Michael Föll Foto: dpa

Manöverkritik: Der Erste Bürgermeister zieht Konsequenzen aus Desaster bei Landtagswahl.

Stuttgart - Die Landtagswahl hat erste personelle Konsequenzen bei den Parteien in Stuttgart nach sich gezogen. Bei der CDU gibt Michael Föll den Kreisvorsitz auf. Andere Wahlverlierer lehnen diesen Schritt noch ab. Die Grünen als Wahlgewinner haben solche Sorgen nicht.

Das Desaster der CDU bei der Landtagswahl stand noch nicht ganz 24 Stunden fest, da waren bei der Partei in Stuttgart am Montag Konsequenzen fällig. Kurz vor Beginn einer Kreisvorstandssitzung verbreitete die CDU Stuttgart die Meldung, dass ihr Vorsitzender Michael Föll dem Gremium seinen Rücktritt vorschlagen werde, dass er den Vorsitz abgeben und damit den Weg für eine Neuwahl freimachen wolle. Auch bei den anderen großen Parteien in Stuttgart begannen am Montag die Manöverkritik und das Nachdenken über Konsequenzen aus der Wahl.

CDU:  Diskussionen über Kurs im Rathaus

Noch am Sonntagabend, kurz vor 21 Uhr, hatte CDU-Parteichef Föll Nebelkerzen gestreut. Er habe vor, das Amt des Kreisvorsitzenden weiter auszuüben, sagte er im Ratskeller auf Anfrage unserer Zeitung. Eine besondere Verantwortung für das Ergebnis der Stuttgarter CDU konnte oder wollte er bei sich und seinen Parteifreunden am Ort nicht erkennen. Noch nicht. Das prozentuale Ergebnis liege im Landestrend der CDU, sagte er. Ganz anders am Montagabend. Die Wahlniederlage, verbunden mit dem Verlust von drei Direktmandaten von vieren in Stuttgart, stelle für die Kreispartei "eine Zäsur" dar. Die Tatsache, dass man mit einem Minus von fünf Prozentpunkten ähnlich liege wie die Landes-CDU (-5,2 Prozent) und besser als die CDU in Mannheim (-8,1) oder Karlsruhe (-6,6), könne das schlechte Ergebnis in Stuttgart nicht beschönigen. "Als Kreisvorsitzender übernehme ich die volle Verantwortung für die Wahlniederlage", erklärte er in der Pressemitteilung. Um die CDU Stuttgart für die künftigen Herausforderungen besser aufzustellen, halte er einen personellen Neuanfang für notwendig. Am 20.Mai wolle er bei einem Kreisparteitag den Vorsitz an einen Nachfolger abgeben.

Föll machte aber auch klar, dass er politisch aktiv bleiben wolle. Wie früher angekündigt, werde er sich im Herbst 2011 um eine weitere Amtszeit als "Erster Bürgermeister mit dem Geschäftskreis Wirtschaft, Finanzen und Beteiligungen bewerben". Daraus ergebe sich konsequenterweise auch, dass er für anderweitige Aufgaben nicht zur Verfügung stehe. Damit hat Föll indirekt auch Ambitionen auf den Posten des Oberbürgermeisters ausgeschlossen - nachdem schon in den vergangenen Monaten deutlich geworden war, dass er wohl nicht kandidieren wolle. Als erster Anwärter auf den Kreisvorsitz gilt jetzt der derzeitige Vize Stefan Kaufmann. Der Bundestagsabgeordnete sei im Moment wohl der Einzige, der infrage komme, hatte am Montagvormittag noch ein wichtiger Mandatsträger der CDU auf Anfrage erklärt. Bis vor wenigen Tagen war auch der andere Vize, Thomas Bopp, als möglicher Nachfolger gehandelt worden, falls Föll sich zurückziehen sollte. Doch am Sonntagabend verlor der Regionalpräsident und Architekt sein Landtagsmandat im Filderwahlkreis an den Grünen-Herausforderer Werner Wölfle.

Von Kaufmann war am Montagabend nicht zu erfahren, ob er sich um den Kreisvorsitz bewerben wird. Parteifreunde sagen, er sei dazu bereit und halte sich auch für geeignet. Allerdings kämpft Kaufmann auch gegen manche Vorbehalte bei den Parteifreunden.

