Gruppenbild mit Kunstkuh auf der Kriegeralpe: Die Hoteliers Gerhard Lucian und Daniela Pfefferkorn mit Global-Family-Gründer Karl G. Auer und Gastkind (von links). Foto: Hamann

Global Family schickt bedürftige Familien in die kostenlosen Ferien nach Lech am Arlberg.

Über der Eingangstür steht Gasthof. Doch der Begriff ist maßlos untertrieben. Der Gasthof Post in Lech am Arlberg gehört zu den luxuriösesten Herbergen auf der Welt. In der Post ist alles so vornehm, dass sogar der Oberkellner nicht einfach nur Karl, sondern „Herr Karl“ gerufen wird. Stars und Sternchen geben sich in dem mit bunten Walsermotiven bemalten Haus in der Dorfmitte die Klinke in die Hand. Während der Dreharbeiten zu Teil zwei von „Bridget Jones“ wohnten die Schauspieler Renée Zellweger und Colin Firth in der Post, gekrönte Häupter gehören zu den Stammgästen. „Seit 1960 steigt die niederländische Königsfamilie jeden Winter bei uns ab“, erzählt Kristl Moosbrugger, Seniorchefin des Fünf-Sterne-Hauses.

Doch Glanz und Glamour sind nur eine Seite im Leben der gebürtigen Tirolerin aus St. Anton. Die andere heißt Nächstenliebe. Kristl Moosbrugger, Mutter von drei Söhnen und Oma von acht Enkeln, ist eine fromme Frau. Sie verehrt Innsbrucks Altbischof Reinhold Stecher und zitiert gerne aus dessen Schriften. Sie engagiert sich für zehn verschiedene Wohltätigkeitsorganisationen, baute in Nepal sogar ein ganzes Krankenhaus auf, das Dhulikhel Hospital. Und seit vier Jahren laden die Moosbruggers bedürftige Familien ein, kostenlos bei ihnen Urlaub zu machen. Die Post ist Partnerhotel der österreichischen Wohltätigkeitsorganisation Global Family Charity Resort. Kristl Moosbrugger hat sogar das Amt der Präsidentin übernommen.
Die 2007 in Salzburg gegründete Initiative ermöglicht Familien, für die das Leben nicht normal verläuft, unbeschwerte Ferien. Wie wichtig diese kleine Auszeit vor allem für traumatisierte und schicksalsgebeutelte Kinder ist, erklärt Dieter Strecker, Psychologe aus Rutesheim und Berater von Global Family: „Zeit und Nähe sind die größten Heilmittel. Mit dem Urlaub werden Impulse gesetzt, die bleiben – eine Nachhaltigkeit, wenn die Familien nach Hause fahren.“

Für manche unheilbar kranke Kinder war es der letzte Urlaub, den sie erleben durften. Für andere Familien der erste überhaupt. So wie für Leonie Kracke und ihren behinderten Sohn Paul (13). Mit der 38-jährigen Frau hat es das Schicksal bislang nicht gerade gut gemeint: Sie wird von ihrem mazedonischen Ex-Ehemann mit dem Tod bedroht, weil sie sich von ihm scheiden ließ und das Sorgerecht für die beiden Söhne bekam. „Er wollte nur Tim haben, den gesunden Sohn. Der behinderte Paul war eine Beleidigung für seine Ehre“, erzählt Leonie Kracke. Ihr Ex wurde wegen diverser Straftaten, unter anderem die Entführung seines älteren Kindes, schon mehrfach aus Deutschland ausgewiesen. Er schaffte es aber immer wieder zurück. Daher wurde die dunkelhaarige Frau mit ihren Söhnen in ein Opferschutzprogramm aufgenommen. Sie lebt an einem geheimen Ort irgendwo in Norddeutschland. Weil sie sich um das kranke Kind kümmern muss, kann sie nicht arbeiten und bezieht Hartz IV. „Leonie Kracke ist auch nicht mein richtiger Name“, sagt sie und streichelt dem neben ihr im Rollstuhl sitzenden Kind alias Paul über den Arm.

