Wer sagt, dass er keine Marotte hätte, lügt. Angewohnheiten und Ticks hat jeder. Ob sie seltsam, auffällig oder krankhaft sind, ist oft schwer zu unterscheiden. Ein weit verbreitetes Phänomen ist Skin Picking.
Knibbeln, fummeln, fingern, nesteln, bosseln, pulen, friemeln: Es gibt viele Synonyme für das, was man mit seinen Fingern anstellen kann. Unbewusst wandern die Hände zum Mund und zur Nase, zu den Ohren und an den Kopf. Es wird gejuckt und gekratzt, abgebissen und ausgerissen, gebohrt und geknetet.
An Haut, Haaren, Lippen, Nägeln und Zähnen herumzufingern kann bei Stress beruhigen. Doch immer, wenn etwas außer Kontrolle gerät, im Übermaß oder unbewusst geschieht, kann eine Marotte zum Tick und schlimmstenfalls zur psychischen Störung mutieren.
Skin Picking: Was ist das?
- In der Medizin wird dieses weitverbreitete Phänomen als „Skin Picking Disorder“ bezeichnet, was übersetzt so viel wie Haut-Aufkratzen-Störung bedeutet.
- Notorische Knibbler heißen Skin Picker. Skin Picking ist eine offizielle psychische Erkrankung und wird in der Psychiatrie in der Kategorie „Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle“ eingeordnet.
- Die Skin-Picking-Störung gehört zu den sogenannten Impulskontrollstörungen. In der Medizin heißt der Fachbegriff hierfür Dermatillomanie – von griechisch „derma“ ( Haut), „tillein“ (rupfen) und „mania“ (Begeisterung, Wahnsinn).
Wie äußert sich Skin Picking?
Ein bisschen drücken ist nicht schlimm, aber sehr viele quetschen und kratzen an der Haut bis sie blutet. Wenn das Skin Picking über mehrere Wochen oder Monate anhält Hautschäden sichtbar werden, ist das ein Alarmsignal.
Auch wie sehr das Problem den Alltag beeinflusst, spielt dabei eine Rolle. Viele schämen sich für die Entzündungen oder die Narben und isolieren sich.
Seelisches Ventil
- Skin Picking ist häufig ein Ventil und tritt auf, wenn man Stress hat, angespannt oder überfordert sowie heftigen Emotionen wie Wut oder Trauer ausgesetzt ist. Viele kratzen, drücken oder quetschen auch bei Langeweile.
- Um das Problem angehen zu können, müssen Betroffene den Auslöser und typische Knibbel-Situationen finden.
- Zwar ist Skin Picking in erster Linie ein psychisches Problem. Dennoch kann der Hautarzt helfen, größere Schäden wie Narben oder Entzündungen zu verhindern. Narben sollten dann mit Kortison oder Cremes auf Silikon-Basis behandelt werden.
Mehr als eine Marotte
Marotten sind Angewohnheiten, die für einen selber völlig normal sind und die andere indes als seltsam und schräg betrachten. Dazu gehört auch das Herumfingern am Mund. Immer wieder wandern die Finger zur Ober- und Unterlippe.
Aus hygienischen Gründen sollte man dies besser sein lassen, da die menschlichen Griffel echte Keimschleudern sind. Auf den Händen tummeln sich Dutzende verschiedene Bakterien wie beispielsweise Darmkeime (Enterokokken) und, Eiterkeime (wie Staphylococcus Aureus oder Acinetobacter, ein Keim, der bei immungeschwächten Menschen Infektionen verursachen kann).
Verhaltenstherapie kann helfen
Aus Scham verstecken Betroffene häufig ihre Knibbel-Manie. Wer merkt, dass er sich selbst nicht helfen kann, sollte sich Hilfe suchen. Entweder über den Hausarzt oder gleich bei einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, der kognitive Verhaltenstherapie anbietet.
Bewährt hat sich – vor allem bei schweren Verlaufsformen – eine Kombination aus Verhaltenstherapie und Medikation (spezielle Antidepressiva oder Neuroleptika). Bei erfolgreicher Therapie kommt es meist zur deutlichen Verbesserung der Symptomatik.
Willensanstrengung alleine reichen oft nicht aus. Verhaltenstherapeuten raten bei exzessiven Nägelkauen (Fachbegriff: Onychophagie) oder beim Skin Picking zu einem sogenannten Reaktions-Umkehr-Training, einem verhaltenstherapeutisches Verfahren, um nervöse Verhaltensangewohnheiten zu behandeln. Dabei soll man sich bewusst werden, in welchen Situationen und warum man zwanghaft handelt und Alternativen entwickeln.