Gemeinsame Eröffnung per Touchscreen statt eines roten Knopfs: Michael Bolle, Leiter des Bosch-Forschungszentrums, Kanzlerin Angela Merkel, MInisterpräsident Winfried Kretschmann und Bosch-Chef Volkmar Denner (von links) Foto: dpa

Feierlaune bei Bosch in Renningen: Mit viel Prominenz – darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsident Winfried Kretschmann – hat Bosch den neuen 310 Millionen Euro teuren Forschungscampus eröffnet.

Renningen - „Dies ist, wenn man so will, das Stanford von Bosch“, beschreibt Bosch-Chef Volkmar Denner das neue Forschungszentrum und spielt auf die US-Eliteuni an, weil in Renningen Ingenieure und Wissenschaftler aller Disziplinen vereint sind und sich austauschen können – ähnlich wie auf dem Gelände einer Universität viele Fakultäten vereint sind. „Das ist ein Tag, der den Geschäftsführer in mir stolz, den Naturwissenschaftler in mir beinahe neidisch macht“, bekennt er offen. „Hier wird gut forschen sein, könnt ich auch sagen, und deshalb schlägt das Herz des Physikers heute in mir deutlich höher.“ Vielleicht könne sie dieses Gefühl gut verstehen, spielt Denner den Ball der Physikerin Merkel zu. „Auf diesem Forschungscampus wären wir beide vielleicht noch einmal gerne dabei“, meint er beherzt.

Die Kanzlerin nimmt den Wink in ihrer Rede auf. Da beide Physiker der Physik abhanden gekommen seien, werde man wohl nie herausfinden, was gewesen wäre wenn nicht. „Mit diesem Forschungscampus setzt Bosch neue Maßstäbe“, lobt Merkel. Dabei habe Bosch den Anspruch, Ideen umzusetzen, die andere noch nicht einmal hätten. „Bosch will Entwicklungen voraus sein“, so die Kanzlerin. In Deutschland fehle es aber noch ab und an am unternehmerischen Geist. Zudem moniert sie, dass „unser Verhältnis zu Daten in vielen Fällen zu stark vom Schutzgedanken geprägt“ sei und nicht so sehr vom Gedanken, was man daraus für interessante Produkte machen könne. Deutschland müsse innovativer werden, sagt Merkel. Eine Chance sieht sie in der zunehmenden Digitalisierung des Industrie.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann freut sich, mit Bosch und dem Campus „ein Flaggschiff der Innovation im Bundesland zu haben“ und sieht das neue Forschungszentrum als eindruckvolles Bekenntnis für den Standort Baden-Württemberg. „Sie sehen mich deswegen als glücklichen Ministerpräsidenten vor sich“, sagt Kretschmann.

Merkel sorgt für Journalisten-Ansturm

Wasser in den Wein gießen will bei so einem Festakt keiner, doch der VW-Abgasskandal wirft auch hier seine Schatten. „Die Gefahr ist, dass Dieselmotoren in Misskredit geraten“, warnt Kretschmann. Dabei werde der Diesel beim Übergang zur E-Mobilität gebraucht – als Brückentechnologie, um die Ziele zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes zu erfüllen. Auch Denner betont die Bedeutung des Diesel. Der sei als Übergangslösung „noch lange Zeit“ unverzichtbar. Gleichzeitig warnt er mit Blick auf den VW-Diesel-Skandal vor zu strengen neuen Abgas-Grenzwerten. „Wenn man die Grenzwerte jetzt unrealistisch absenkt, so dass sie mit klassischen Verbrennungsmotoren nicht mehr erreichbar sind, dann tut man dem Verbraucher und der Industrie nichts Gutes.“ Man müsse die Balance zwischen Ankurbelung von Innovationen und wirtschaftlicher Machbarkeit halten, so Denner.

Zu möglichen Folgen des VW-Abgas-Skandals für Bosch oder möglichen Sparforderungen der Wolfsburger will er sich nicht äußern. Nur so viel: Bisher gebe es keine solchen Gespräche, auch spüre Bosch bisher keine Veränderung bezüglich des Dieselmarkts. Es komme jetzt darauf an, dass die momentane Verunsicherung bei den Verbrauchern schnell beseitigt werde.

Der Forschungsstandort Renningen

Nicht nur Reden, auch der Blick hinter die Kulissen steht an diesem Tag auf dem Programm. Ein kurzer Stopp mit der Kanzlerin in Sachen automatisiertes Fahren gefällig? „Da sitzt noch einer drin“, wundert sich Merkel, als sich das Auto in Gang setzt. „Aber der nimmt die Hände vom Lenkrad“, kontert ein Bosch-Manager gleich. Lächeln für die Fotografen und weiter geht es zum Agrarroboter namens Bonirob. Der ist die Entwicklung eines Bosch-eigenen Start-ups. Der Roboter könnte 2018 auf den Markt kommen und ist ein eindrucksvolles Beispiel wie es künftig bei den Bosch-Forschern laufen könnte. Zehn Prozent ihrer Arbeitszeit können sie an eigenen Projekten nach Lust und Laune tüfteln – und wenn’s gut läuft ihr „eigenes Ding“ als Gründer machen.

Mit dem Campus will Bosch den Gründergeist stärken. „Wir brauchen mehr Start-up-Mentalität gerade beim wissenschaftlichen Nachwuchs“, sagt Denner. Beim Bonirob greift die Kanzlerin schon mal selbst zur Fernsteuerung. „Danke für das Vorbereiten, hat ja gut funktioniert“, freut sie sich und entschwindet nach eineinhalb Stunden Bosch-Visite zum nahegelegenen Flugplatz.