Joghurtbecher, Plastikflaschen, Folien: Eine Fernsehdoku hat gezeigt, wie deutscher Müll illegal auf Deponien in Osteuropa verrottet. Was sagt die Firma dazu, die für die Gelben Säcke in Stuttgart zuständig ist?
Die Bilder sind unschön: Da liegt ein Joghurtbecher, der eindeutig aus Deutschland stammt, auf einer gigantischen Deponie in Polen. So viele zerrissene Tüten, kaputte Becher und dreckige Plastikflaschen rotten dort vor sich hin, dass man nicht einmal das Ende des Müllbergs sehen kann. Die beschriebenen Sequenzen stammen aus der ZDF-Sendung „Dreckige Deals mit deutschem Müll“. Darin wird deutlich, wie Müllmassen aus Deutschland irgendwo im Ausland landen – und dort nicht weiterverarbeitet werden. Dabei dürfte das eigentlich nicht sein.
Kriminelle deklarieren Müll einfach um
Dass Müll aus Kostengründen ins Ausland exportiert wird, ist nicht ungewöhnlich. Aber: Laut deutschen Gesetz darf seit 2005 kein Hausmüll mehr deponiert werden. Er muss fachgerecht entsorgt werden, was bedeutet: recycelt oder energetisch verarbeitet, also verbrannt. In vielen Ländern der EU ist es aber noch erlaubt, Müll auf Deponien abzuladen. Und das ZDF-Fernsehteam hat recherchiert, dass es Kriminelle gibt, die Gelbe Säcke aus Deutschland über die Grenze bringen und etwa zu tschechischem oder polnischem Müll umdeklarieren, indem sie die Frachtpapiere manipulieren oder austauschen. Deshalb rotten auch hiesige Joghurtbecher im Ausland vor sich hin.
Die Täter verdienen durch diese Methode Geld, weil das Abkippen günstiger ist als eine umweltgerechte Verarbeitung der Kunststoffe. Und weil in Europa täglich gigantische Müllmengen anfallen, lohnt sich diese Art der Entsorgung.
11 000 Tonnen pro Jahr in Region Stuttgart
Kann es sein, dass auch Gelbe Säcke aus Stuttgart und der Region irgendwo in Osteuropa verrotten? Immerhin sind in und rund um die Landeshauptstadt im vergangenen Jahr mehr als 11 000 Tonnen an Verpackungsabfällen gesammelt worden. Eindeutig kann diese Frage nicht beantwortet werden, denn es gibt rund 50 Sortieranlagen in Deutschland. Die Fernsehreporter haben auf einer Deponie im polnischen Sarbia Müll aus mindestens drei deutschen Sortieranlagen gefunden: eine in Bayern, eine in Niedersachsen, eine in Nordrhein-Westfalen.
In Stuttgart ist seit diesem Jahr die Firma Kurz aus Ludwigsburg für die Abholung der Gelben Säcke zuständig. Beauftragt ist sie von der Firma Reclay aus dem hessischen Herborn. Fragt man dort an, landet man bei der Raan-Gruppe. Deren Sprecher Felix Raubach erklärt, dass man sich von „illegalen Geschäften mit Abfällen deutlich distanziert und diese scharf verurteilt“. Denn die Machenschaften führten dazu, „dass Verbraucherinnen und Verbraucher das Vertrauen in unser Abfallsystem verlieren, ihre Abfälle weniger oder gar nicht mehr trennen und somit weniger Verpackungen recycelt werden können“.
63 Prozent müssen recycelt werden
Als Teil des dualen Systems bewegten sie sich „in einem sehr streng regulierten Rahmen“, betont Felix Raubach. Sie müssten Verwertungsquoten erfüllen, welche extern geprüft würden. Auf die Frage, wie viel Prozent des Inhalts der Gelben Säcke recycelt werde, antwortet er aber lediglich: „Es gibt gesetzlich vorgeschriebene Verwertungsquoten, die wir erfüllen.“
Für die Kunststoffe, die klassischerweise im Gelben Sack gesammelt werden, gilt seit 2022, dass 63 Prozent davon recycelt werden müssen. Allerdings mangelt es regelmäßig an Abnehmern für das recycelte Material. Denn die Rezyklate sind oft teurer als billige Neuware, die in der Regel aus Erdöl hergestellt wird.
Unverpackt-Läden kommen nicht mehr an
Vermutlich trägt auch dies dazu bei, dass Müll immer wieder illegal entsorgt wird. So haben etwa im vergangenen Sommer Kriminelle rund 500 000 Kubikmeter Müll in einem polnischen Naturschutzgebiet verbuddelt. Unter den Abfällen waren auch welche aus dem Ausland. Der Kopf der Bande soll dabei rund 5,6 Millionen Euro kassiert haben.
Was also hilft gegen diese Machenschaften? Müll vermeiden sicherlich und plastikfrei einkaufen. Doch so richtig scheint dies die Menschen nicht mehr zu begeistern. Zumindest die Unverpackt-Läden in der Region Stuttgart straucheln enorm. In den vergangenen Monaten hat nicht nur Tante M. in Stuttgart-Sillenbuch geschlossen sowie die Unverpackt-Drogerie in der Stuttgarter City, Ende Juli nun auch Ohne Plapla in Ludwigsburg. Es scheint so, als würden sich viele Menschen nicht mehr für ihren Müll interessieren, sobald die Gelben Säcke aus dem Blickfeld verschwunden sind.
Großteil des deutschen Plastikmülls wird verbrannt
Aufkommen
Im Jahr 2021 fielen in Deutschland laut Umweltbundesamt 5,67 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle an. Davon wurden 1,98 Millionen (also 35 Prozent) Tonnen werk- und rohstofflich beziehungsweise chemisch genutzt. 3,66 Millionen Tonnen (64,4 Prozent) wurden energetisch verwertet, also verbrannt. Von diesen 3,66 Millionen Tonnen wurden 2,13 Millionen Tonnen in Müllverbrennungsanlagen verfeuert, 1,53 Millionen Tonnen wurden in Zement- oder Kraftwerken als Ersatz für fossile Brennstoffe verwendet. Und 30 000 Tonnen (0,6 Prozent) wurden irgendwo deponiert oder in Anlagen verbrannt, ohne energetisch verwertet zu werden. (jub)