Denkt man an ein Freiwilliges Soziales Jahr, kommen viele spontan auf Rettungsdienst, Altenheim oder Behinderteneinrichtung. Aber ein Bezirksrathaus? Was ungewöhnlich klingt, ist in Bad Cannstatt seit Jahren gang und gäbe. Zurzeit sind es Anna Pinnow und Cassandra von Stachelsky, die der Stadt ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen – und viel dabei lernen.
Bad Cannstatt - Beinahe hätte die Lange Ost-Nacht in diesem Jahr wie berichtet ausfallen müssen. Die junge Frau, die die Veranstaltung im Rahmen ihres Freiwilligen Sozialen Jahrs (FSJ) hätte mitorganisieren müssen, fiel kurzfristig aus, ein Ersatz war nicht in Sicht. Retter in Ost-Nacht war der Bezirksvorsteher von Bad Cannstatt, Bernd-Marcel Löffler. Er stellte „seine“ beiden FSJlerinnen dafür zur Verfügung.
Die Aufgaben der beiden sind vielfältig – und, wie es sich für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) gehört, auch im sozialen Bereich angesiedelt: „Wir kümmern uns um das Kinocafé für ältere Menschen, die Ausbildungsmesse im Kursaal und den Jugendrat“, sagt Anna Pinnow. In diesem Jahr haben die beiden sogar zum großen Teil die Wahlen zum Jugendrat organisiert. „Wir sind durch die Schulen gezogen und haben für die Wahl Werbung gemacht“, sagt Cassandra von Stachelsky. Dabei war es für die 17-Jährige nicht einfach, vor Gleichaltrigen zu stehen und zu sprechen: „Das war eine Herausforderung, vor der man Respekt kriegt“, sagt von Stachelsky und ist stolz: „Wir haben genügend Bewerber bekommen. Und die Wahlbeteiligung war so hoch wie nie.“
Für Anna Pinnow liegt die Hauptarbeit in der Organisation des Kinocafés. Ein Mal im Monat können ältere Mitbürger in den Sitzungssaal des Bezirksrathauses kommen und einen alten Film anschauen. Der Kuchen und der Kaffee wird von Jugendlichen organisiert, die vom Anna-Haag-Haus betreut werden. Anna Pinnow kümmert sich um die Bestuhlung, die Flyer und Plakate – und um den Film.
Zudem bereitet die Abiturientin aus Kirchheim/Neckar die Ausbildungsmesse Local Career vor, die am 8. Juni im Kursaal stattfinden soll. „Wir haben schon ganz viele Zusagen von Firmen, die auch im vergangenen Jahr dabei waren“, sagt Pinnow. Mit ihrer FSJ-Kollegin und inzwischen Freundin Cassandra von Stachelsky kümmert sie sich zudem um die Lange Ost-Nacht, die am 23. Juli laufen soll – quasi als Nachbarschaftshilfe über den Neckar hinweg.
Teamwork und besser mit dem PC umgehen
Und was haben die beiden jungen Frauen in den ersten acht Monaten im Bezirksrathaus gelernt? „Ich kann besser mit dem Computer umgehen“, sagt Anna Pinnow. Und: „Ich habe gelernt, im Team zu arbeiten.“ Das sei richtig toll, wenn alle gemeinsam an einem Strang ziehen und man dadurch erfolgreich sei. „Ich kann jetzt besser Briefe verfassen“, sagt Cassandra von Stachelsky. Sie habe gelernt, auf viele Kleinigkeiten zu achten.
Wenn im kommenden September das Freiwillige Soziale Jahr der beiden vorbei ist, gehen sie getrennte Wege. „Ich möchte ein duales Studium beginnen, BWL mit Fachrichtung Bank“, sagt Pinnow. Von Stachelsky geht voraussichtlich erst einmal ein bis drei Monate nach Südafrika, wo sie sich um verwaiste Tierjungen kümmern möchte. „Danach beginne ich im Januar 2017 eine Ausbildung beim Zoll“, sagt die Realschulabsolventin. Beide junge Frauen sind zufrieden mit ihrer Wahl, ihr FSJ in einem Rathaus zu verbringen. „Es ist eine gute Erfahrung“, sagt Pinnow. „So ein FSJ macht einen einfach viel reifer“, sagt Cassandra von Stachelsky.