An der Leinfelder Straße in Echterdingen lebten schon nach 2015 geflüchtete Menschen in Zelten und Containern. Foto: Natalie Kanter

Mehr als 1100 geflüchtete Menschen leben aktuell in Leinfelden-Echterdingen – und damit so viele, wie in den Jahren nach 2015. Dennoch gibt es Unterschiede.

Eine Milliarde Euro mehr an finanzieller Unterstützung hat der Bund beim Flüchtlingsgipfel den Ländern für die Versorgung von geflüchteten Menschen zugesagt. Das erklärte Ziel: die Kommunen zu entlasten. „Das klingt zunächst nach sehr, sehr viel Geld“, sagt Carl-Gustav Kalbfell, Bürgermeister in Leinfelden-Echterdingen, dazu unserer Zeitung. In Leinfelden-Echterdingen kämen davon gerade mal einige Hunderttausend Euro an.

„Demgegenüber stehen Millionenbeträge an Investitionskosten in Wohnraum, Sprach- und Integrationskurse sowie erhebliche Personalkosten in puncto Administration und soziale Betreuung der Geflüchteten, die nicht erstattet werden.“ Will heißen, diese Summe ist zwar erfreulich, aber im Grunde nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Mehr als 1100 Menschen auf der Flucht leben aktuell in Leinfelden-Echterdingen und damit ähnlich viele, wie in der Hochphase der Flüchtlingsbewegung in den Jahren nach 2015 – als sehr viele Syrer nach Deutschland kamen. Der Unterschied zu damals: „Wir haben heute deutlich mehr Personen in der Anschlussunterbringung als damals“, sagt Kalbfell. Für welche die Stadt zuständig ist. Noch immer leben viele Syrer in der Stadt. Sie stammen aber auch aus dem Iran, dem Irak, der Türkei oder afrikanischen Ländern. Etwas mehr als die Hälfte der Geflüchteten haben ihre Heimat aufgrund des russischen Angriffskrieg in der Ukraine verlassen.

Das neue Camp bietet Platz für 264 Menschen

Damit die Stadt den vielen Geflüchteten ein Dach über dem Kopf bieten kann, die sie beständig aufzunehmen hat, wird noch in diesem Sommer auf dem Renault-Gelände wieder eine Flüchtlingsunterkunft entstehen. Das neue Camp wird Platz für 264 Menschen bieten. „Es wird Sozialräume und möglicherweise auch einen kleinen Basketballplatz geben“, sagt Kalbfell. Aktuell laufe dafür noch das Vergabeverfahren. „Es gibt eine Auswahl an Anbietern. Darüber sind wir sehr erfreut. Die Preise sind im Rahmen.“ Bis zu 300 Menschen hatten in den Jahren nach 2015 auf dem Echterdinger Areal gelebt. Die Unterkunft bestand aus Miet-Containern und winterfesten Zelten. Später hatte die Stadt die Container für Geflüchtete und Obdachlose übernommen, dann aber abgebaut. Das Areal wurde dann von einem Busunternehmen als Parkplatz genutzt. Es war auch schon als Standort für ein Gründungszentrum im Gespräch. Aktuell wird dort Erdaushub von der Baustelle der Echterdinger Zeppelinschule zwischengelagert.

Zurück zu den Ergebnissen des Flüchtlingsgipfels: Vielversprechend klingt laut dem Bürgermeister, dass die Asylverfahren beschleunigt und die Ausländerbehörden entlastet werden sollen. „Der Idealfall wäre, wenn es für die Ausländerbehörde einen personellen Zuschuss geben würde“, sagt er. Nach wie vor würden aber klare Spielregeln zur Begrenzung der Zuwanderung und zur konsequenten Rückführung von Menschen ohne Bleiberecht auf sich warten lassen, erklärt der Bürgermeister. Daran habe sich nichts geändert. Diese Thematik wurde in den Herbst verschoben.

Wann die Menschen zur Ausreise verpflichtet sind

„Wenn ein Asylantrag abgelehnt wurde, es vielleicht sogar ein Gerichtsverfahren gab, sind die Leute zur Ausreise verpflichtet, viele machen dies aber nicht“, erklärt der Bürgermeister. Diese Menschen zwangsweise in ein Flugzeug zu setzen, sei keine schöne Aufgabe. Die zuständige Stelle des Regierungspräsidiums sei dennoch verpflichtet, die Ausreiseverpflichtung durchzusetzen. Selbst bei rechtskräftig verurteilten Straftätern gebe es den Missstand, betont Kalbfell, dass deren Rückführung nicht konsequent umgesetzt werde.

Unter den mehr als 1100 Geflüchteten, die in Leinfelden-Echterdingen leben, haben laut dem zuständigen Sachgebietsleiter Markus Häfele etwa 15 Menschen zwar den Aufenthaltsstatus Duldung, aber „wirklich keinerlei Bleibeperspektive mehr“. „Sie haben ein negatives Asylverfahren hinter sich und wirken in keiner Weise an einer Identitätsermittlung mit“, schreibt er. Und: „Sie dürfen nicht mehr arbeiten, warten im Prinzip auf die Abschiebung.“ Gleichzeitig gebe es eine relativ hohe Zahl an Geduldeten, die eine Arbeitserlaubnis haben und über eine Beschäftigung und Ausbildung doch an ein Bleiberecht kommen können. Gleiches gelte für eine Vielzahl von Langzeitgeduldeten, wenn sie nachweislich bei Jobsuche, Passbeschaffung und Spracherwerb mitwirken.

Wo leben die geflüchteten Menschen

Privater Wohnraum
Von den mehr als 1100 Geflüchteten sind 338 in Wohnungen untergebracht, welche die Stadt als Zwischenmieter angemietet hat. Eine unbefristete Niederlassungserlaubnis nach dem Aufenthaltsrecht erhalten die Bewohner aber erst dann, wenn der Vertrag mit der Stadt in ein normales Mietverhältnis übergegangen ist. 280 Männer und Frauen haben derweil eine Bleibe auf dem freien Wohnungsmarkt gefunden.

Flüchtlingsunterkünfte
In den Stadtteilen Leinfelden, Echterdingen und Musberg gibt es Flüchtlingsunterkünfte, für welche die Stadt verantwortlich ist. Den Nödinger Hof, ein ehemaliges Hotel in Stetten, nutzt der Landkreis Esslingen weiterhin als vorläufige Unterkunft. In dem Echterdinger Hotel Filderhof sind ukrainische Geflüchtete untergebracht, genauso wie in einem Gebäude an der Bunsenstraße in Musberg, in dem zuvor eine Werbeagentur ihren Sitz hatte.