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Als Bäcker muss man nachts aufstehen und in der Baubranche auch bei Regen vor die Tür. Vielen Jugendliche wissen nicht, was in der Arbeitswelt auf sie zu kommt und scheitern an der Realität.

Stuttgart/Berlin - Obwohl die Zahlen der abgebrochenen Ausbildungen in Baden-Württemberg besser als der Bundesdurchschnitt sind, warnt der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart, Andreas Richter, vor zu viel Optimismus „Jeder Azubi, der seine Lehre abbricht, ist einer zu viel“, sagt Richter. Die Abbrecherquote für Baden-Württemberg liegt bei etwa 20 Prozent. In der Region Stuttgart mit 18,8 Prozent sogar etwas niedriger. Nach Angaben des Bundesinstituts für Berufliche Bildung (BIBB) beendet bundesweit jeder vierte Lehrling seine Ausbildung vorzeitig.

Dafür gibt es verschiedene Gründe. Vielfach kommt es zum Konflikt zwischen dem Betrieb und dem Ausbildenden oder die jungen Menschen entscheiden sich aus persönlichen Gründen gegen die Fortführung der Ausbildung. Der Hauptgrund, warum Jugendliche häufig abbrechen, ist nach der Einschätzung von Richter die mangelnde Information der Schüler vor Ausbildungsbeginn. Junge Menschen treffen daher bei der Berufswahl die falsche Entscheidung und sind dann nach ein paar Monaten enttäuscht, dass die Ausbildung nicht ihren Wünschen entspricht. Die IHK fordert daher, dass das Thema Berufsorientierung in den Schulen viel stärker in den Fokus gerückt wird.

Für die Baubranche teilt Martin Schwenniger die Einschätzung der Handelskammer. „Jugendliche haben eine falsche Vorstellung, was es bedeutet bei Wind und Wetter auf dem Bau zu arbeiten“, sagt der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt Baden-Württemberg (IG BAU). Andere Beruf wären da schnell attraktiver.

Schlechte Bezahlung, lange Arbeitszeiten

Nach Ansicht von anderen Gewerkschaftsvertreten spielt die Qualität der Ausbildung eine entscheidende Rolle beim vorzeitigen Abbruch. Gerade im Gaststätten- und Hotelbereich mangele es in vielen Betrieben an guten Ausbildungskonzepten. „Es kommt oftmals zu Verstoßen gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz. Außerdem ist die Bezahlung nicht gut und die Arbeitszeiten sind lang“, sagt der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) Uwe Hildebrandt. „Die Problem mit Abbrechern sind in vielen Fällen hausgemacht“, so Hildebrandt. Ähnlich beurteilt die Situation auch Joachim Ruth, Ableitungsleiter Berufliche Bildung beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Auch er kritisiert die Gaststättenbranche, nennt aber auch das Nahrungsmittelhandwerk. Die Qualität vieler Ausbildungen leide unter der schlechten Bezahlung und den vielen Überstunden.

Die bundesweite Abbrecherquote der Auszubildenden im Jahr 2011betrug 24,4 Prozent. Die teilte die „Welt“ unter Berufung auf eine Auswertung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BiBB) mit. Die Zahl vorzeitig gelöster Ausbildungsverträge stieg von 142 242 im Vorjahr auf 149 760. Seit Anfang der 90er Jahre werden zwischen 20 Prozent und 25 Prozent der Ausbildungen vorzeitig abgebrochen. Der Wert für 2011 markiert einen Höchststand. Große Unterschiede gibt es zwischen den Berufen: Jeder zweite Kellner und Umzugshelfer beende seine Lehre nicht. Dagegen liege die Quote der Abbrecher unter Verwaltungsfachangestellten, Elektronikern und Bankkaufleuten weit unter zehn Prozent. Unter den Ländern verzeichneten Mecklenburg-Vorpommern und Berlin die höchsten Abbrecherquoten. Jeder dritte Ausbildungsvertrag werde dort vorzeitig aufgelöst.