudem der Burgplatz regelmäßig bespielt werden. Die Galeristin Monika Schreiber habe weitere Ideen in petto.

Aktionen
 Zugleich verteidigt Trost die Aktionen, die noch von Büttner für die Fußgängerzone angeleiert worden waren. Die Bonusheftaktion laufe sehr gut, man habe sogar Material nachbestellen müssen. Ebenfalls erfolgreich sei die Initiative mit den Schillergutscheinen, die es ab einem bestimmten Einkaufswert gibt. Der Gemeinderat habe für den Einzelhandel insgesamt ein Unterstützungspaket von 29 000 Euro aufgelegt, trotz angespannter Finanzlage und als eine von wenigen Kommunen dieser Größe. Auch die Entscheidung für einen Citymanager sei richtig gewesen. So werde es auch von Ludwigsburg oder Großbottwar gehandhabt.