Die Sitzung des Bundeskabinetts fand am Montag statt. Foto: dpa/Kay Nietfeld

Es ist die erste weitreichende Konsequenz aus dem Karlsruher Haushaltsurteil: Das Kabinett bereitet die Aussetzung der Schuldenbremse für das laufende Jahr vor.

Die Bundesregierung will den Haushalt des laufenden Jahres nach dem Karlsruher Urteil verfassungsrechtlich absichern. Dafür brachte das Kabinett am Montag einen Nachtragshaushalt auf den Weg – und leitete damit erste Schritte für die erneute Aussetzung der Schuldenbremse ein. Die endgültige Entscheidung darüber soll noch vor Weihnachten im Bundestag fallen.

„Mit dem Nachtragshaushalt 2023 ziehen wir die Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts“, erklärte Finanzminister Christian Lindner (FDP). Es würden keine zusätzlichen Schulden aufgenommen.

Ein Nachtragshaushalt ist eine nachträgliche Veränderung eines bereits vom Parlament beschlossenen Etats. Damit will die Ampel-Regierung nun Kredite rechtlich absichern, die für die Energiepreisbremsen sowie zur Unterstützung von Flutopfern in diesem Jahr bereits genutzt wurden. Es geht um rund 45 Milliarden Euro. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist klar, dass die Regierung diese Kredite ohne Weiteres nicht hätte aufnehmen dürfen.

Union will die Begründung der Notlage prüfen

„Es geht um die Heilung eines Rechtsverstoßes, der eintreten würde, wenn wir jetzt nichts machen würden“, hieß es aus dem Finanzministerium. Konkret soll die Rücklage im Klima- und Transformationsfonds um 60 Milliarden Euro gekürzt werden, die nach dem Karlsruher Richterspruch nicht mehr zur Verfügung stehen. Außerdem sollen dem Fonds für die Energiepreisbremsen nachträglich 43,2 Milliarden Euro an Krediten zugesprochen werden. Auch aus einem Topf für Aufbauhilfen nach der Flut im Ahrtal müssen 1,6 Milliarden Euro nachträglich auf rechtlich sichere Füße gestellt werden.

Voraussetzung für all das ist, dass der Bundestag eine außergewöhnliche Notlage erklärt und so zum vierten Mal in Folge die Schuldenbremse aussetzt. In den vergangenen Jahren hatte das Parlament dies zuerst mit der Corona-Krise und dann mit den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die deutschen Staatsfinanzen begründet.

Ähnlich soll auch dieses Mal argumentiert werden: Die tief greifenden humanitären, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen des Krieges beeinträchtigten auch im Jahr 2023 erheblich die staatliche Finanzlage. Auch die Flutkatastrophe vom Sommer 2021 sei eine Notlage, die Beseitigung der Schäden sei noch nicht erledigt.

Die Union kündigte an, die Begründung der Notlage sehr sorgfältig zu prüfen und dann zu entscheiden, wie sie im Parlament abstimmt. „Unabhängig davon würde ich nicht zu einer Klage raten“, sagte Fraktionsvize Mathias Middelberg der Deutschen Presse-Agentur. Die Union hatte die erste Klage beim Verfassungsgericht eingereicht.

Einige technische Veränderungen im Haushalt

Ohne die Absicherung hätte nach dem Karlsruher Urteil im Haushalt 2023 ein Verfassungsbruch gedroht. Denn die Richter entschieden, dass der Bund sich Notlagenkredite nicht für spätere Jahre auf Vorrat zurücklegen darf. Genau das hat der Bund nach Auffassung von Experten im Wirtschaftsstabilisierungsfonds für die Energiepreisbremsen und im Fonds zur Fluthilfe aber gemacht.

Mit dem Nachtragshaushalt sollen zudem einige technische Veränderungen im Haushalt vorgenommen werden. Die Höhe der Steuereinnahmen und die Zinsausgaben werden an die aktuellste Prognose angepasst. Außerdem fällt ein Darlehen über zehn Milliarden Euro für die Aktienrente weg, weil die dafür nötige Stiftung noch nicht gegründet ist. Das Vorhaben Aktienrente an sich sei damit aber nicht vom Tisch, hieß es aus dem Finanzministerium.

Eine Änderung der Konjunkturkomponente der Schuldenbremse sorgt zudem dafür, dass der Bund in diesem Jahr auch regulär weniger Schulden aufnehmen darf als geplant. Denn die Schuldenbremse im Grundgesetz erlaubt eine gewisse Kreditaufnahme – je schlechter die wirtschaftliche Lage, desto mehr. Mit dem Nachtragshaushalt musste die erlaubte Kreditaufnahme neu berechnet werden. Das Ergebnis: Der Bund darf zehn Milliarden Euro weniger Schulden machen. Das Geld soll stattdessen nun aus einer während der Flüchtlingskrise gebildeten Rücklage entnommen werden. Diese Mittel waren eigentlich für die kommenden Jahre verplant – was die Aufstellung des Haushalts für das kommende Jahr noch einmal schwieriger machen dürfte.