Der 13-Jährige ist körperlich und geistig behindert. Er kann nicht sprechen, sich nur über einige Laute ausdrücken. „Brumm“, macht Paul und lächelt, als ein Lamborghini dröhnend an der Terrasse des Gasthofs Post vorbeirauscht. Er mag das Geräusch schneller Autos. In Lech gibt es in dieser Woche viel zu lächeln für Paul. Und für seine Mama. „Ich war es bisher gewohnt zu kämpfen. Es ist unglaublich, dass wir hier etwas geschenkt bekommen“, sagt die 38-Jährige, „die Angestellten und die anderen Gäste sind so herzlich. Paul fühlt sich wie ein König.“ Während ihres Urlaubs haben Mutter und Sohn die Landschaft bewundert, das Schwimmbad besucht, sind mit einem Golfwägelchen durch die Gegend gecruist und haben es sich einfach mal richtig gutgehen lassen.
Zeitgleich zu den Krackes machen neun andere Familien in Lech gratis Urlaub. Darunter Gewaltopfer, krebskranke oder verhaltensauffällige Kinder, minderjährige Mütter, Alleinerziehende, Sozialhilfeempfänger. Die meisten kommen aus Österreich. Für die besonderen Gäste hat Global Family Veranstaltungen organisiert, etwa eine Wanderung zur Kriegeralpe, ein Stück unterhalb des 2173 Meter hohen Kriegerhorns. Ausgewählt wurden die Familien von einem Netzwerk an Hilfsorganisationen. „Wir sind das Reisebüro der Menschlichkeit und arbeiten mit Caritas, Frauenhäuser, Kinderkrebshilfe und vielen anderen zusammen“, sagt Karl G. Auer.

Der 52-jährige Steirer gründete Global Family, weil es ihm selbst in seiner Jugend nicht immer gut ergangen ist. Als PR-Berater mit eigener Agentur hatte er beste Kontakte zur Tourismusbranche. Und nutzt sie für die gute Sache. Auers Idee schlug ein wie eine Bombe: „Seit Sommer 2007 haben wir 400 Familien oder über 1000 Menschen auf Urlaub geschickt. Über 100 Familienhotels in Österreich, Südtirol und Deutschland sind dabei“, erzählt Auer stolz.

Häuser am Arlberg sind besonders stark vertreten. Die ersten Familien wohnten 2007 bei Adi Werner im Hotel Arlberg Hospiz in St. Christoph. Heuer sind zudem die Hotels Berghof, Post, Burg, Haldenhof, Gotthard und Goldener Berg in Lech mit dabei. Global Family passt zu dem auch „Monaco der Alpen“ genannten Dorf, denn am Arlberg ist Helfen Ehrensache: Seit 625 Jahren gibt es die Bruderschaft St. Christoph, einst vom Bauern Heinrich Findelkind gegründet, um verunglückten Reisenden auf dem gefährlichen Weg über den Flexenpass zu helfen. Heute werden von der Bruderschaft Familien unterstützt, die in Not geraten sind. Die Menschen in den florierenden Tourismusorten haben nicht vergessen, dass es ihnen nicht immer so gut ging wie heute. „Wir können auf einfache Weise ein bisschen helfen. Das finde ich schön. Deshalb sind wir gerne dabei“, sagt Daniela Pfefferkorn, Chefin des Hotels Goldener Berg in Oberlech. „Uns geht’s gut. Warum soll’s anderen nicht auch gutgehen“, sagt Gerhard Lucian vom Burghotel.

Im Urlaub in Lech geht es Leonie Kracke und Paul sehr gut. Und das ist erst der Anfang. „Ein Gast der Post beobachtete die Freude des behinderten Jungen. Spontan spendete er eine Delfintherapie für ihn in Florida“, erzählt Karl G. Auer. Leonie Kracke würde sich gerne bedanken, doch der Gast möchte anonym bleiben. Noch so ein Fall von Understatement.

