Der Umbau zum Bürgerschloss ist der Landesregierung zu teuer Foto: Peter Petsch

Das Neue Schloss könnte sich für Bürger öffnen, gastronomische Angebote würden es außerdem zum Anziehungspunkt machen. Doch der Landesregierung ist das Projekt zu teuer. Dafür wirft sich jetzt die Landes-CDU ins Zeug für eine Umnutzung.

Stuttgart - Die entscheidende Passage nimmt auf den zwei DIN-A-4-Seiten nur sechs dürre Zeilen ein. „Es wurde Einvernehmen darüber erzielt, dass die anfallenden Kosten für notwendige Umbaumaßnahmen zu hoch und der gastronomische Bedarf nicht darstellbar sind“, haben Beamte der grün-roten Landesregierung in einem Kurzprotokoll formuliert, das den Stuttgarter Nachrichten vorliegt. Getagt hatten die Mitarbeiter des grün-geführten Staatsministeriums und des SPD-geführten Wirtschafts- und Finanzministeriums. Sie hatten sich vor gut einer Woche nach knapp einem Jahr zum zweiten Mal in einer behördenübergreifenden Arbeitsgruppe getroffen, um über die Öffnung des Neuen Schlosses für die Bürger zu beraten. Über jene Idee, die der Kommunikationsdesigner Johannes Milla 2012 in den Stuttgarter Nachrichten erstmals vorgestellte hatte.

„Ein weiteres Treffen ist vorerst nicht notwendig“, heißt es am Ende des Papiers. Klingt eindeutig. Das Thema Bürgerschloss – für die Landesregierung vom Tisch? Haben Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Stellvertreter Nils Schmid (SPD) die Idee beerdigt? „Nein, das Thema Bürgerschloss ist nicht beerdigt, so ist im Bereich Veranstaltungen fast alles denkbar“, sagen die Sprecher der beiden führenden Landespolitiker fast gleichlautend – aber mit dem ebenso gleichlautenden Zusatz, es könne verwirklicht werden, was nichts kostet, denn Umbauten seien angesichts des klammen Landeshaushalts nicht möglich.

Nach Informationen der Stuttgarter Nachrichten wurden Teilposten durchkalkuliert, etwa für Millas Forderung, die Büros der Landesbeamten aus dem Neuen Schloss zu entfernen. Für die rund 400 Bediensteten im Wirtschafts- und Finanzministerium müssten demnach Büros angemietet werden, was sich auf jährlich 2,5 Millionen Euro summieren würde. Die Infrastruktur für einen Gastronomiebetrieb einzubauen käme auf etwa zwei Millionen Euro.

Derzeit fehle aber jenseits von Stuttgart die Lobby für derartige Baumaßnahmen, so der Sprecher von Minister Schmid. „Das Bürgerschloss konkurriert mit Projekten wie dem Umbau des Landtags, dem Neubau der John-Cranko-Schule oder der Sanierung der Stuttgarter Oper.“ Das Bürgerschloss nach Milla scheitere also nicht „an persönlichen Eitelkeiten“. Vor allem Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid, Hausherr im Neuen Schloss, wird stets vorgehalten, er trete beim Bürgerschloss auf die Bremse, weil er gerne weiterhin direkt am Schlossplatz residieren wolle .

Laut Landesregierung bleibt es nach zwei Jahren Diskussion bei einem Bürgerschlössle – mit mehr Führungen, mit der Möglichkeit, sich standesamtlich trauen zu lassen, mit einer mobilen Ausstellung oder mit Veranstaltungen, etwa im Herbst, wenn sich die Eröffnung des nach dem Krieg wiederaufgebauten Neuen Schloss zum 50. Mal jährt.

Doch gegen den Quasi-Schlussstrich unter der von Johannes Milla propagierten großen Lösung artikuliert sich nun politischer Widerspruch: Im Zuge des Landtagsumbaus ist ein Zentrum für Besucher geplant. Nachdem das ursprünglich geplante unterirdische Besucherzentrum wohl zu teuer wird, weil der Grundwasserspiegel abgesenkt werden müsste, plädiert die CDU-Landtagsfraktion für eine andere Variante. „Am nahe liegendsten ist, das Besucherzentrum im Neuen Schloss unterzubringen“, sagt CDU-Fraktionschef Peter Hauck gegenüber unserer Zeitung. Genauer: im Erdgeschoss des dem Eckensee zugewandten Seitenflügels.

Besuchergruppen hätten von dort aus den kürzesten Weg zum Landtag. Hauck hält diese Lösung für die kostengünstigste, da nur Bürotrennwände entfernt werden müssten. Trotz des Beharrungsvermögens von Wirtschafts- und Finanzminister „darf es keine Tabus geben“, so Hauck. Derzeit prüft die Hochbauverwaltung des Landes mehrere Varianten, unter anderem die der CDU.

Ein Besucherzentrum im Neuen Schloss – klingt ein bisschen wie Bürgerschloss. Ideengeber Johannes Milla hält diese Variante zumindest für „richtig gedacht“. Inhaltlich bahnt sich hierbei eine Art kleine schwarz-grüne Koalition an. Denn auch die Grünen im Stuttgarter Gemeinderat wollen dem Land gewissermaßen auf die Sprünge helfen. Die Öko-Fraktion verlangt von der Stadtverwaltung, auf einen autofreien Ehrenhof und auf eine Prüfung der Idee Besucherzentrum im Schloss hinzuwirken. Ferner soll das benachbarte Kunstgebäude nach seiner Interimsnutzung durch den Landtag wieder allein der Kunst vorbehalten bleiben.

Bürgerschloss-Erfinder Milla will das Kostenargument des Landes nicht gelten lassen: „Eine Nutzung als Bürogebäude ist unökonomisch und unökologisch: Derzeit wird wegen der hohen Räume und breiten Flure ein siebenfaches an Raumvolumen beheizt, verglichen mit zeitgemäßen Büros. Übrigens mit einer Heizanlage Baujahr 1962.“ Beim Bürgerschloss müsse man über Legislaturperioden hinaus denken. Ihm gehe es um politische Bildung und die Überwindung von Politikverdrossenheit. Die Menschen müssten nicht nur als Wähler sondern als Mitgestalter des Landes gefragt sein. „Und dafür soll kein Geld da sein?“