In Berlin verschickt Andreas Renner (52) einen Brief, mit dem er sich bei allen Stuttgarter CDU-Mitgliedern als Kandidat für die OB-Wahl bewirbt. Quelle: Unbekannt

Früherer OB von Singen will Stuttgarts Stadtoberhaupt werden – Bewerbung wurde "herausgefordert".

Stuttgart - Nach wochenlangem Überlegen hat sich der CDU-Politiker Andreas Renner entschieden. Auch er möchte von der Partei als OB-Kandidat für Stuttgart nominiert werden - wie der parteilose Unternehmer Sebastian Turner.

Es ist kurz vor 11 Uhr am Dienstag, als das Signal kommt, auf das viele voller Spannung warteten. In Berlin verschickt Andreas Renner (52) einen Brief, mit dem er sich bei allen Stuttgarter CDU-Mitgliedern als Kandidat für die OB-Wahl bewirbt.

Zur Mittagszeit trifft er in Berlin auf dem Flughafen ein, um nach Stuttgart zu seiner Pressekonferenz zu fliegen - und trifft den Stuttgarter CDU-Chef Stefan Kaufmann, der zur selben Pressekonferenz will. Weil der Flieger Verspätung hat, sind sie eine Stunde lang zusammen in der Flughafen-Lounge. Im Flugzeug sitzen sie getrennt. Egal, wird Kaufmann später sagen, man hatte ja vorher Zeit, sich zu unterhalten.

Kaufmann will auch bei Renner dabei sein

Allerdings gibt es auch viel zu besprechen. Denn Kaufmann hat sich Mitte Januar für den parteilosen Werbefachmann Sebastian Turner erklärt, den er, wohl auf Anregung von Bundesministerin Annette Schavan, selbst angeworben hat. Wie bei Turners Pressekonferenz will Kaufmann auch bei Renner dabei sein. Weil er für ein faires Auswahlverfahren in der Partei eintrete, wie er nach viel innerparteilicher Kritik an seinem Verfahren in der Akademie der schönsten Künste an der Charlottenstraße sagt. Jetzt gebe es einen weiteren hochkarätigen Bewerber. Er wisse Renners Erklärung zu schätzen. Sie ermögliche einen Ideenwettbewerb schon im Vorwahlkampf - "eine große Chance".

Schon dieses interne Nominierungsverfahren, sagt Renner, werde es in sich haben. Der Politprofi, CDU-Mitglied seit 1979, nützt aber gleich die Flanken, die sich ihm bieten. Seit Turner ins Rennen ging, werde er geradezu bestürmt, die Kandidatur anzustreben, sagt er. Turners Kandidatur habe seine, Renners, Kandidatur herausgefordert.

Die beiden Personen seien unterschiedliche Lebensentwürfe. Am Ende, da ist er sich mit Kaufmann einig, komme es darauf an, wem die Basis zutraue, die Wahl zu gewinnen. Oder wie Renner sagt: "Fritz Kuhn zu schlagen". Einen Grünen-Politiker, der eine richtige "Hausnummer" sei. Er habe einige Ideen, wie Kuhn beizukommen wäre. Aber Renner weiß: Um zu gewinnen muss man die Parteiwähler und zusätzlich 20 Prozent holen." Er traue sich zu, fast alle Stammwähler zu gewinnen, sowie Wähler der Grünen und der bürgerlichen SPD.

"Sauberes Auswahlverfahren"

"Sauberes Auswahlverfahren"

Dass die Grünen niemand finden würden, habe er, Renner nie geglaubt, denn "um dieses Amt muss eine Partei mit Anspruch sich ernsthaft bemühen". So macht er den Exkurs zu den anderen Parteien noch zur Mahnung an die eigene CDU. So wie er die Gemeinsamkeit mit Kaufmann beschwört, dass durch das Auswahlverfahren keine Kandidaten und auch nicht der Kreisvorsitzende beschädigt werden sollen - und wie er gleichzeitig festhält, dass ein "sauberes Auswahlverfahren" stattfinden solle.

Die Entscheidung für diese Bewerbung, sagt Renner, sei eine der schwersten Entscheidungen in seinem politischen Leben gewesen. Seine Frau und er wüssten, "worauf ich mich einlasse". Man gebe mit einer OB-Kandidatur ein dreiviertel Jahr Lebenszeit hin. Er habe Respekt vor seiner Aufgabe, aber keine Angst. Ein Zehn-Punkte-Programm wolle er Stuttgart im Wahlkampf nicht überstülpen, sagt er. Dafür sei die Stadt zu vielfältig. Die Zeit der ganz großen Infrastrukturprojekte sei vorbei. Jetzt gehe es darum, mit vielen kleineren Projekten die Stadt noch lebenswerter zu machen. Überhaupt: Lebensqualität, Lust auf Stuttgart, mehr Wohnraum für junge Familien - das dürften Renners Themen werden.

Auf Basis der Volksabstimmung könne man versöhnen

Dass die Volksabstimmung zu Stuttgart21 vorüber sei, erleichtere es dem neuen OB, die Gräben behutsam zuzuschütten, glaubt Renner. Der Neue könne nur dafür sorgen, dass S21 "anständig umgesetzt und für Mensch und Natur erträglich wird, und streng auf Einhaltung der Kosten achten. Auf der Basis der Volksabstimmung könne man versöhnen. Probleme wie der bisherige OB werde der neue nicht haben.

Wie aber ist Renner gewappnet, die Altlasten aus seiner früheren Tätigkeit zu beherrschen? Sein Ohrring, der früher Aufsehen erregte, sei jetzt "mal dran und mal nicht dran", sagt er. Da sieht er kein Problem. Und die alten Aussagen, die vor Jahren den katholischen Bischof aufbrachten und die politische Öffentlichkeit? Er rechne damit, sagt Renner, dass die alten Sätze im einen oder anderen Fall instrumentalisiert würden. Er habe damals die politische Strafe aber akzeptiert und die persönlichen Konsequenzen getragen, sagt er in Anspielung auf seinen Rücktritt als Landessozialminister, "das kann nicht jeder von sich sagen". Außerdem sei er inzwischen älter geworden - "und etwas zurückhaltender".