Lech am Arlberg

Anreise
Über die A7 und A96 bis Bregenz, dann auf der österreichischen A14 über Feldkirch und Bludenz auf die Lechtalstraße ins Arlberggebiet. Im Sommer kann man auch über Warth anreisen.
Die nächstgelegene Bahnstation befindet sich 17 Kilometer entfernt in Langen am Arlberg (www.bahn.de, www.oebb.at). Von dort verkehren regelmäßig Busse nach Lech, Fahrzeit circa 20 Minuten. Wer ein Taxi bevorzugt, kann dieses bereits zu Hause online reservieren unter www.taxi-lech.at.

Unterkunft
Im Sommer haben in Lech nur etwa die Hälfte der Übernachtungsbetriebe geöffnet, der benachbarte Ort Zürs ist komplett geschlossen. Im Vergleich zum Winter bezahlt man im Edelskiort jedoch nur einen Bruchteil der Zimmerpreise – eine gute Gelegenheit, ansonsten Unerschwingliches zu testen.
Fünf-Sterne-Komfort: Hotel Gasthof Post, Doppelzimmer ab 250 Euro inklusive Frühstück (www.postlech.com). Ganz oben auf dem Berg mit traumhaftem Pool: Hotel Goldener Berg (Vier Sterne Superior), DZ/F ab 133 Euro (www.goldenerberg.at). Imposantes Haus in Aussichtslage mit eigenem Tennisplatz: Burg-Hotel, DZ/F ab 194 Euro (www.burghotel-lech.com). Familiär geführtes Haus direkt am plätschernden Fluss Lech: Hotel Auenhof (vier Sterne) DZ/F ab 108 Euro (www.auenhof.com). Liebevoll eingerichtetes Boutique-Hotel garni: Das Georg (vier Sterne), DZ/F ab 90 Euro, www.das-georg.at.

Essen und trinken
Auf 1560 Metern in herrlich sonniger Lage am Schlegelkopf befindet sich die Rud-Alpe. Seit 250 Jahren werden in dem urigen Holzhaus Gäste bewirtet – die Blechkuchen sind legendär. Wer nicht gerne wandert, fährt mit der Gondel nach Oberlech und geht ein paar Schritte bergab (www.rud-alpe.at).
Ein sensationelles Tiroler Gröstl wird in der Bodenalpe serviert. Das Lokal, einen Kilometer außerhalb von Lech an der Bundesstraße nach Warth gelegen, hat nur im Sommer geöffnet, weil die Straße bei Schnee wegen Lawinengefahr gesperrt wird (www.bodenalpe-lech.com). Hus 8 ist ein gemütliches Wirtshaus in der Ortsmitte, in dem Vorarlberger Spezialitäten serviert werden (www.hus8.at).

Freunde italienischer Küche fühlen sich im Charly wohl. Das Ristorante liegt in der Nähe des Schlosskopfliftes (www.pizza-charly.at).

Sport im Sommer
Als Pendant zur berühmten Skirunde, dem „Weißen Ring“ (www.derweissering.at), gibt es im Sommer einen „Grünen Ring“. Die Wanderroute führt in drei Tagesetappen rund um Zürs und Lech
(www.dergruenering.at).

Noch bis zum 9. Oktober gilt in der Region die „Active inclusive Card“. Mit der Karte, die jedem Gast ab der ersten Übernachtung kostenlos ausgehändigt wird, kann man gratis Bus und Seilbahn fahren, das Waldfreibad besuchen und viele weitere Aktivitäten nutzen.

Allgemeine Informationen
Lech am Arlberg ist ein Mitglied der „Best of the Alps“-Orte und wurde 2004 als „Schönstes Dorf Europas“ ausgezeichnet (www.lech-zuers.at).
Infos und Spendenkonto der Organisation Global Family Charity Resort unter www.global-family.net.