In Stammheim gibt es Platz für 320 neue Wohnungen Foto: Stadtmessungsamt Stuttgart

Im Stadtteil Stammheim können in den nächsten Jahren auf Acker- und Kleingartenflächen rund 320 neue Wohnungen entstehen. Die Grünen und SÖS im Gemeinderat stimmten gegen das Gebiet. OB Fritz Kuhn (Grüne) entschied gegen die Grünen-Fraktion für den Wohnungsbau.

Stuttgart - Es gilt als das letzte große Neubaugebiet der Landeshauptstadt auf der grünen Wiese. Und für die Grünen als Rück- und Sündenfall in alte, überkommene Bebauungsmuster: Am Ortsrand von Stammheim sollen 52 863 Quadratmeter bisherige Äcker und Streuobstwiesen durch locker gesetzten Neubauten versiegelt werden.

Das Bauen auf der grünen Wiese nennt man Außenentwicklung. Der seit 2009 neu zusammengesetzte, vom Wähler erstmals mit einer öko-linken Mehrheit ausgestattete Gemeinderat hat derartiger Flächenversiegelung abgeschworen und viele gleichartige Baugebiete kassiert. Langenäcker-Wiesert aber, seit 1995 im Rahmenplan und 2005 im Bezirksrathaus vorgesellt, überlebte.

Selbst der Grünen-Oberbürgermeister Fritz Kuhn wollte an den Plänen nicht mehr rühren. In der Abwägung zwischen Naturschutz und sozialen Aspekten „stimme ich zu, unter ökologischen Aspekten aber nicht gerne“, sagte Kuhn. Das bisher auch geplante Neubaugebiet Schafhaus in Mühlhausen mit 250 Einheiten habe er mit seinem Strategiepapier Wohnen dagegen gestrichen.

Stuttgart braucht Wohnraum, und das Gebiet in Stammheim ist ein Altfall. Mindestens 1800 neue Wohneinheiten sollen jedes Jahr neu in der Stadt entstehen, 300 davon in unterschiedlich geförderten Einheiten. Die Mehrheit für das Baugebiet sicherten am Donnerstag die Sozialdemokraten, die mit CDU, FDP, Freien Wählern, dem Republikaner Rolf Schlierer und Ulrike Küstler von der Linken stimmten.

Angesichts von 24 000 zusätzlichen Einwohnern innerhalb von nur sechs Jahren müsse gehandelt werden, so die SPD. Die Versiegelung der Freiflächen sei nicht zu leugnen, die Stadtverwaltung habe sich aber sehr bemüht, ökologische Ausgleichsflächen zu schaffen. Man lasse sich nicht von „Brandreden“ des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND) beeinflussen, sagte Judith Vowinkel, Sozialdemokratin aus Stammheim. Das Gebiet sei „gut für den Stadtteil, gut für die Infrastruktur“ und helfe gegen Überalterung.

Bei Untersuchungen 2005 und 2007 wurden auf den neuen Bauflächen 15 besonders geschützte Brutvogelarten und 14 Wildbienenarten, die in Baden-Württemberg auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten stehen, gefunden. Zwei Ackerstreifen direkt am Baugebiet, auf denen künftig Wildkräuter gesät werden, sollen diesen das Überleben erleichtern. Der BUND hatte das Gebiet am Montag als „Frischland-Schlachtobjekt“ bezeichnet, die besten und fruchtbarsten Böden in ganz Stuttgart gingen unwiederbringlich verloren.

Gabriele Munk nahm für die Grünen die Kritik auf. Solche Böden, deren Aufbau viele tausend Jahre brauche, „gibt es nicht im Regal zu kaufen“, so die Stadtplanerin. Sie warf „den Kollegen“, gemeint war vor allem die SPD, vor, Sonntagsreden zu halten, im entscheidenden Moment aber doch anders zu handeln. Im Neckarpark lägen Flächen für 600 Wohneinheiten brach, und auch in der Nachfolge von Bürger- und Olgahospital könne jener verdichtete Wohnraum geschaffen werden, den Stuttgart brauche. „Das Einfamilienhaus löst unsere Probleme nicht“, so Munk. Reihenhäuser aber würden von Familien mit Kindern nachgefragt, sagten Philipp Hill (CDU), Jürgen Zeeb (FW) und Bernd Klingler (FDP). Diese Familien brauche die Stadt dringend.