Welches Verkehrssystem passt am besten nach Ludwigsburg? Die Stadt setzt auf Schnellbusse wie hier in Brasilien. Viele Stadträte und auch der Landrat favorisieren aber eine Stadtbahn. Foto: red

Kann Ludwigsburg Fahrverbote auf den Straßen noch abwenden? Der OB setzt ganz auf den Einsatz von Schnellbussen – und verärgert damit große Teile des Gemeinderats. Der Ton wird wieder deutlich rauer.

Ludwigsburg - Hätte es einer Bestätigung bedurft, welches Thema ganz oben auf der Agenda in Ludwigsburg steht: Jetzt ist es klar. Über das drohende Diesel-Fahrverbot hat der Gemeinderat in der vergangenen Woche beraten, und noch vor der Sitzung hatte der Oberbürgermeister Werner Spec zu einer Pressekonferenz geladen, um seine Vision von der Mobilität der Zukunft zu entfalten.

An diesem Mittwoch bat das Rathaus die Presse erneut zum Gespräch, um Spec mit nahezu gleichen Worten erklären zu lassen, was Ludwigsburg gegen die dreckige Luft unternehmen wird. Ausbau der Lade-Infrastruktur für E-Autos, modernes Parkraummanagement, moderne Verkehrsleittechnik, Reaktivierung der Schienenstrecke nach Markgröningen: Unter anderem das soll die Stickstoffbelastung unter den kritischen Wert drücken. „Wir sind zuversichtlich, dass uns das in den nächsten zwei bis drei Jahren gelingt“, sagte Spec.

90 Städte hat die Deutsche Umwelthilfe wegen der Luftverschmutzung ins Visier genommen, darunter Ludwigsburg. Will die Barockstadt verhindern, dass ein Gericht bald ein Fahrverbot anordnet, muss die Luft schnell sauberer werden. Doch Paradoxerweise rückt jetzt wieder ein Projekt ins Zentrum, das keine schnelle Lösung bietet: der Aufbau eines Schnellbusnetzes, eines Bus-Rapid-Transit-Systems (BRT), in Ludwigsburg – und von dort bis nach Remseck.

Werner Spec wirbt ohne Unterlass für die Busse

Es ist das Lieblingsvorhaben von Werner Spec, was auch daran liegen mag, dass Ludwigsburg damit Neuland betreten würde. Schnellbusse mit rein elektrischem Antrieb – so etwas gibt es sonst nirgends auf der Welt. Was Siegfried Balleis, den Sonderbeauftragten für das Sofortprogramm „Saubere Luft“ des Bundesverkehrsministeriums, beim Pressegespräch zu der höchst sonderbaren Bemerkung motivierte, Ludwigsburg habe die Chance, „den Mantel der Geschichte zu ergreifen“.

Das sind Wasser auf die Mühlen von Spec, der offiziell zwar betont, er halte sich strikt an die 2017 beschlossene Doppelstrategie. Diese besagt, dass der Bau einer Stadtbahn und der Bau des Schnellbusnetzes gleichrangig geprüft und gegebenenfalls vorangetrieben werden sollen. Tatsächlich nutzte er die Pressekonferenzen und die Gemeinderatssitzung aber für eine BRT-Werbekampagne, wobei Spec den Begriff Bus hartnäckig meidet. Er spricht von der „schienenlosen Stadtbahn“, die den öffentlichen Nahverkehr revolutionieren soll. Sein Mantra: Die schienenlose Bahn sei besser, günstiger und schneller zu realisieren als ihr Pendant auf der Schiene.

Erreicht hat er damit lediglich, dass seine Kritiker wieder erwacht sind. „Wir wollen die Stadtbahn, das ist die beste Lösung“, konterte Margit Liepins, die SPD-Chefin, im Gemeinderat. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Michael Vierling wagte zu fragen, ob es sich beim „BRT um eine Zwischentechnologie handle“, und mahnte an, dass die Stadt bisher viel zu wenig gegen die Luftverschmutzung unternommen habe. Der Oberbürgermeister reagierte, wie er öfter reagiert: Mit einem verbalen Rundumschlag. „Ideologisch und heuchlerisch“ seien Vierlings Aussagen, erwiderte Spec, um dann der SPD vorzuwerfen, sie betreibe Politik gegen sozial schwache Menschen, weil diese von Fahrverboten besonders betroffen wären. Was Liepins zu der nüchternen Klarstellung veranlasste, sie befürworte keine Fahrverbote, sondern eine Stadtbahn. „Sie werden uns wohl zugestehen, noch eine eigene Meinung zu haben“, schimpfte die Lubu-Stadträtin Elga Burkhardt in Richtung Oberbürgermeister. „Mittlerweile hält Herr Spec wohl jeden für einen Feind, der nicht für seine Busse ist“, sagte ein anderer Stadtrat nach der Sitzung.

Die Luft ist sauberer geworden

Dabei gehen Experten längst davon aus, dass es unmöglich ist, mithilfe von Schnellbussen Fahrverbote abzuwenden. 2020 sollen, hofft Spec, die ersten BRT-Busse unterwegs sein. Selbst das ist ambitioniert, weil noch nicht einmal klar ist, wo die Trassen verlaufen sollen: Soll ein Schnellbus schnell sein, braucht er eigene Fahrspuren. Über das Dieselverbot wird aber sowieso viel früher entschieden. „Jetzt geht es darum, die Gerichte zu überzeugen, dass die kurzfristigen Maßnahmen greifen“, erklärte Uwe Lahl, Ministerialdirektor im Landesverkehrsministerium, am Mittwoch. Was in drei Jahren oder später passiere, interessiere in dem Zusammenhang eher nachrangig.

Gleichwohl sieht Lahl gute Chancen, dass Ludwigsburg um Verbote herumkommt. Die Luft ist immer sauberer geworden, was auch daran liegt, dass die Autos immer sauberer werden. 51 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Luft wurden 2017 im Jahresmittel gemessen, im laufenden Jahr wird der Wert voraussichtlich unter 50 sinken, erlaubt sind 40 Mikrogramm. Ludwigsburg nähere sich „langsam dem Grenzwert“, sagte Lahl, weshalb die Situation günstiger als in vielen anderen Kommunen sei, etwa in Stuttgart.

Zur BRT-Debatte äußerte sich der Mann aus dem Ministerium dann auch noch: Das Land werde genau beobachten, ob es Ludwigsburg gelinge, Platz für Schnellbusse zu schaffen – denn das sei die entscheidende Frage, egal ob beim Bau der Bus- oder der Bahntrassen. „Bahn oder Bus – irgendwann wird man sich entscheiden müssen.“ Im Juni sollen für beide Projekte Kostenberechnungen vorliegen. Danach soll die weitere Vorgehensweise beraten werden.