Die Initiative gegen den Stadtbahnlärm setzt sich dafür ein, dass es entlang der Gleise leiser wird. Nach anfänglichen Erfolgen spricht sie nun von Stillstand und übt Kritik an der SSB.
Verkehrswende bedeutet, das eigene Auto häufiger stehen zu lassen und zum Beispiel auf die öffentlichen Verkehrsmittel umzusteigen. Das macht auch Jürgen Häberle. „Der ÖPNV muss ausgebaut werden. Ich bin selbst Nutzer von Bus und Bahn“, sagt der Mann aus Stuttgart-Vaihingen. Doch er ist auch der Sprecher der Initiative gegen den Stadtbahnlärm. Diese hatte sich im Juni 2019 gegründet, mit dem Ziel, dass die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) den Fokus mehr auf dieses Thema legt.
Der harte Kern der Initiative umfasst etwa ein Dutzend Mitglieder. Sie bekommen jedoch nach eigenen Angaben Zuspruch von Menschen aus ganz Stuttgart und sprechen für Hunderte Lärmgeplagter. Schon nach kurzer Zeit konnte die Initiative erste Erfolge verbuchen. Der Gemeinderat stellte im Doppelhaushalt 2022/2023 Geld für weitere Maßnahmen gegen den Stadtbahnlärm zur Verfügung. Nun zieht Jürgen Häberle eine Zwischenbilanz – und die fällt bescheiden aus. „Bisher hat keine einzige Maßnahme gegriffen“, sagt er.
Die Schienenkopfkonditionierung ist noch nicht in Betrieb
Das mag verwundern, denn die SSB hat bereits vor mehr als einem Jahr zwei Versuchsanlagen installiert, die den Lärm mindern sollen. Eine befindet sich in Stuttgart-West bei der Haltestelle Schlossstraße und eine bei der Haltestelle Vaihinger Straße in Möhringen. Dabei geht es um die sogenannte Schienenkopfkonditionierung. Die speziellen Anlagen schmieren die Gleise und sollen so den Lärm der darüberfahrenden Bahn reduzieren. Doch dafür braucht es ein spezielles Schmiermittel. Dieses wurde zuletzt als „gering wasserschädigend“ eingestuft, weshalb das Umweltamt die erforderliche Zulassung bisher verweigert hat. Ein externer Gutachter soll das Schmiermittel nun bewerten.
„Der Pilot zur Schienenkopfkonditionierung kann erst beginnen, wenn eine Zustimmung des Amtes für Umwelt zur Nutzung des Konditionierungsmittels vorliegt. Zwei wichtige Aspekte des Umweltschutzes müssen hier abgewogen werden“, heißt es dazu in der schriftlichen Stellungnahme der SSB. Es sei kein Standardverfahren bekannt, mit dem die Wirkung des zu verwendenden Konditionierungsmittels beurteilt werden könne. Die Suche nach Partnern zur Erstellung eines solchen Gutachtens benötige daher Zeit. Das Verkehrsunternehmen ist jedoch „zuversichtlich“, bald ein „belastbares Prüfverfahren“ zu finden. „Danach wird gemeinsam mit dem Amt für Umwelt entschieden, wie hinsichtlich des Pilotversuchs weiter verfahren werden kann“, schreibt die SSB.
Jürgen Häberle befürchtet, dass dieses Verfahren noch Jahre dauert. Andere Städte seien da schon weiter, so zum Beispiel Karlsruhe und Freiburg. „Wir haben gedacht, 2022 passiert endlich was, aber stattdessen: Stillstand“, sagt Häberle resigniert.
Wirksamkeit von Schallschutzanlagen soll geprüft werden
Beschlossen hatte der Gemeinderat auch, dass die Wirksamkeit bestehender Schallschutzmaßnahmen überprüft wird, so zum Beispiel die Funktionalität der Lärmschutzwand am Kauslerweg in Möhringen. Das Geld für das Gutachten sei bereitgestellt, aber das Gutachten noch immer nicht beauftragt, kritisiert Jürgen Häberle. Der Grund: „Die SSB möchte warten, bis die Anlagen zur Schienenkopfkonditionierung in Betrieb sind“, sagt Häberle.
Das Verkehrsunternehmen bestätigt das: „Es ist aus Sicht der SSB sinnvoll, Schallmessungen an bestehenden Schallschutzanlagen mit dem Piloten zur Schienenkopfkonditionierung zu flankieren. Sollte der Pilot nicht stattfinden, muss diese Fragestellung neu bewertet werden“, heißt es in der Stellungnahme. Es dauert also. „Und was ist, wenn das Gutachten ergibt, dass neue Schallschutzmauern notwendig sind?“, fragt Jürgen Häberle. Dann sei es unter Umständen zu spät, um dafür Geld im nächsten Doppelhaushalt bereitzustellen.
Das Schallmonitoring ist noch für dieses Jahr geplant
Geplant ist auch ein Schallmonitoring. Mit speziell ausgestatteten Wagen sollen Messfahrten unternommen werden, um die Quellen des Lärms besser identifizieren zu können. „Gerade findet der Beschaffungsprozess für ein entsprechendes Messsystem statt, das dann in zwei Stadtbahnfahrzeuge eingebaut werden muss. Aufgrund des sehr eingeschränkten Anbietermarktes ist es derzeit jedoch offenbar schwierig, qualifizierte und verbindliche Angebote zu erhalten“, schreibt die SSB dazu. Die Schwingungs- und Schallmessungen sollen aber noch im Laufe dieses Jahres stattfinden.
Jürgen Häberle betont: „Die SSB macht alles, was gesetzlich vorgeschrieben ist. Aber sie macht nur wenig darüber hinaus.“ Diese Kritik will die SSB so nicht stehen lassen: „Was die SSB unternimmt, um durch Stadtbahnfahrten verursachte Geräusche einzudämmen, geht auf unterschiedliche Weise insgesamt deutlich über gesetzliche Vorgaben hinaus“, entgegnet der Verkehrsbetrieb. Die SSB sei seit Jahrzehnten dabei, „im komplexen Feld der Lärmemissionsbegrenzung wirkungs- und sinnvolle systemische Maßnahmen für ihr Netz zu identifizieren und umzusetzen“. Infolgedessen seien die Stadtbahnen in Stuttgart merklich leiser als gesetzlich gefordert.