Die Rutesheimer Verwaltung ist gegen den Antrag der Solidarischen Gemeinschaft Heckengäu – wird aber von der Mehrheit der Räte überstimmt.
So gut besucht wie am Montagabend sind Sitzungen des Rutesheimer Gemeinderates nur selten. Bürgerinnen und Bürger drängten sich im Sitzungssaal, die Rathaus-Chefin Susanne Widmaier schaute selbst noch nach mehr Sitzgelegenheiten. Grund dieses regen Interesses war vor allem ein Tagesordnungspunkt: Der Antrag der Solidarischen Landwirtschaft Heckengäu, kurz Solawi genannt, auf Zustimmung für einen Wasseranschluss auf ihrem Feld. Die Verwaltung wollte diesem Antrag nicht zustimmen. Doch die Gemeinderäte stellten sich mehrheitlich hinter die Solawi.
Professionelle Lösung gefragt
Bislang hatte sich diese, die 2021 gegründet wurde und die im Perouser Gewann Förstle etwa 50 unterschiedliche Gemüsekulturen regional anbaut, mit einem Schlauchanschluss an die CVJM-Leitung in unmittelbarer Nähe mit Wasser beholfen. Diese Erlaubnis mit dem technischen Provisorium endet Ende des Jahres. Solawi strebt daher eine professionellere Lösung mit einer Leitung an, für deren Kosten sie auch selbst aufkommen will. Denn: Die Genossenschaft, die momentan etwa 100 Ernteanteile an ihre Mitglieder abgibt, will wachsen, was bedeutet, dass sie mehr Wasser verbrauchen wird. Laut der Rechnung von Vorstand Heiner Langer hat Solawi im vergangenen Jahr etwa 450 Kubikmeter Wasser benötigt, was einem Verbrauch von vier bis fünf Haushalten entspreche. Bei angestrebten 300 Ernteanteilen würde der Bedarf auf etwa 2500 Kubikmeter pro Jahr ansteigen. Zusätzliche 800 Kubikmeter sollen über Regenwasser gewonnen werden, das in einem entsprechenden Behälter gespeichert werden soll.
Bei der Verwaltung stießen diese Pläne für einen Wasseranschluss an die private Leitung im Förstle für die regelmäßige Bewässerung der Felder mit Trinkwasser nicht auf Gegenliebe. Die Genossenschaft könne doch bei besonderem Bedarf Wasser aus den nicht für die Trinkwasserversorgung genutzten Brunnen in Renningen schöpfen. „Wasser, vor allem Trinkwasser, ist zunehmend auch in Deutschland sehr knapp und kostbar, der weitere Trend ist klar und eindeutig, Trockenheit macht gerade insgesamt große Sorgen, das ist ein sehr emotionales Thema“, sagte Bürgermeisterin Susanne Widmaier.
Der Grundwasserpegel sinkt
Die Grundwasserpegel würden durch den Klimawandel und die zurückgehenden Regenmengen sinken. Das hatte auch der Zweckverband Renninger Wasserversorgung – Mitglieder sind Renningen und Rutesheim – in einem Strukturgutachten festgestellt. Darin heißt es: Das Eigenwasser ist rückläufig und eine Erhöhung der Bezugsquote beim Zweckverband Bodenseewasserversorgung sei bis in fernere Zukunft nicht möglich. Auch ein zusätzlicher Wasserbezug über umliegende Kommunen oder Versorger sei nicht möglich. „Wir sind auf der dringenden Suche nach Wasser“, sagt Widmaier.
Vor diesen Hintergründen hatten es sich die Gemeinderäte nicht leicht gemacht, eine Entscheidung zu treffen. „Bei der Diskussion in unserer Fraktion gab es unterschiedliche Meinungen, es ging hin und her und wir sind uns nach wie vor nicht einig“, sagte Wolfgang Diehm, der Fraktionsvorsitzende der Bürgerlichen Wählervereinigung (BWV). Er selbst stimmte nicht dem Antrag von Solawi zu. „Das Strukturgutachten war für mich ausschlaggebend.“ Auch wolle er die Landwirte nicht gegen Solawi ausspielen. Zumal einige Landwirte in der Zwischenzeit auch Anschlüsse in ausreichender Zahl auf der Gemarkung Perouse und Rutesheim beantragt haben.
Ohne Wasseranschluss hat Solawi keine Perspektive
Die CDU-Fraktion stellte sich ebenfalls auf die Seite der Verwaltung und stimmte deren Antrag zu. „Wir sind allerdings nicht grundsätzlich gegen eine Wasserleitung, sondern wir stimmten gegen eine Trinkwasserleitung. Es gibt ja zwischenzeitlich gute Aufbereitungen, das sogenannte Grauwasser, das zum Bewässern genutzt werden kann“, sagte die Fraktionsvorsitzende Christina Almert. „Wir müssen uns auch die Frage stellen, ob wir uns den großzügigen Verbrauch von Wasser für Pools, Sportanlagen oder unangepasste Gärten in Zukunft noch leisten können.“
Ratskollege Harald Schaber (Unabhängige Bürger Rutesheim) sieht ebenfalls Gründe, den Wasseranschluss nicht zu genehmigen. „Ohne Wasseranschluss hat Solawi Heckengäu nach unserer Einschätzung aber keine Perspektive. Die Genossenschaft mit 170 Mitgliedern versorgt derzeit 120 Haushalte mit Gemüse. Diese Form der ökologischen Landwirtschaft muss auch im Sinne unserer Bemühungen im Klimaschutz unterstützt werden.“ Wichtig sei der UBR-Fraktion, „dass wir die Arbeit der Perouser Landwirte gleichermaßen wertschätzen. Es ist kein Votum gegen die konventionelle Landwirtschaft. Wir wollen beide Bewirtschaftungsformen ermöglichen – und dies langfristig.“ Das Hauptargument des SPD-Fraktionsvorsitzenden Tommy Scheef, die Genossenschaft zu unterstützen, ist „das Engagement und die Leidenschaft dieser Truppe sowie die wirklich überschaubaren Verbrauchszahlen“. Für die Grün-Alternative Bürgerliste ist die Arbeit von Solawi „in jeder Hinsicht ein begrüßenswerter Beitrag zum Klimaschutz. „Die Genossenschaft möchte ohne größere Gewinnabsichten lokal erzeugte Lebensmittel produzieren. Sie weist mit einem nachvollziehbaren Konzept nach, dass ein effizienter Umgang mit der Ressource geplant ist“, sagt der Fraktionsvorsitzende Fritz Schlicher.
Die Mehrheit stellt sich hinter die Solawi
Am Ende stellte sich mit zehn Stimmen die Mehrheit hinter Solawi, fünf Räte stimmten für den Antrag der Verwaltung. Bürgermeisterin Susanne Widmaier war zwar nicht zufrieden mit diesem Ergebnis. „Doch am Ende ist mir auch wichtig, dass sich der Gemeinderat bei diesem emotionalen Thema nicht entzweit.“ Dagegen war Solawi-Vorstand Heiner Langer überglücklich: „Für uns war das eine existenzielle Entscheidung. Uns ist ein verantwortungsvoller Umgang mit der immer knapper werdenden Ressource Wasser natürlich sehr wichtig.“