So sieht es aus, das Herz aus dem 3-D-Drucker. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Etwa jedes hundertste Baby wird mit einem Herzfehler geboren. Dank des medizinischen Fortschritts kann den meisten geholfen werden. Für eine komplizierte OP haben Spezialisten in Stuttgart das kranke Herz im 3-D-Druckverfahren nachbilden lassen.

Stuttgart - Maxi hat das Stillliegen satt. Eifrig hebt sie das Köpfchen, strampelt mit ihren Beinen und versucht sich am Gitterbettchen aufzurichten. Ihre Mutter indes hat Mühe, die kleinen dünnen Schläuche zu entwirren, die doch die Einjährige mit all dem Notwendigen versorgen sollen, das ein Kind nun mal braucht, das erst vor wenigen Tagen am Herzen operiert wurde. „Sie ist unsere kleine Kämpferin“, sagt die Mutter – und der Stolz in ihrer Stimme ist unüberhörbar.

Maxis kämpferisches Herz ist ärztlich attestiert: Denn das Mädchen gehört zu den rund 300 Kindern, die hierzulande mit einem Herzen auf die Welt kommen, das sich nicht richtig ausgeformt hat. Schon früh wurde der werdenden Mutter gesagt, dass bei der Entwicklung des Kindes etwas nicht stimme. Von Behinderungen war die Rede, dann sah es erst aus, als würde Maxi außerhalb des Mutterleibs nicht überleben können. „Es war eine Risikoschwangerschaft, und wir mussten mit vielen Schreckensnachrichten fertig werden“, sagt die Mutter.

Letztlich lautete die Diagnose im fünften Monat der Schwangerschaft dann „Double outlet right ventricle“. Bei dieser Form der Fehlbildung entspringt die Hauptschlagader nicht der linken, sondern der rechten Herzhälfte. Zudem sind die normalerweise getrennten Hälften durch Löcher in der Herzscheidewand verbunden. Sauerstoffarmes und -reiches Blut vermischen sich, und es kann nicht mit ausreichendem Druck durch den Körper gepumpt werden. Bei Maxi kommt noch erschwerend hinzu, dass ihre Lungenarterie stark verengt ist.

Das Herz eines Säuglings: so groß wie eine kleine Mandarine

Im Olgahospital des Klinikums Stuttgart, wo Maxi versorgt wird, kennen sich die Ärzte auch mit komplexen angeborenen Herzfehlern aus. Schwangere, bei deren ungeborenen Kindern per Ultraschall ein Herzfehler nachgewiesen wurde, werden vor der Geburt auf die Eingriffe und die daraus folgenden Therapien vorbereitet. „Bei gravierenden Herzfehlern müssen die Kinder kurz nach der Geburt operiert werden“, sagt Frank Uhlemann, der Ärztliche Direktor der Kinderkardiologie im Olgahospital. Fast immer folgen weitere Eingriffe, bei denen das Organ so umgebaut wird, dass es dem eines gesunden Kindes gleicht.

Solche Operationen verlangen Filigranarbeit, denn das Herz eines Säuglings ist gerade einmal so groß wie eine Mandarine. Die spezialisierten Kinderherzchirurgen der Sana-Herzchirurgie, mit denen die Kardiologen des Klinikums Stuttgart zusammenarbeiten, tragen Lupenbrillen und arbeiten mit Pinzetten, die so winzig sind, dass ihre Spitzen nur einen halben Millimeter messen.

Obgleich in den vergangenen Jahren vielversprechende Fortschritte erzielt wurden, gelten solche Operationen noch als riskant und müssen genau geplant werden: Mithilfe von Computertomografen (CT) und Ultraschall, selten auch per Kernspintomograf, versuchen die Ärzte, sich ein genaues Bild vom Herzen zu machen. In Stuttgart griffen die Herzspezialisten des Klinikums noch auf ein neues Verfahren der Bildgebung zurück: Sie ließen anhand der CT-Daten das Herz von Maxi originalgetreu per 3-D-Druck nachbilden. „Wir wollten ausschließen, dass wir den Brustkorb des Kindes öffnen, um das Herz umzustrukturieren – und dann merken, dass diese OP nicht so ohne Weiteres durchgeführt werden kann“, sagt Ioannis Tzanavaros, Chefarzt der Kinderherzchirurgie bei der Sana-Herzchirurgie, der Maxi operiert hat. Etwa weil sich das Organ im Körper dann doch anders darstellt, als es die Ergebnisse aus den üblichen bildgebenden Verfahren vermuten ließen. „Unser Ziel ist, so kurz und so schonend wie möglich zu operieren.“

