Wer macht das Rennen bei der Elektromobilität? Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Autohersteller und Zulieferer investieren Milliarden in neue Technologien. Doch reicht es aus, wenn jeder für sich selbst arbeitet – oder müssen die Kräfte stärker gebündelt werden?

Fast fünf Milliarden Euro hat der Stuttgarter Bosch-Konzern allein im vergangenen Jahr in die Forschung investiert, bei Daimler waren es sogar über fünf Milliarden Euro. 1700 Forscher arbeiten allein im neuen Bosch-Forschungszentrum in Renningen an den Technologien der Zukunft, unter anderem an der Elektromobilität und am selbstfahrenden Auto. Auch Daimler beschäftigt in der Region Stuttgart viele Tausend Forscher; erst vor kurzem legten Unternehmen wie Daimler, Bosch und BASF in Stuttgart den Grundstein für eine neue Forschungsfabrik. Schlafmützigkeit sieht anders aus.

Und doch lässt aufhorchen, welche Töne von der Arbeitnehmerseite in letzter Zeit angeschlagen werden. Bereits in seiner Antrittsrede als Chef der IG Metall machte Jörg Hofmann der Branche und der Politik heftige Vorwürfe: Statt die Technologie zu fördern, werde „abgewartet und zugeguckt, wie sich diese Schlüsseltechnologie dynamisch in Fernost und USA entwickelt“. Wenige Tage später legte Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht nach und forderte eine stärkere Kooperation zwischen den Herstellern, um die Elektromobilität voranzubringen.

Wie aber passen gewaltige Forschungsanstrengungen und die Alarmrufe der Arbeitnehmerseite zusammen? Weit besser, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Denn im weltweiten Wettbewerb um die Zukunftstechnologien werden Zeit und Geld zu entscheidenden Faktoren. Der Südwesten ist dazu verurteilt, beim Rennen um die nächste Generation ganz vorn dabei zu sein – er muss sich selbst sein größter Konkurrent sein.

Daimlers ärgster Konkurrent ist weder BMW noch Audi

Die süddeutschen Oberklasse-Hersteller Daimler, BMW und Audi sehen sich als große Rivalen. Doch lauert die wirkliche Konkurrenz nicht längst woanders? Was ist mit Tesla, dessen genial-waghalsiger Chef Elon Musk in Nevada die größte Batteriefabrik der Welt aus dem Boden stampft? Und mit Google und Apple? Könnte es der Autobranche einmal so gehen wie dem chinesischen Handyproduzenten Foxconn, der für Apple zu Billigstpreisen schicke iPhones und iPads baut, die ihren Wert erst durch Apples Software bekommen?

Gewiss, das muss nicht so kommen. Doch die Geschichte der Automobilindustrie ist voll von Umbrüchen, die in Deutschland verschlafen wurden. Der Katalysator? Viel zu kompliziert, sagten deutsche Manager – bis Opel ihn serienmäßig anbot. Der Dieselrußfilter? Brauchen wir nicht, sagten die Deutschen – bis Peugeot ihnen die Kunden wegschnappte. Hybridfahrzeuge? Ist nichts Halbes und nichts Ganzes, hieß es – bis Toyota mit dem Prius gewaltig punktete.

Bei der Digitalisierung kann sich die deutsche Industrie solchen Hochmut nicht mehr leisten – doch auch hier gibt es die altbekannte Tendenz zum Schönreden: Der Amerikaner kann Internet, aber nur wir können Auto, heißt es immer wieder im Brustton der Überzeugung. Das mag ja stimmen, aber schon beim iPhone hat Apple gezeigt, dass man gar nicht daran denkt, in Kompetenzen zu investieren, die man billig einkaufen kann. Durch Verharmlosung werden Bedrohungen aber nicht kleiner, sondern größer.

Beim autonomen Fahren arbeiten die deutschen Hersteller bereits zusammen

Immerhin – mit dem gemeinsamen Kauf des Kartendienst-Anbieters Nokia Here haben Daimler, BMW und Audi bereits gezeigt, dass sie durchaus in der Lage sind, sich zusammenzuschließen, um gemeinsame Interessen zu vertreten. Doch die Betriebsräte und Gewerkschafter haben zu Recht die Frage aufgeworfen, ob die Kräfte nicht auch bei der Elektromobilität gebündelt werden müssen.