Nina Petri, hier in ihrer Rolle als Pip im Stück „Dinge, die ich sicher weiß“, mit dem sie demnächst auf der Bühne der Fellbacher Schwabenlandhalle zu sehen ist. Foto: Oliver Fantitsch

Die Schauspielerin Nina Petri spricht kurz vor ihrem Gastspiel in Fellbach über die ihr häufig zugedachte Titulierung, über ihre vielen Rollen in hervorragenden Filmen, über ihren Fehlgriff beim Hamburger „Tatort“, über ihre Erfolge mit Hörbüchern und ihren etwas nachlassenden Schuhfimmel.

Nina Petri gehört zu den profiliertesten Schauspielerinnen Deutschlands und hat in vielen hochkarätigen Kino- und Fernsehfilmen mitgewirkt. Aktuell ist sie mit dem Stück „Dinge, die ich sicher weiß“ auf Theatertournee. Am Mittwoch und Donnerstag, 28. und 29. Februar, ist sie damit auf der Bühne der Schwabenlandhalle Fellbach zu sehen. Kurz davor hat sie sich im Interview den Fragen unserer Redaktion gestellt.

Frau Petri, wir erreichen Sie gerade per Telefon in Ihrer Heimatstadt Hamburg. Überrascht hat mich bei meiner Recherche die Erkenntnis, dass Sie nicht nur das hanseatische Missingsch, sondern auch den Ruhrpott-Dialekt beherrschen. Wie kommt das denn?

Es stimmt. Ich bin echte Hamburgerin, habe aber berufsbedingt auch schon in Köln und Bochum gelebt, wo ich an der Westfälischen Schauspielschule studiert habe – das ist fast 40 Jahre her. Damals war das Ruhrgebiet verschrien als hässlichste, graueste, düsterste Ecke Deutschlands mit dem Bergbau und so weiter. Und dann soll man aus einer so schönen Stadt wie Hamburg dort hinziehen. In meiner Phantasie hab ich mir das ganz furchtbar ausgemalt. Aber dann habe ich so einen unglaublich tollen Menschenschlag erlebt, so wahnsinnig freundlich und nett. Ich habe mich einfach in diese Menschen verliebt. Deswegen hat sich das so entwickelt, dass ich auch bald Ruhrpott sprechen konnte. Meine allererste große Rolle war ja sogar ein Mädel aus dem Pott, in „Rote Erde“. Und später bin ich mehrfach bewusst für solche Rollen besetzt worden, weil die Regisseure dachten, ich sei dort aufgewachsen.

Ich wage eine These: Wenn Sie in Hamburg auf dem Jungfernstieg zum Einkaufsbummel unterwegs sind, denken viele: Ich weiß zwar nicht, wie sie heißt, aber dieses markante Gesicht habe ich hundertprozentig schon mal gesehen.

Stimmt schon. Als ich jünger war, da wusste man sofort, wer ich bin und auch wie ich heiße, weil ich da noch öfter im Fernsehen zu sehen war. Manchmal denken die Leute auch an einen vermeintlich gemeinsamen Urlaub. Oder man glaubt, man habe mich gestern an der Supermarktkasse nebenan gesehen. Dann lächel’ ich freundlich und sage ,ja ja’ und geh’ weiter.

Was ist denn von dieser Selbsteinschätzung zu halten, die Sie irgendwann mal geäußert haben: „Ich bin ein Typ, aber keine strahlende Schönheit.“ Das können Sie doch nicht ernst meinen?

Das habe ich bestimmt vor 30 Jahren mal gesagt, oder? Obgleich, heute bin ich wahrscheinlich noch weniger eine strahlende Schönheit. Aber das ist letztendlich eine Übernahme dessen, was ich so gespiegelt bekommen habe. Ganz oft wurde über mich geschrieben, ich sei – nein, eben nicht die strahlende, sondern die herbe Schönheit Nina Petri. Und da wundert man sich schon: Was heißt das denn, warum kann man nicht sagen „die Schönheit“? Warum ist es überhaupt wichtig, immer die Schönheit zu spielen? In beruflicher Hinsicht ist das ja tatsächlich richtig wichtig, wie man aussieht, ob man also attraktiv ist oder schlank, als welcher Typ man eingeordnet wird. Und zumindest früher warst du als Rothaarige auf jeden Fall nicht die Protagonistin. Rote Haare sind ein Alleinstellungsmerkmal, damit erhältst du eher die Charakterrollen oder bist die Freundin der Hauptdarstellern oder die Böse, die Skurrile, aber nicht die erste Protagonistin.

Sie haben ja in vielen Highlights der deutschen Kinogeschichte mitgewirkt, mit dem Durchbruch in „Die tödliche Maria“, in „ Lola rennt“, in „Bin ich schön?“ Sensationelle Werke – und dann auch ein Dutzend Male im Tatort.

Na, so oft war es wohl nicht. Diese Annahme hat aber einen Grund: Ich habe einmal eine falsche Entscheidung getroffen, mich beim Hamburger Tatort als die Ex-Frau des von Robert Atzorn gespielten Kommissars besetzen zu lassen. Das war ein großer Mist, denn erstens war die Rolle winzig klein, ich habe also kaum Geld verdient. Und dann wurde sie nach drei Folgen oder so auch noch raus geschrieben. Aber im Bewusstsein der Leute gehörte ich eben zum Tatort Hamburg und habe deshalb lange keine Rollen mehr gekriegt in irgendwelchen anderen Tatorten. Meine Hamburger Tatorte können Sie alle knicken: Kein Geld für viel Aufmerksamkeit, die nicht gut war und mir nur geschadet hat.

