Ein von Dieter Schmidtke fotografierter Hirschkäfer. Foto: Schmidtke

Einzelne Schorndorfer Stadträte spekulieren auf hohe Erlöse eine Baugrundstücks am Ende des Justinus-Kerner-Wegs im Süden der Daimlerstadt. Dass ein Biologielehrer dort den seltenen Hirschkäfer dokumentiert hat, ist für die Naturschutzbehörde bislang kein Anlass zum Handeln.

Schorndorf - Zu dem am Donnerstagabend im Schorndorfer Gemeinderat beschlossenen Flächenpaket gehört auch eine Aussichtslage oberhalb des Eichenbachs im Süden der Stadt. Dieter Schmidtke, ein inzwischen 80-jähriger Biologielehrer im Ruhestand, kennt die Fläche am Ende des Justinus Kerner-Weges genau. Er wohnt ganz in der Nähe. Dort hat der Pensionär Hirschkäfer entdeckt, eine seltene und geschützte Insektenart, bekannt durch ihr großes Geweih. Schmidtke hat das Hirschkäfervorkommen über Jahre hinweg dokumentiert. Der Käfer sei vom Aussterben bedroht, sagt Schmidtke. Überdies komme er in der Region überaus selten vor, das nächste Vorkommen gebe es noch im Bereich des Strombergs im Landkreis Ludwigsburg sowie nahe Nürtingen im Kreis Esslingen.

Vor 16 Jahren, so berichtet Schmidtke, habe er mit fünf Schülern des Fellbacher Friedrich-Schiller-Gymnasiums ein „Jugend forscht“-Projekt am Eichenbachhang organisiert. Zahlreiche seltene Vogelarten, Amphibien und Schmetterlinge habe man beobachtet – und auch den seltenen Käfer. „Eines Tages flog mit lautem Gebrumm ein Hirschkäfermännchen vorbei und landete auf einem Baumstamm.“ Die Sichtungen durch die Schüler hätten sich die Tage danach gehäuft, sogar einige Weibchen habe man beobachtet. Ihre Eindrücke hielten die Schüler in einem Videofilm fest, mit welchem sie einen Preis bei „Jugend forscht“ gewannen. Auch ein Kamerateam des SWR filmte seinerzeit am Eichenbach.

Werde das Baugrundstück am Ende des Justinus Kerner-Wegs erschlossen, so könne dies die Fällung einer alten Eiche bedeuten, die an dessen Ende steht. Eichen seien für Hirschkäfer sehr wichtig, ihre Baumsäfte lockten die Weibchen zur Paarung an.

Im Umweltbericht eines von der Stadt beauftragten Gutachters findet sich zum Hirschkäfer nur der Hinweis „potenzieller Lebensraum“, und dass man „keine geeigneten Strukturen für den Hirschkäfer vorgefunden“ habe. Von den Naturschutzbehörden des Landratsamtes heißt es auf Anfrage, man habe diese Fläche mit der Stadt „frühzeitig abgeklopft“. Der Natura-2000-Beauftrage des Kreises habe die von der Stadt vorgelegte Datenlage als „nachvollziehbar und ausreichend“ beurteilt, erhebliche Beeinträchtigungen für Hirschkäfer seien „nicht zu erkennen“.

Dieter Schmidtke hat seine Sichtungen des Käfers seit dem Jahr 1997 auf Tabellenblättern dokumentiert: 39 Exemplare waren es in den besten Jahren wie 2003, sieben in den schlechten Jahren wie 2009. Auch zahlreiche Larven habe man bei der Untersuchung mit den Schülern gefunden, sagt Schmidtke. „Das unterstreicht doch, wie erhaltenswert die Streuobstwiesen am Eichenbachhang sind.“

Am Donnerstagabend wurde der Hirschkäfer in der Debatte des Gemeinderates mit keinem Wort erwähnt. Der CDU-Stadtrat Max Klinger lobte das Baugrundstück wegen der „unverbaubaren Aussichtslage“. Die Stadt solle für dessen Verkauf doch überregional werben, um dafür einen möglichst hohen Erlös zu erzielen.