Foto: APT Versilia

Die Betreiber von Italiens Strandbädern rebellieren gegen die Europäische Union.

Viareggio - Sonnenschirm neben Sonnenschirm, kein Zentimeter Strand wird verschenkt, und die Touristen zahlen bereitwillig. Ein prima Geschäft für viele Familienbetriebe - zwei Liegen mit Schirm kosten 20 Euro am Tag. Doch mit diesem Geschäft könnte es bald vorbei sein.

Die Betreiber Tausender Strandbäder entlang der italienischen Küste sind auf die Europäische Kommission in Brüssel nicht gut zu sprechen. Sie fürchten um ihre Zukunft. Die Bolkestein-Richtlinie schreibt den freien Wettbewerb bei Dienstleistungen innerhalb Europas vor. Das bedeutet, dass künftig die Vergabe für die "stabilimenti balneari" europaweit ausgeschrieben wird.

Alle sechs bis acht Jahre wird die Konzession eines Strandbades erneuert und in der Regel einmal verlängert. Danach geht die Anlage meist an die nächste Generation oder einen Verwandten der Familie über. Ab 2015 könnten den Strandbadbetreibern diese Pfründe regelrecht davonschwimmen. Die entsprechende EU-Richtlinie dazu hat Frits Bolkestein verfasst. Der rechtsliberale niederländische EU-Kommissar hat Dienstleistungen im europäischen Binnenmarkt neu geregelt, demnach müssen diese künftig europaweit ausgeschrieben werden, spätestens ab 2015 auch die Pachtverträge für die "stabilimenti balneari". Das würde das Aus für die italienische Vetterleswirtschaft bedeuten.

Die Immobilienhändler spüren die Angst vor der EU-Richtlinie schon deutlich. "Viele Strandbäder stehen zum Verkauf", sagt Tatiana, die in Forte dei Marmi ein Immobilienbüro betreibt. Bisher seien die "stabilimenti" gefragte Objekte zur Geldanlage und zur Existenzgründung gewesen. Die ungewisse Zukunft hält vom Kaufen ab. Es werden wohl einige Strandbäder in diesem Sommer geschlossen bleiben. Und das trotz eines guten Verdiensts. Ein Beispiel: Mit 150 Sonnenschirmen, unter denen je zwei Liegestühle stehen, kann man in fünf Monaten auf einer Fläche von 1600 Quadratmetern 700 000 Euro Umsatz erzielen. Touristen bezahlen im Schnitt 20 Euro pro Tag für zwei Liegen mit Schirm.

Die Saison beginnt an Ostern und endet Ende September. An der toskanischen Küste, der Versilia, ist die Winterpause dieses Jahr jedoch schon - und lautstark - zu Ende gegangen. Giorgio steht an diesem nieseligen Februartag vor seinem Strandbad. Die Hände in die Hüften gestemmt, schaut er dem Autokorso seiner Kollegen zu. "Das ist erst der Anfang", erklärt er den Protest mit laut hupenden Autos. "Die Bolkestein-Vorschrift ist das Ende unserer ,bagni"', ereifert er sich. Zuerst habe er den Betrieb geführt, jetzt machen das sein Sohn und die Schwiegertochter. Ich helfe noch ein bisschen, wenn Not am Mann ist. Unser Pachtvertrag läuft bis 2015, dann ist Schluss."

Wie er sehen viele für ihre Zukunft schwarz. "Wir kommen nicht mehr zum Zug", sagt Giorgio mit Blick auf das neue Vergabeverfahren. Er meint, dass in Rom die Karten schon längst gemischt sind. "Siamo in Italia - wir sind halt in Italien", bemerkt er augenzwinkernd. Ferragamo, Benetton und Marcegaglia würden künftig die Strände in der Toskana betreiben, behauptet er. Diese drei italienischen Familien sind im Tourismus- und Gastgewerbe gut aufgestellt. Ferragamo betreibt in der Toskana Hotels und hat ein ganzes Dorf restauriert, um es als Feriendorf zu führen. Emma Macegaglia ist die Vorsitzende der italienischen Industrievereinigung. Ihre Familie ist im Stahlgeschäft und im Tourismus zu Hause. Die autofreie Ferieninsel Albarella vor Venedig gehört ihnen.

Der Einstieg dieser Familien ins Strandbadgeschäft ist zurzeit nur Spekulation. Doch Giorgio ist sich seines Insiderwissens sicher. Sicher ist er sich aber auch, dass die Regierung in Rom die Rechnung ohne die alteingesessenen Strandbadpächter gemacht hat. Schon jetzt, so Giorgio, würde daher nichts mehr in die Instandhaltung der "bagni" investiert. Auf der Messe Balnearia, wo jeden Februar neue Liegestühle und Accessoires geordert werden, habe niemand gekauft. "Wir flicken dieses Jahr unsere Liegestühle und Tische nur zusammen, investiert wird nicht", sagt Giorgio, "am Ende der Saison, wenn in Forte dei Marmi mit einem großen Fest und Feuerwerk der Saisonausklang gefeiert wird, dann zünden wir alle unsere Strandbäder an. Die Anlagen sind aus Holz, brennen bestimmt wie Zunder." Die Strandbadbetreiber haben dieses Vorhaben schon im Rathaus angekündigt.

Dennoch hofft Giorgio, dass es am Ende nicht so weit kommen wird. Er rechnet vor, dass in der Toskana nahezu 55 Prozent der Tourismus-Einnahmen in den "stabilimenti balneari" gemacht werden. "Wir locken die Gäste an, nicht das Landesinnere", widerspricht er denen, die behaupten, dass die Toskana vor allem von ihrer Kultur lebe. "Wir bringen dem Staat mehr Geld als die Kunststädte. Wir haben viele Stammgäste und bieten einen guten Service." Mit diesen Argumenten will man in Rom punkten. Der Strandbad-Krieg hat also erst begonnen, und der Sommer dürfte heiß werden.