Ob Druckverfahren OPs sicherer machen, ist schwer zu beurteilen

Es gibt nicht viele Kliniken, die für eine Planung einer OP ein solches Verfahren einsetzen. Das bestätigt die Firma Materialise mit Sitz in München, die unter anderem solche medizinische 3-D-Druckverfahren anbietet und auch Maxis Herzmodell geschaffen hat. Meist werden sie nur zu sehr komplizierten Fällen angefordert, heißt es da.

Dennoch scheinen dreidimensionale Abbildungen von Organen vor allem in der Herzchirurgie immer beliebter zu werden: Ein Klinikum, das mit solchen Verfahren fast standardmäßig arbeitet, ist das Uniklinikum Erlangen. Hier setzt man insbesondere in der Kinderkardiologie schon seit 2010 auf die plastische Darstellung. „Allerdings verwenden wir keinen 3-D-Druck, der Geld und Zeit kostet, sondern nutzen ein Softwareprogramm, das – mit CT-Daten gefüttert – uns dann auf dem Monitor ein dreidimensionales Bild zeigt“, sagt Martin Glöckler, leitender Oberarzt in der Kinderkardiologie. Das passiert inzwischen bei jedem Patienten, von dem es Daten aus dem CT gibt. „Von den Chirurgen wissen wir, dass sich so OPs besser planen lassen.“

Ob solche Verfahren Herz-OPs sicherer machen, ist schwer zu beurteilen. „Je komplexer sich die Anatomie eines Organs auf zweidimensionalen Bildern darstellt, umso aufschlussreicher ist es, ein dreidimensionales Abbild am Monitor zu sehen oder ein Modell davon in den Hand zu halten“, sagt Jan Gummert, Direktor der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie am Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen und Vorstandsmitglied der Deutschen Herzstiftung. „Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen.“ Letztlich hänge der Nutzen solcher Modelle stark von dem subjektiven Empfinden des Operateurs ab. „In Studien wird sich dies kaum messen lassen.“

Zumindest bei Maxi hat sich die Vorsichtsmaßnahme gelohnt: So zeigte sich an dem Modell, dass die Herzkranzgefäße des Mädchens sehr dicht vernetzt sind. „Eine Verlegung der Körperarterien wäre zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich gewesen“, sagt Tzanavaros. Stattdessen wurde das Organ so stabilisiert, dass das Mädchen die nächsten Jahre gut leben kann. Wenn Maxi im Kindergarten ist, könnte dann ihr Herz endgültig umgebaut werden. „Das bedeutet in der Summe mehr Eingriffe, aber jeder für sich ist schonender“, so Uhlemann. Ob sie für die Vorbereitung wieder Maxis Herz als Modell drucken? „Vielleicht“, sagt er. Die Premiere habe sich gelohnt.

So häufig sind Herzfehler

Häufigkeit: Eines von hundert Neugeborenen hat ein fehlgebildetes Herz oder fehlgebildete Herzgefäße. Ohne ärztliche Hilfe würden rund 80 Prozent dieser Kinder in den ersten zwei Lebensjahren sterben. Heute werden angeborene Herzfehler meist relativ früh diagnostiziert und operativ oder per Herzkatheter behandelt. Dadurch erreicht der Großteil aller Betroffenen das Erwachsenenalter – in Deutschland mehr als 90 Prozent.

Ursachen: Besonders empfindlich für Fehlbildungen des Herz-Kreislauf-Systems ist der Embryo im ersten Drittel der Schwangerschaft. Zu den möglichen Ursachen zählen hoher Alkoholkonsum oder Infektionskrankheiten während der Schwangerschaft sowie Diabetes, genetische Defekte des Embryos wie Trisomie 21, aber auch Erbkrankheiten.

Kontrolle: Experten fordern ein standardisiertes pränatales Erkennungsprogramm für angeborene Herzfehler sowie ein flächendeckendes nachgeburtliches Screening.