Rainer Adrion ist seit 43 Jahren Mitglied des VfB Stuttgart. Jetzt erhebt der frühere Trainer in Sachen Führungschaos die Stimme. Foto: Baumann

Die Führungskrise beim VfB Stuttgart spitzt sich immer weiter zu. Und Aufsichtsrat Rainer Adrion will nicht länger zuschauen, wie der Verein beschädigt wird – aber wie lässt sich der Blick nach vorne richten?

Stuttgart - Rainer Adrion hat genug. Von all diesen Vorwürfen, Indiskretionen und Verschwörungstheorien, die den VfB Stuttgart seit Wochen umgeben und den Fußball-Bundesligisten in ein Führungschaos gestürzt haben. 67 Jahre ist Adrion mittlerweile alt. Er hat das Trikot mit dem roten Brustring selbst getragen und auch VfB-Mannschaften trainiert. Im März des vergangenen Jahres wurde er in den Aufsichtsrat der VfB AG bestellt, und an der Mercedesstraße gilt er als einer der Letzten, die den Blick für das Ganze noch nicht verloren haben.

 

Nun macht sich Adrion so große Sorgen um den Verein, dem er seit 43 Jahren angehört, dass er nicht mehr ruhig sein mag. Anlass sind Medienberichte darüber, dass die Mitgliederversammlung zur Ausgliederung der Profisparte 2017 manipuliert worden sein soll. „Der Sachverhalt wurde vor knapp dreieinhalb Jahren voll umfänglich untersucht und aufgeklärt, natürlich auch von externen Experten. Es ist ungeheuerlich, in welchem Maße da vielen Mitarbeitern kriminelles Vorgehen unterstellt wird“, sagt Adrion, der nicht nachvollziehen kann, dass im Zusammenhang mit der Datenaffäre ein Thema hochkocht, das mit der Aufklärung der unrechtmäßigen Weitergabe Zehntausender von Mitgliederdaten nichts zu tun hat.

Ausführliche Klarstellung des VfB

Doch um sachliche Argumente geht es schon lange nicht mehr. Offenbar wird immer weiter versucht, die Glaubwürdigkeit des VfB zu untergraben. Weshalb man sich veranlasst sah, eine lange Klarstellung zu veröffentlichen. Die Kernbotschaft: Nur eine mittlere zweistellige Zahl von Mitgliedern habe sich damals an den VfB gewandt. Aufgrund technischer Fehler hätten sich die Betroffenen nicht an der Abstimmung beteiligen können. Es waren jedoch mehr als 12 000 Mitglieder vor Ort. Neben vieler Details zu den Abläufen benennt der VfB jetzt auch nochmals den Notar, der die ordnungsgemäße Durchführung beurkundete: Hagen Krzywon.

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Veröffentlicht hat das Papier die VfB AG, die es zum besagten Zeitpunkt ja noch gar nicht gab. Doch der eigentlich zuständige VfB e. V. ist nicht mehr handlungsfähig, denn das Präsidium ist zerstritten. Präsident Claus Vogt auf der einen Seite des großen Grabens sowie die weiteren Präsidiumsmitglieder Bernd Gaiser und Rainer Mutschler auf der anderen Seite belauern sich nur noch gegenseitig. Im Zuge der Selbstzerfleischung richteten sich angeblich zwei Vereinsmitglieder mit ihrem Manipulationsverdacht an die Ermittler von Esecon – der Kanzlei, die den Datenskandal untersucht. Aber noch ehe alle entsprechenden Gremienmitglieder den Abschlussbericht in Händen hielten, landeten die Informationen bereits beim Nachrichtenmagazin „Spiegel“.

Fundamental wichtige Entscheidungen stehen an

Jetzt erscheinen die VfB-Verantwortlichen noch mehr in einem schlechten Licht. Zumal mit den zuvor erwähnten Mitgliedern damals ausführlich gesprochen wurde und die Sache aus der Welt schien. „Offenbar wird von unterschiedlichen Seiten versucht, den VfB zu beschädigen“, sagt Adrion, der Wert darauf legt, dass er nicht in seiner Funktion als Aufsichtsrat spricht, sondern als Teil der Koordinierungsgruppe zur Aufklärung der Datenaffäre sowie als einfaches Mitglied.

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Unmittelbar vor fundamental wichtigen Entscheidungen steht der VfB. Die juristische Bewertung des Abschlussberichts läuft, und die Konsequenzen daraus sollen möglichst diese Woche veröffentlicht werden. Ebenso dringlich ist der Beschluss, wann denn nun die nächste Mitgliederversammlung stattfinden soll. Am 18. März, wie geplant, oder erst im September, wie von Vogt angestrebt?

Fristgerecht muss die Einladung bis Mittwoch, 10. Februar, für den frühen Termin erfolgen. Zu diesem Zeitpunkt will auch der Vereinsbeirat die zwei Präsidentschaftskandidaten benennen, die zur Wahl stehen sollen. Und noch immer befürchtet Vogt, nicht nominiert zu werden. Das alles hat dazu geführt, dass der VfB im Dilemma steckt. „Es wird aber Zeit, den Blick in die Zukunft zu richten, Lösungen zu suchen und auch schnell zu präsentieren“, sagt Adrion, der nicht der Einzige ist, der genug von der Führungskrise hat.