Vorwiegend junge Männer haben von 2015 an auf dem Echterdinger Renault-Gelände gelebt. Nun wird dort wieder ein Containerdorf erstellt. Diesmal für Geflüchtete aus der Ukraine, also vorwiegend für Frauen mit ihren Kindern und Enkelkindern.
Die Situation erinnert ein wenig an jene vor sieben Jahren. Damals hatte der Landkreis Esslingen das Renault-Gelände von der Stadt gepachtet, um am Ortsausgang von Echterdingen ein Dorf aus Wohncontainern aufbauen zu können. Damit man den vielen jungen Männern, die damals vor allem aus Syrien nach Deutschland kamen, ein Dach über dem Kopf bieten kann. Nun ist es die Stadt Leinfelden-Echterdingen, die auf dem Areal an der Leinfelder Straße sogar ein zweistöckiges Gebäude aus 132 Wohncontainern errichten lassen will. Bis zu 264 Menschen aus der Ukraine und anderen Krisenregionen der Welt könnten dort dann einmal leben – jeweils zwei in einem Container.
In weiteren mobilen Bauten sollen der Sanitärbereich, die Küche, Toiletten und Duschen, Waschräume, der Hausmeister, die Security und das Lager untergebracht werden. Weil es sich bei den Geflüchteten aus der Ukraine weitgehend um Frauen mit ihren Kindern und Enkelkindern handelt, wird es mehrere Gemeinschaftsräume geben, in dem sich die Familien begegnen können, wie Roman Stuiber, neuer Leiter des städtischen Amtes für soziale Dienste unserer Zeitung erklärt. Möglicherweise werden Spiel- und Bolzplätze eingerichtet. Das Containerdorf soll so angeordnet werden, dass ein Blick in die Wohnräume von der viel befahrenen Leinfelder Straße aus nicht möglich ist. Zumindest ein Wachmann soll zum Schutz der Bewohnerinnen dauerhaft am Platz sein.
Um vorhandenes Wissen zu nutzen und so Zeit und Kosten einzusparen, hat die Bauverwaltung Kontakt zu den Architekten aufgenommen, die das Camp auf dem Renault-Gelände für den Landkreis einst errichtet hatten. Anschlüsse für Abwasser und Wasser sowie notwendige Asphaltflächen und Einschotterungen sind teils noch vorhanden. Die Kommune muss für dieses neue Camp dennoch viel Geld ausgeben. Allein die Kosten für das Aufstellen und die Möblierung der Gebäude werden auf 2,8 Millionen Euro geschätzt. Hinzu kommen die Miete für die Container und die Personalkosten. Die Stadt rechnet mit einem Betrieb der Anlage von vier Jahren und mit insgesamt 12 Millionen Euro. Der Gemeinderat gab in seiner jüngsten Sitzung dennoch grünes Licht. Ein Bauantrag wurde vorbereitet und wird diese Woche eingereicht.
Die Stadt rechnet mit Kosten in Höhe von 700 Euro pro Person und Monat
Die Kommune wird von den Bewohnern eine Nutzungsgebühr verlangen. Dabei handelt es sich um eine Art Warmmiete, die aktuell bei rund 270 Euro pro Monat liegt, erläutert Stuiber. Eine Neuberechnung der Gebühr stehe aufgrund der steigenden Energiekosten an. Sie werde bei den ukrainischen Kriegsflüchtlingen vom Jobcenter übernommen. Dennoch muss die Stadt mit etwas mehr als 700 Euro pro Person und Monat rechnen, die von ihr zu bezahlen sind. Die Unterkunft soll bereits im ersten halben Jahr 2023 in Betrieb gehen. Das sei laut dem Amtsleiter aber abhängig davon, ob die passenden Container, die sehr begehrt seien und die es daher aktuell nicht zu kaufen gebe, so schnell erhältlich seien.
Notwendig ist der Bau des neuen Camps, weil die Zahl der Geflüchteten in Deutschland aktuell wieder sehr stark ansteigt. „Die Landesaufnahmestellen laufen über“, sagte Oberbürgermeister Roland Klenk in der Gemeinderatssitzung. Der Druck auf die Kommunen, Menschen in der Anschlussunterbringung aufzunehmen, wachse. Die Stadt Leinfelden-Echterdingen ist verpflichtet, in diesem Jahr weiteren 164 Geflüchteten ein Dach über dem Kopf zu bieten. Stuiber ergänzt: „Auch für das kommende Jahr müssen wir gewappnet sein“, sagt er. Genaue Prognosen seien allerdings schwierig.
Auch ein Büro und ein Hotel werden zur Unterkunft
Ziel der Stadt bleibe es, die Belegung von Sporthallen zu vermeiden, sagte Klenk in der Gemeinderatssitzung. Deshalb wird in Räumen an der Musberger Bunsenstraße, die bisher als Büro genutzt wurden, Platz für 120 Menschen geschaffen. In Echterdingen sollen im Hotel Filderhof noch bis Jahresende 60 Geflüchtete untergebracht werden. Die Stadt hat das Hotel für Geschäftsreisende, das an der Obergasse liegt, vom 17. Oktober an und vorerst für ein Jahr gemietet – mit Option auf Verlängerung. Der Betrieb habe seine Buchungen storniert, erklärt Stuiber. Das Hotel wandelt sich zumindest vorübergehend in eine Anschlussunterbringung.
Edeltraud Reichle-Kanthak (Grüne) wollte in der Gemeinderatssitzung wissen, ob die Wohncontainer für Frauen mit Kindern überhaupt geeignet seien. Sigrid Ott (Demokratie in Bewegung) sagte: „Wenn wir ein Hotel anmieten, wäre es sinnvoll dort die Frauen und Kinder unterzubringen.“ Karl Kizele (Freie Wähler) war es wichtig, dass die Stadt bevor sie Sporthallen belegt, beim Land in Sachen Flughafen und Messe vorstellig wird. Ein Vertreter des Jugendgemeinderates sprach sich dafür aus, auf örtliche Firmen zuzugehen. Möglicherweise gibt es dort Räume anzumieten, weil viele Mitarbeiter wegen der Corona-Pandemie im Homeoffice arbeiten.
Renault-Gelände
Mietcontainer und Zelte
Bis zu 300 Menschen haben in den Jahren nach 2015 im Camp gelebt, wie die Flüchtlingsunterkunft auf dem Renault-Gelände im Flecken bezeichnet wurde. Die Unterkunft bestand aus Miet-Containern und winterfesten Zelten. Als immer weniger Menschen nach Deutschland kamen und damit auch der Landkreis Esslingen weniger aufzunehmen hatte, hatte zunächst die Stadt Leinfelden-Echterdingen die Container für Geflüchtete und Obdachlose übernommen, dann aber abgebaut.
Parkplatz für Busse
Auf dem städtischen Grundstück waren bereits in den 80er- und 90er Jahren Flüchtlinge untergebracht gewesen. An dem Areal waren in der Vergangenheit auch verschiedene Investoren interessiert. Dauerhafte Lösungen, darunter ein Chinese Trade Center, wurden allerdings nie realisiert. Die Firma Rewe hatte während einer Neubauphase auf dem Gelände schon ein Verkaufszelt aufgeschlagen. Ein Busunternehmen nutzt es aktuell als Parkplatz.