Der Abgeordnete Reinhard Löffler, der am Sonntag als einziger CDU-Kandidat in Stuttgart ein Mandat errungen hatte, riet am Montagvormittag auf Anfrage unserer Zeitung nicht zu einem Personalwechsel, obwohl er nicht als Freund des Kreisvorsitzenden Föll gilt. "Wir müssen die Reihen schließen und nach vorn blicken, dürfen uns nichts mehr leisten. Die Zeit der internen Animositäten ist vorbei", sagte er. Man müsse sich mehr den Diskussionen mit andersdenkenden Bürgern stellen. Jetzt sei es Zeit zu klären, was man politisch wolle.

In der CDU hatte da nicht nur Löffler mit der inhaltlichen Aufarbeitung des Desasters begonnen. Die Bürgermeisterin Susanne Eisenmann warnte auf Anfrage davor, das schlechte Ergebnis nur auf die Atomkatastrophe in Japan zu schieben. "Viele Briefwähler wählten schon vorher, und bei der Briefwahl war unser Ergebnis auch nicht grandios", sagt sie. Nach Rezepten, in den Großstädten Erfolg zu haben, suche die CDU schon länger. Die Suche nach den Themen und den Wegen, die Stadtgesellschaft zu erreichen, gehe weiter. Die strategische Entscheidung der CDU-Gemeinderatsfraktion im Rathaus, sich von den Grünen abzugrenzen und zu polarisieren, habe bisher auch noch keine Änderung gebracht.

Die Strategie des seit kurzem amtierenden Fraktionschefs Alexander Kotz hatte in der Partei längst schon Fragen ausgelöst. Auch in der Fraktion dürfte die Diskussion über den richtigen Kurs im Rathaus daher wieder beginnen.

SPD: Müssen uns nicht verstecken

Personelle Konsequenzen hält der SPD-Kreisvorsitzende Reißig nicht für angeraten oder gar geboten. Ob die Partei es auch so sieht, zeigt sich heute im Kreisvorstand und am kommenden Montag bei der Delegiertenversammlung der Kreis-SPD. Das Ergebnis (23,1 Prozent im Land, 20,4 Prozent in der Stadt und kein einziges Mandat in Stuttgart) schmerzt zwar, "man muss aber sehen, woher wir kamen", sagt Reißig. Mit gut 16 Prozent bei der letzten Kommunalwahl und etwa 20 Prozent bei der Bundestagswahl war man nicht verwöhnt. In der Kategorie Landtagswahl ging es in Stuttgart allerdings erneut um sechs Prozentpunkte nach unten. "Wir müssen uns dennoch nicht verstecken", meint Reißig. Auch die Kandidatenauswahl sei nachträglich nicht zu beanstanden.

FDP: Mit erhobenem Haupt

Der FDP-Kreisvorsitzende Armin Serwani nahm sich am Montag vor, "erhobenen Hauptes" zur abendlichen Sitzung des Landesvorstands zu gehen. Rücktrittsüberlegungen gebe es bei ihm selbst und im Kreisverband nicht. Dass der Kandidatin Gabriele Heise in der FDP-Hochburg Filderwahlkreis ein Mandat entging, obwohl sie fast zwei Prozentpunkte mehr holte als die FDP im Land, sei zwar ein schwerer Rückschlag. Aber Heise sei eben aufgerieben worden im Zweikampf zwischen Grünen und CDU ums Direktmandat.

Die Grünen: Komfortable Lage

Die Grünen sind als Wahlsieger in einer komfortablen Lage, müssen aber Lücken in der Gemeinderatsfraktion füllen. Für Muhterem Aras, die mit dem besten Ergebnis der Grünen in den Landtag kam, rückt die Degerlocher Bezirksbeirätin Beate Schiener nach. Sollte der alte und neue Abgeordnete Werner Wölfle eine Aufgabe in der Regierung erhalten, würde der Jung-Grüne Benjamin Lauber in den Gemeinderat nachrücken. Dann müssten gleich beide Fraktionsvorsitzenden ersetzt werden. Peter Pätzold wäre ein Anwärter. Doch so weit ist es noch nicht. Grüne und SPD im Land müssen sich erst über Ressortfragen verständigen. Wölfle, eine der Galionsfiguren der Grünen im Stuttgart-21-Streit, will seinen Anspruch aber geltend machen.