Wir beide sind Jahrgang 1963, der 60. Geburtstag liegt hinter uns – war’s für Sie auch ein so einschneidendes Datum?

Na, wie soll ich sagen, die Hälfte des Lebens ist auf jeden Fall schon rum. Aber für mich war noch einschneidender, 50 zu werden, weil das der Moment war, wo ich gesagt habe: Ab jetzt ist alles, was kommt, geschenkte Zeit. Das ist so ein Lebensmotto von mir. In Zeiten, wo ich so an mir selbst oder an der Welt zweifle, rufe ich mir das wieder ins Gedächtnis und denke: Wow! Du kannst jetzt ganz anders entscheiden, du hast nichts mehr zu verlieren, du kannst eigentlich nur noch gewinnen.

Es gibt ja die Initiative für bessere Rollen für Frauen über 50. Unterstützen Sie dieses Anliegen?

Vor allem müsste es überhaupt mehr Rollen für Frauen geben, egal in welchem Alter. Das geht schon los ab Mitte oder spätestens Ende 30. Dann fängst du an, nur noch Mütter zu spielen, und die haben dann meistens keine Erotik und keinen Sex mehr, sondern sind entweder ganz schlechte Eltern für ihre Kinder oder sie haben ihr Leben falsch aufgestellt und müssen lernen, wie sie trotzdem beruflich erfolgreich sind und auch noch ‘ne tolle Frau sein können – aaach, nee. Ich habe mit 39 meine erste Oma-Rolle gespielt und dachte: Uups, was ist denn jetzt los?

Jetzt gastieren Sie mit „Dinge, die ich sicher weiß“ in Fellbach. Worum geht’s?

Es ist ein modernes Stück, damit sind wir mittlerweile zum dritten Mal auf Tournee. Ich behaupte mal, dass sich so gut wie alle im Publikum damit identifizieren können. Ganz viel, was in dieser Familie komprimiert passiert, kennt jeder zumindest in Teilen aus seiner eigenen Familie: Geschwister-, Mutter-Tochter-Konflikt und auch Gendergeschichten kommen darin vor, auch Tod. Es ist zum Teil lustig mit viel Situationskomik, obwohl es vielleicht inhaltlich gar nicht lustig ist. Es sind supertolle Dialoge, es ist eine Freude, das zu spielen.

Sie werden oft als „Powerfrau“ und „Allroundtalent, das vor keinem Genre zurückschreckt“, bezeichnet. Dazu gehören auch Ihre Hörbücher, von denen viele Bestseller geworden sind.

Stimmt, ich bin durchaus eine sehr erfolgreiche Hörbuchsprecherin. Eine meiner Autorinnen ist Karen Slaughter, jetzt habe ich mit Tess Gerritsen ein ganz tolles Hörbuch gemacht. Das ist ein Teil meines Berufsfeldes.

Das sind mal 782 Minuten wie bei Gerritsens „Spy Coast“ oder sogar 1088 Minuten bei Nele Neuhaus’ „Unter Haien“: Ich stelle mir das als sehr anstrengend vor, sich stundenlang zu konzentrieren, sich nicht zu verhaspeln und immer auf den Punkt da zu sein, oder?

Sechs durchgehende Stunden im Studio, das ist schon anstrengend. Aber es ist auch toll, denn ich kann dort, was ich leider als Schauspielerin viel zu wenig kann: Rollen spielen, die ich sonst nie angeboten kriegen würde. Man bekommt so ein bisschen ein Gott-Gefühl dabei. Man erfindet nur mittels seiner Stimme eine ganze Szenerie, ich darf alle Räume kreieren mit meiner Stimme und bin Regisseurin, Bühnenbildnerin und Schauspielerin jeglicher Rollen in einer Person.

Wie viele High Heels haben Sie in Ihrem Schuhschrank – in der Hamburger Morgenpost wird Ihnen ein „weiblicher Schuhfimmel“ zugeschrieben?

Ich habe wirklich sehr viele Schuhe, das muss ich schon zugeben, darunter auch sehr viele hohe Schuhe. Aber ich ziehe die immer seltener an. Auf dem nassen, unebenen Boden umzuknicken, dieses Risiko möchte ich lieber vermeiden. Aber ich liebe schöne Schuhe, auch hochhackige.

Das stelle ich mir aus seltener eigener Erfahrung schwierig vor, dass man die Balance hält und nicht umknickt.

Glauben Sie mir, das lernt man im Laufe seines Frauenlebens zur Genüge, das ist kein Problem für mich.

Durchbruch mit „Die tödliche Maria“

Anfänge
Nina Petri wird am 16. Juli 1963 in Hamburg geboren. Nach dem Abitur absolviert sie ihre Ausbildung an der Westfälischen Schauspielschule in Bochum. Später spielt sie am Schauspiel Köln, bei den Bad Hersfelder Festspielen, am Burgtheater oder am Ernst-Deutsch-Theater in Hamburg.

Filme
Ihr erster großer Erfolg ist der Fernseh-Mehrteiler „Rote Erde“ 1989, im Kino glänzt sie in „Die tödliche Maria“ von Tom Tykwer. Weitere herausragende Rollen spielt sie in „Lola rennt“ sowie in Doris Dörries Meisterwerk „Bin ich schön?“. Zudem hat Nina Petri durch zahlreiche Hörbücher eine imposante Fangemeinde gewonnen.

Privates
Aus ihrer Ehe gingen Zwillinge hervor (geboren 1994), die sie nach ihrer Scheidung als Alleinerziehende großgezogen hat. 2009 und 2010 wurde sie von der Hamburger SPD als Wahlfrau für die Wahl des Bundespräsidenten benannt.