Ante Portas: Die 55-jährige Bad Mergentheimer Pfarrerin Gabriele Arnold wird neue Prälatin in Stuttgart Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die 55-jährige Bad Mergentheimer Pfarrerin Gabriele Arnold wird Nachfolgerin von Regionalbischof Ulrich Mack, der im Oktober aus dem Amt ausscheidet.

Stuttgart - Die „Konklave“ der Landeskirche hat es sich nicht leicht gemacht. Zehn Stunden hatte der Kirchenausschuss unter dem Vorsitz von Bischof Frank Otfried July getagt, beraten, gewählt. Erst dann stieg symbolisch weißer Rauch auf. Habemus Matrem. Stuttgart hat eine Regionalbischöfin. Die 55-jährige Bad Mergentheimer Pfarrerin Gabriele Arnold wird Nachfolgerin von Prälat Ulrich Mack, der im Oktober aus dem Amt scheidet.

Über die Reaktion des Landesbischofs nach der Wahl ist nichts Genaues bekannt. Nur so viel: Er soll sich sehr gefreut haben. Denn es war der Landeskirche eine Herzenssache, diese wichtige Position mit einer Frau zu besetzen. Aussichtsreichen männlichen Kandidaten war schon vor Monaten mitgeteilt worden: Bewerben Sie sich lieber nicht, es muss dieses Mal eine Frau werden.

Arnold hat sich gegen viele Mitbewerber durchgesetzt

Nun also Gabriele Arnold. Eine Frau, die sich gegen eine zweistellige Bewerberzahl durchgesetzt hat. Eine Frau, die wohl so etwas wie eine Wunschkandidatin der Landeskirche war. Denn sie wurde aus Kirchenkreisen zu ihrer Bewerbung ermuntert. Gründe dafür gibt es viele. Nicht zuletzt soll Gabriele Arnold eine starke Predigerin sein. Ihre Aufgabe ist es, der wichtigsten Kanzel von Stuttgart ein scharfes Profil zu geben. Ebenso wie der amtierende Stiftskirchenpfarrer Matthias Vosseler oder dessen Vorgänger Manfred Bittighofer und Konrad Eißler. „Das sind große Schuhe“, sagt Arnold, „aber diese Namen sind für mich auch ein Ansporn. Und mit Gottes Hilfe werde ich hineinwachsen."

Tatsächlich ist sie eine gefragte Predigerin. Auf dem Internetportal evangelisch.de findet sich eine ganze Reihe ihrer Predigttexte. „Ich gebe mir viel Zeit für eine Predigt“, sagt sie, „das Feedback war bisher meistens positiv.“ Vor allem zuletzt in Bad Mergentheim, einer Kurstadt. Dort stammte stets ein Viertel der Besucher nicht aus der Gemeinde. Es sei daher nicht leicht gewesen, bei so unterschiedlichen Frömmigkeitsstilen den Nerv der Hörer zu treffen.

Die Stiftskirche selbst ist Gabriele Arnold nicht fremd. Dort wurde sie konfirmiert, dort hat sie schon gepredigt und sowohl helle als auch dunkle Tage erlebt. Der Himmel öffnete sich beispielsweise als einer ihrer drei Söhne zum ersten Mal mit dem Hymnus-Knabenchor die Matthäus-Passion gesungen hatte. Und düster wurde es am Tag des Trauergottesdienstes anlässlich des Todes ihres Vaters Walter Arnold.

So oder so. Stuttgart war und ist eine Herzenssache für die Theologin, die von 1995 bis 1999 Pfarrerin der Gemeinde im Stadtteil Berg war und weitere zehn Jahre in Heslach tätig war. Diese Verwurzelung ist immer geblieben. Trotz ihrer Wanderjahre, die sie nach Kassel, Mainz, Berlin oder zuletzt nach Bad Mergentheim führten. Auch an „ihr“ Heidehof-Gymnasium erinnert sie sich „mit Begeisterung“.

Prälatin will sich in die Stadtpolitik einmischen

Be-Geist-erung. Es ist ihr Thema. „Mir ist es wichtig, dass Menschen in unseren Gottesdiensten und in der Seelsorge Gottes Liebe spüren und für ein Leben in den Spuren Jesu begeistert werden.“ Mit diesem Anspruch will sie sich auch vor der Pforte der Stiftskirche einmischen. „Natürlich muss sich eine Prälatin in die Stadtgesellschaft einbringen“, sagt sie forsch und denkt an Themen wie Armut oder Zwangsprostitution. „Ich bin zwar keine Politikerin, aber ich werde mich auf diesen Feldern profilieren.“ In einer Rolle irgendwo zwischen dem Landesbischof July und Stadtdekan Sören Schwesig.

Wenn nicht alles täuscht, werden die Stuttgarter neue, andere Töne hören. Nicht nur weil eine Stimme aus der Stiftskirche bald weiblich ist. Auch die kirchen-politische Position ist eine andere. Während sich Ulrich Mack dem Pietismus und der Lebendigen Gemeinde verpflichtet fühlt, vertritt Gabriele die Position der Offenen Kirche. Doch Arnold, deren Investitur noch in diesem Jahr gefeiert werden soll, sieht zwischen ihrer politischen Gesinnung und ihrem Amt „keinen Widerspruch“: „Ich orientiere mich in meinen Predigten stark am Evangelium, vertrete aber als Mitglied der Offenen Kirche dennoch die Bewahrung der Schöpfung.“ Zuletzt versichert sie: „Ich habe die Kanzel noch nie als Agitationsort benutzt.“ Nein, sie hat ganz andere Ideen und Pläne. Die neue Regionalbischöfin will raus zu den Menschen. „Wir können nicht mehr warten, bis die Leute zu uns kommen“, sagt sie energisch, „Kirche muss zu den Leuten.“ Was liegt da näher, dorthin zu gehen , wo sich 14-tägig rund 50 000 treffen. Arnold will Menschen beim Fußball, beim VfB Stuttgart abholen: „Eine Stadionkapelle fände ich ein interessantes Projekt.“