Farbenpracht ist kein Wesensmerkmal der neuen Großschmetterlingsfamilie Pseudobistonidae aus Nordthailand Foto: Hossein Rajaei

Schmetterlinge sind gut erforscht. Jetzt haben Forscher des Stuttgarter Naturkundemuseums am Löwentor und internationale Kollegen für eine Sensation gesorgt und mit Pseudobistonidae aus Thailand eine neue Familie der Großschmetterlinge beschrieben.

Stuttgart - Sensationen sind manchmal in Erscheinung wenig spektakulär. Pseudobistonidae gehört auch dazu. Das etwa fünf Zentimeter breite Exemplar aus dem Norden Thailands ist in gedeckten Beige-Tönen gehalten und weit weniger auffällig als die prächtigen Pfauenaugen. Die Sensation an diesem Großschmetterling sind seine inneren Werte.

„Die letzte Beschreibung einer neuen Familie der Großschmetterlinge liegt 20 Jahre zurück“, sagt Johanna Eder, Leiterin des Naturkundemuseums. Schmetterlinge gebe es seit der Kreidezeit vor 190 bis 100 Millionen Jahren, als sich die Blütenpflanzen, von deren Nektar sich die Schmetterlinge ernähren, ausbreiteten. Großschmetterlinge sind per Definition Exemplare, die groß genug sind, um von Sammlern bemerkt und nach klassischen Methoden präpariert zu werden. Von der vom Schmetterlingsfänger meist noch unbemerkten Entdeckung einer neuen Art bis zu ihrer Beschreibung und ihrer Einordnung als neue Familie durch Experten in Naturkundemuseen dauert es oft viele Jahre. Bei der neuen Großschmetterlingsfamilie Pseudobistonidae dauerte die Erforschung sage und schreibe 26 Jahre lang. Ihr erstes Exemplar wurde 1989 in Nordthailand gefangen und 1994 von einem japanischen Schmetterlingsexperten beschrieben. Ihm war damals unklar, zu welcher Gattung es gehörte.

„Die Einordnung in eine Gattung ist keine überflüssige Marotte der Wissenschaftler, sondern ein wesentlicher Schritt für das Verständnis der Evolution und der Ökologie der einzelnen Organismen im Wechselspiel der einzelnen Lebewesen mit ihrer Umwelt“, sagt Johanna Eder.

Bei der Einordnung der Pseudobistonidae tappten die Wissenschaftler lange im Dunkeln, weil kein genetisches Material für die Analyse des Erbguts vorlag. Dies änderte sich in den vergangenen Jahren. Hier kommen Hossein Rajaei, Kurator für Schmetterlinge am Naturkundemuseum Stuttgart und die Biologin Carola Greve von Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn ins Spiel. Der auf den Vergleich von Merkmalen spezialisierte Wissenschaftler aus Stuttgart und die Expertin für DNA-Analysen nahmen sich des Problems gemeinsam an. Die Daten, die sie aus den Genen des Exemplars aus Nordthailand gewannen, verglichen sie mit genetischen Datenbanken der Großschmetterlinge, ordneten die neue DNA-Analyse darin ein und berechneten die Verwandtschaftsverhältnisse neu.

Dabei bestätigte sich, was die beiden Forscher vermutet hatten: Die neue Art gehört nicht zu den auch als Nachtfalter bezeichneten Spannern. Vergleiche besonderer Merkmale wie Kopf, Brust und Flügel bestätigte die Zugehörigkeit zu den Großschmetterlingen. Bei diesen umfangreichen Vergleichen profitierten die beiden von der Unterstützung durch Kollegen aus Wien, Paris und Turku in Finnland.

Dennoch geben Pseudobistonidae Rätsel auf. Die neue Familie hat im Gegensatz zu anderen Schmetterlingen kein Hörorgan. Schmetterlinge brauchen es, damit sie auf die Ultraschallwellen ihrer Feinde, der Fledermäuse, aufmerksam werden. „Pseudobistonidae fliegen im Gegensatz zu wie Fledermäuse bei Nacht, es wäre also sinnvoll, dass sie hören können. Sie haben feine Härchen an den Beinen. Möglicherweise dienen sie als Ersatz für das Hörorgan“, , sagt Hossein Rajaei. Außerdem wisse man weder wie die Raupe des Schmetterlings aussehe, noch kenne man ihre Nahrung noch das gesamte natürliche Umfeld mit seiner Flora und Fauna: „Dafür wäre eine Feldforschungsreise in Nordthailand erforderlich.“