Der FDP-Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Rülke Foto: dpa

Nach der Veröffentlichung brisanter Abhörprotokolle, die ein Netzwerk von Getreuen des türkischen Präsidenten Erdogan im Südwesten offengelegt hat, übt FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke im Interview Kritik an der Regierung Merkels.

Stuttgart - Am Dienstag hat unsere Zeitung gemeinsam mit dem ZDF brisante Abhörprotokolle veröffentlicht, die nahelegen, dass aus dem Umfeld um den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan Anordnungen an in Deuschland lebende Türken gingen, sich zu bewaffnen, Unruhe zu säen und potenzielle Gegner einzuschüchtern und zu manipulieren.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende im baden-württembergischen Landtag, Hans-Ulrich Rülke hat bereits mehrere parlamentarische Anfragen zum Thema Osmanen Germania, AKP und der UETD gestellt und äußert sich nun zu den brisanten Umständen.

Herr Rülke, Sie haben sich die Abhörprotokolle und Observationsberichte angeschaut, die deutsche Ermittler im Zusammenhang mit Abhörmaßnahmen bei türkisch-stämmigen Kriminellen erstellt haben. Welchen Eindruck haben Sie dabei gewonnen?
Mein Eindruck ist, dass der türkische Staatspräsident Erdogan eine paramilitärische Hilfstruppe zur Durchsetzung seiner politischen Ziele in Deutschland aufgebaut hat. Dabei gehe ich davon aus, dass die rockerähnliche Gruppierung Osmanen Germania Boxclub sich mit Erdogans Zielen identifiziert und diese zu ihren eigenen Zielen gemacht hat.
Wie bewerten Sie diesen Umstand?
In den vergangenen Jahren und Monaten erleben wir in Deutschland verschiedene Anfechtungen unserer demokratischen Werteordnung. Das ist zum einen die AfD, die eine andere Vorstellung von Demokratie entwickelt, als sie die überwältigende Mehrheit der Deutschen vertritt. Dann kommt das, was Ihre Zeitung und das ZDF jetzt durch Ihre Recherchen und die Ihnen zugespielten Dokumente aufdecken. In denen ist klar zu erkennen, wie der türkische Staat mit Hilfe in Deutschland lebender Migranten unser System angreift.
Welche Schlussfolgerung ziehen Sie daraus?
Dieses Netzwerk aus Politik, Organisierter Kriminalität und türkischem Geheimdienst, zu dem auch die Auftritte Erdogans und seiner Paladine in Deutschland gehören, muss zu einer breiten Diskussion darüber führen, inwieweit wir uns das noch bieten lassen. Wir müssen uns hier sehr wehrhaft zeigen. Dieses Netzwerk ist intensiv von den deutschen Inlandsgeheimdiensten zu beobachten und von den Ermittlungsbehörden zu verfolgen. Meine Fraktion wird dies sofort in die entsprechenden Gremien des baden-württembergischen Landtages einbringen. Zudem wird die FDP dies auch in den entsprechenden Gremien des Bundestages tun ...
… dort gab sich die Bundesregierung ja bei Anfragen von Abgeordneten ahnungslos …
… ich bitte Sie! Politisch wie juristisch hat die Regierung Angela Merkels Deutschland in eine Lage manövriert, in der das Handeln dadurch bestimmt zu sein scheint, auf das Wohlwollen Erdogans angewiesen zu sein und deshalb seinen Umtrieben nicht mehr begegnen zu können. Dass die Bundesregierung von alldem nichts wissen will, was Sie da jetzt aufgedeckt haben, ist für mich höchst unglaubwürdig.
Was konkret erwarten Sie jetzt von Bundes- und Landesregierung?
Diese Vorgänge rund um dieses, ja gerade in Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen aktive Netzwerk, erinnern mich sehr stark an die Affäre rund um den US-Nachrichtendienst NSA. Ich will nicht ausschließen, dass das für Deutschland eine ähnliche Dimension hat. Deshalb erwarte ich von der Landesregierung, dass sie nachdrücklich in Berlin auf eine bundesweite Beobachtung der Union der Europäisch-Türkischen Demokraten (UETD) durch die Verfassungsschutzämter drängt und dies hier im Land sofort umsetzt. Zudem müssen in dieser Sache in den Strafverfolgungsbehörden gemeinsame Ermittlungsgruppen von Staatsschützern und den Abteilungen Organisierte Kriminalität gebildet werden. Die Bundesregierung fordere ich auf, den Flüchtlingsdeal mit der Türkei auf den Prüfstand zu stellen.
Was versprechen Sie sich davon?
Uns Liberalen ist die Sicherheit unserer Bürger wichtiger als der Flüchtlingsdeal mit der Türkei. Hier wird aus der Führungsebene des türkischen Staates heraus der Ankauf von Maschinenpistolen finanziert. Es wird zu schwersten Straftaten gegen in Deutschland lebende Menschen aufgerufen, die ja mittlerweile auch schon begangen werden. Das ist unerträglich, so etwas kann die FDP nicht tolerieren.