Der fahrerlose Van bietet mehr Platz für Paletten oder Pakete. Foto: Daimler

Daimler hat in Kopenhagen den Vorboten eines voll autonom fahrenden elektrischen Transporters präsentiert. Mit wechselnden Aufbauten kann das Gefährt wahlweise Güter oder Personen transportieren.

Kopenhagen - Die Fahrzeugstudie „Vision Urbanetic“ von Mercedes-Benz ist revolutionär. Rund um die Uhr und an 365 Tagen im Jahr kann das elektrisch angetriebene Vehikel im Idealfall eingesetzt werden, das ohne Fahrer voll autonom unterwegs ist. Erstmals wird bei diesem Zukunftsmobil zudem die Trennung zwischen Güter- und Personentransport aufgehoben. Denn die gesamte Technik ist in dem Chassis untergebracht, auf dem sehr unterschiedliche Aufbauten befestigt werden können – so wird aus dem Gefährt in kurzer Zeit wahlweise ein Kleinbus oder ein Transporter. Am Montag hat der Stuttgarter Konzern die Fahrzeugstudie in Kopenhagen vorgestellt, die etwa die Maße eines Mercedes-Benz Sprinters hat. Der Sprinter ist das größte und wichtigste Van-Modell der Stuttgarter.

„Viele Fahrzeuge sind beispielsweise bei Paketzustellern nur an sieben oder acht Stunden am Tag im Einsatz“, sagt Volker Mornhinweg, der Chef der Transportersparte von Daimler. „In vielen Gesprächen haben uns Kunden gefragt, ob wir keine Idee haben, wie man die Fahrzeuge länger, im Idealfall rund um die Uhr, nutzen kann“, berichtet Mornhinweg.

Der Verzicht auf den Fahrer senkt die Kosten

Mit diesem Zukunftsprojekt macht sich nun auch die Transportersparte von Daimler auf den Weg zum autonomen Fahren und gesellt sich damit zur Autosparte Mercedes-Benz und den Trucks des Konzerns, die im Innovationswettlauf in diesem Bereich an der Spitze stehen.

Mit fahrerlosen Vans könnten die Unternehmen durch den Verzicht auf einen Fahrer die Kosten senken. Zudem gibt es mehr Platz für Paletten oder Pakete. Mornhinweg hebt jedoch hervor, dass es derzeit zu wenige Fahrer gebe. „Nicht nur in Europa, sondern auch in den USA und in manchen Regionen Asiens, etwa in Singapur, fehlen Fahrer. Das ist ein großes Problem für die Logistikbranche“, sagt der Daimler-Manager. Um solche Engpässe zu beseitigen, habe man die Zukunftsstudie entwickelt, die ein Vorbote autonom fahrender Vans sei. „Es wird aber nicht überall ohne Fahrer gehen“, schränkt der Van-Chef ein. Mornhinweg räumt auch ein, dass noch viele Hürden auf diesem Weg zu nehmen sind – und dies gilt nicht nur im Hinblick auf die Technik. „Die Entwicklung von Level 5, also dem voll autonomen Fahren, ist noch eine große Herausforderung. Dafür fehlen auch noch die gesetzlichen Grundlagen“, so der Daimler-Manager.

Das autonome Fahren soll Schritt für Schritt eingeführt werden

Von solchen Schwierigkeiten lassen sich die Stuttgarter nicht abschrecken. Mornhinweg will aber noch keine Prognose abgeben, bis wann solche Roboter-Vans auf den Markt kommen könnten. Der Chef der Transportersparte skizziert jedoch schon einmal einen Weg, wie man sich diesem Ziel Schritt für Schritt nähern könnte. „Wir stellen uns die Umsetzung des autonomen Fahrens in drei Stufen vor“, erläutert Mornhinweg.

Starten könnte man nach seiner Vorstellung in abgegrenzten Gebieten, wie etwa einem Flughafen oder einem Werksgelände, wo komplexe Fahrsituationen vermieden werden können. Zur Sicherheit werde anfangs noch ein Fahrer die Touren überwachen. „In Gesprächen mit unseren Kunden haben wir ein Interesse an solchen Einsätzen festgestellt“, sagt Mornhinweg.

In einer zweiten Stufe könnten sich die Vans auf festen Routen in der Stadt bewegen, etwa zwischen den Stützpunkten von Logistikunternehmen oder in der Personenbeförderung. Die Städte könnten laut Mornhinweg dabei durch die Gestaltung der Routen verhindern, dass Verkehrssituationen auftreten, die noch nicht beherrschbar sind. „Die Königsdisziplin als dritte Stufe ist, wenn sich die Fahrzeuge frei in einer Stadt bewegen“, so der Chef der Van-Sparte.

Experimente mit Bussen ohne Fahrer laufen bereits

Experimente mit fahrerlosen Bussen gibt es auf kurzen Strecken und bei niedrigem Tempo bereits in einigen deutschen Städten. Die Fahrzeuge kommen von französischen Herstellern. So startete im vorigen Jahr die Deutsche Bahn im bayerischen Bad Birnbach der erste autonom fahrende Bus auf öffentlichen Straßen in Deutschland, der zwischen dem Marktplatz und der Therme unterwegs ist. Das Fahrzeug darf auf der 700 Meter langen Strecke maximal 15 Kilometer pro Stunde fahren. Seit diesem Frühjahr ist ein zweiter fahrerloser Bus hinzugekommen. In Baden-Württemberg transportiert der erste autonom fahrende Bus Besucher der Landesgartenschau in Lahr. Er pendelt im Testbetrieb einen Kilometer auf öffentlichen Straßen und fährt auf einem Rundkurs zwei Haltestellen an. Aus Sicherheitsgründen ist ein Begleiter an Bord, der notfalls eingreifen kann. In Karlsruhe soll im nächsten Frühjahr ein Testbetrieb mit drei autonom fahrenden Elektro-Minibussen beginnen. Auch Stuttgart und Ludwigsburg planen Tests mit autonom fahrenden Bussen.

Der Chef der Van-Sparte könnte sich vorstellen, dass Daimler die Roboter- Fahrzeuge nicht nur herstellt, sondern auch selbst solche Flotten betreibt. „Die Fahrzeuge könnten dann beispielsweise von Unternehmen angefordert werden, um Bedarfsspitzen abzudecken. Dieses Bedürfnis ist recht ausgeprägt“, sagt Mornhinweg. Die Kunden müssten dann selbst keine Fahrzeuge besitzen sondern würden nur den Einsatz bezahlen.

Daneben gebe es auch große Leasingfirmen, die nicht nur die Finanzierung sondern auch den Betrieb von Fahrzeugflotten übernehmen könnten, meint der Daimler-Manager. Die Transportersparte des Stuttgarter Konzerns hat vor zwei Jahren damit begonnen, verstärkt zusätzliche Geschäfte rund um den Verkauf von Fahrzeugen zu entwickeln.