Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz zeichnet bei der Eröffnung ein düsteres Bild von der Weltlage. Der Westen sei geschwächt, eine Konfrontation der Großmächte drohe. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen erntete indes peinliche Fragen.
München - Mit Warnungen hat der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger bei der Eröffnung nicht gespart. „Bis zum Abgrund und zurück?“ hat er als Motto für die 54. Sicherheitskonferenz in München gewählt. Beim Auftakt machte der ehemalige Botschafter und langjährige Diplomat angesichts von vielen ungelösten Konflikten, Krisen und Instabilität auf der Welt eines klar: Das Fragezeichen bezieht sich nur auf den zweiten und nicht auf den ersten Teil dieser Aussage. Auch wenn es in den vergangenen Jahren gelungen sei, Hunger und Krankheit weltweit zurückzudrängen: „Demokratie und Freiheit sind im Niedergang. Der Westen ist heute schwächer als in der Vergangenheit. Die internationale Ordnung, die in der Nachkriegszeit geschaffen wurde, ist bedroht“, sagte Ischinger. Die Gefahr, dass es zu einer militärischen Konfrontation der Großmächte komme, sei seit dem Ende der Sowjetunion nie so groß gewesen wie heute. „Die Signale leuchten derzeit ganz stark – und ganz rot.“
Ischinger hielt sich nicht lange mit Lob für die Intensivierung der deutsch-französischen Zusammenarbeit in der Verteidigung auf („phantastisch“), sondern wollte gleich von der deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihrer französischen Kollegin Florence Parly wissen, ob die „EU wirklich politisch willens sind, ein glaubhafter und fähiger Akteur nicht nur im europäischen Rahmen, sondern global zu werden“. Ursula von der Leyen verwies auf die Fortschritte in der Vergangenheit und bekannte sich zu mehr Engagement. „Wir wollen transatlantisch bleiben und europäischer werden. Es geht um ein Europa, das auch militärisch mehr Gewicht in die Waagschale werfen kann“, sagte die CDU-Politikerin.
Frankreich lässt Deutschland blass aussehen
Dabei müsse die EU mehr Tempo aufnehmen, und die Kräfte der gemeinsamen europäischen Verteidigung auch gemeinsam einsetzen. „Was wir brauchen ist ein Pakt für vernetzte und umfassende Sicherheit“, sagte von der Leyen und bewertete den neuen Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD als „einzigartigen Schritt“ in diesem Sinne. Der sehe schließlich vor, dass zusätzliche Finanzmittel prioritär in Verteidigungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit fließen sollten.
Aber schon die Worte ihrer Nachrednerin müssen von der Leyen die Ohren zum Klingen gebracht haben. Frankreichs Verteidigungsministerin Florence Parly beschränkte sich nicht nur auf den Appell, dass die Europäer das „schöne Wort Europa wieder verzaubern müssen“. Sie verwies darauf, dass „eine robuste europäische Verteidigung mit Anstrengungen zuhause beginnt“. Parly erinnerte an das Bekenntnis von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zum Zwei-Prozent-Ziel der Nato. Das ist ein Finanzziel, worauf Union und SPD sich im neuen Koalitionsvertrag nicht verständigen konnte.
Von der Leyen wird mit Röttgens harter Kritik konfrontiert
Parly dagegen legte Zahlen auf den Tisch, die die Ernsthaftigkeit der Franzosen untermauern. „Ich habe letzte Woche aufgezeigt, wie wir das umsetzen wollen mit einem Programm über 300 Milliarden Euro bis 2025“, ergänzte Parly. „Wir möchten Personal aufstocken, unsere Systeme ertüchtigen und den Weg in Richtung Innovation einschlagen.“ Dagegen nehmen sich die Mehrausgaben für Verteidigung von etwa fünf bis sieben Milliarden Euro bis 2021, die sich aus dem deutschen Koalitionsvertrag ableiten lassen, ziemlich bescheiden aus.
Wolfgang Ischinger widmete denn auch die erste Frage der diesjährigen Sicherheitskonferenz der „scharfzüngigen Kritik“, die der Außenausschussvorsitzende Norbert Röttgen in einem Interview mit unserer Zeitung an Ausrüstungsstand und Finanzen der Bundeswehr geübt hatte. Röttgen hatte von einem „staatlichen Offenbarungseid“ gesprochen und die Sicherheitspolitik der Regierung Merkel „mehr als grob fahrlässig“ genannt. Was sie denn dazu sage, wollte Ischinger in München wissen. Sie sehe diese Aussagen als „Rückenwind“ aus dem Parlament und nehme diesen Schwung gerne mit, sagte von der Leyen lächelnd. Szenenapplaus gab es für die Aussage nicht.