Karl Lauterbach diskutierte mit Schülern des Berliner Käthe-Kollwitz-Gymnasiums. Foto: dpa/Britta Pedersen

Vor 170 Berliner Gymnasiasten verteidigt der Gesundheitsminister sein umstrittenes Cannabis-Gesetz – die bisherige Drogen-Strategie habe „überhaupt nicht geklappt“.

Die Diskussion zwischen den Schülern und Schülerinnen des Berliner Käthe-Kollwitz-Gymnasiums mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wogt schon seit einer guten Stunde munter hin und her. Der Minister ist zum Prenzlauer Berg gekommen, um über sein Cannabisgesetz zu sprechen. Das Thema bewegt die jungen Leute. Das merkt man der Debatte an. Viel ist schon gesprochen worden über Prävention und Aufklärung, Schwarzmarkt und Gefahren. Da wird es plötzlich persönlich. In einer der hinteren Reihen meldet sich ein langer Schlacks und fragt den Minister, ob er denn, wo der Cannabiskonsum doch jetzt legal sei, auch mal selbst zum Joint greife.

Das Stirnrunzeln weicht der Belustigung

Es folgt eine dieser typischen, etwas schrulligen Lauterbach-Antworten. Er hätte ja einfach auf seine Vorbildfunktion verweisen können, oder – wie es manche Politiker tun – einfach darauf, dass er das Inhalieren des Rauchs nicht vertrage. Nein, der Minister kifft nicht. Aber das hat einen ganz anderen Grund. Eine der selten besprochenen Nebenwirkungen von Cannabis sei nämlich, so erklärt er den leicht verdutzten Zuhörern, „eine verminderte Auge-Hand-Koordination“. Wie bitte? Ja, doch, und das sei „ein schwerer Nachteil beim Tischtennis“. Aha. Das Stirnrunzeln im Saal weicht der Belustigung. „Ich bin ein ehrgeiziger Spieler“, betont der Minister. „Das kann ich mir nicht leisten. Damit ist für mich die Frage nach dem Kiffen erledigt.“

Die Fragen der Jugendlichen sind noch lange nicht beantwortet. Obwohl sie eher theoretischem Interesse als praktischen Erfahrungen entspringen. Die Schule ist drogentechnisch eine Berliner Insel der Seligen. Nein, sagt Simone Ley, die Direktorin, im Gespräch mit unserer Zeitung, in zehn Jahren hätte sie noch kein einziges Mal Schüler auf dem Schulhof kiffen gesehen. Die Schule hat einen naturwissenschaftlichen Schwerpunkt. Im Biologie- aber auch im Politikunterricht haben die Lehrer den Besuch vorbereitet, das Gesetz eingehend besprochen. Die Schüler haben eine Art „Debattierclub“, dort wurden Fragen erarbeitet.

Lauterbach war früher selbst ein Gegner der Legalisierung

Jetzt sitzen 170 Schüler der 10. und 11. Klassen in der Aula und drei von ihnen – Anton Beeken, Emilia Schwartzberg und Jasper Matthiesen – mit Lauterbach auf dem Podium. Und sie haben nicht vor, dem Minister eine Bühne zum Eigenlob zu gewähren. Ihm schallt Skepsis entgegen, dass er den Konsum nun ermögliche. Ermöglichen? Da wird Lauterbach deutlich. „Ich ermögliche gar nichts“, sagt er. „Die Ermöglichung findet seit Jahren jeden Tag im Görlitzer Park statt“, sagt er.

Da ist sein zentrales Argument. Er sei früher selbst ein Gegner der Legalisierung gewesen, räumt er ein. Und zwar, weil er – genau wie die Kritiker des Gesetzes heute – fürchtete, dass die falsche Botschaft ausgesendet werde, dass Cannabis doch gar nicht so schlimm sei. Aber er habe sich eingestehen müssen: „Unsere bisherige Strategie ist gescheitert, sie hat überhaupt nicht geklappt“. Zwischen 2001 und 2011 sei der Konsum bei 14- bis 18-Jährigen um 50 Prozent gestiegen. Der illegal gehandelte Stoff sei gefährlicher geworden, weil der THC-Gehalt kontinuierlich steige. Und dann hätten Studien klar gezeigt, dass die Legalisierung den Konsum eben nicht ankurbele. Er gebe zu, das sei „eine schwierige Botschaft“.


„Mit der Legalisierung ist der Konsum nicht plötzlich harmlos geworden“

Die Schüler wollen genauer wissen, warum der Konsum nicht automatisch steigt, wenn er legal ist. „Weil wir das Thema endlich aus der Tabuzone bringen“, antwortet der Minister. Dadurch könnte endlich besser aufgeklärt werden. Und außerdem könne nun endlich der Schwarzmarkt besser bekämpft und die Drogenkriminalität gesenkt werden. Und außerdem schreibe das Gesetz härtere Strafen für Dealer fest.

Die Skepsis bleibt. Warum Cannabis nun ab 18 Jahren legal konsumierbar sei, obwohl das Gehirn bis zum Alter von 25 Jahren wachse und Schaden nehme könne, hakt Emilia nach. Lauterbach hält dagegen: „Hätten wir das Alter auf 25 festgesetzt, hätten sich die 19-Jährigen weiter auf dem schwarzen Markt versorgt und nichts wäre gewonnen.“ Aber in einem Punkt gibt er der Fragerin durchaus Recht: „Mit der Legalisierung ist der Konsum nicht plötzlich harmlos geworden“. Das müsse man den jungen Menschen nahebringen. Wie denn? „Indem wir in unseren Kampagnen die Jugendlichen nicht wie Säuglinge ansprechen, sondern objektiv informieren, mit Fakten, nicht mit Ideologie.“

Hat das die Schüler überzeugt? „Wir haben die Konfliktlinien gefunden und uns ausgetauscht“, sagt Anton Beeken. Das sei schon mal gut. Und Lauterbach hatte auch noch ein ganz besonderes Lob mitgebracht. In dieser Debatte mit vielen angehenden Naturwissenschaftlern habe er „mehr voraussetzen können als bei Debatten im Bundestag“.