Szenisch ist die Premiere von Wagners "Lohengrin" in der Staatsoper Stuttgart ein Desaster. Der Name des Regisseurs wurde zuvor aus dem Programmheft gestrichen.

Stuttgart - Szenisch ist die Premiere von Wagners "Lohengrin" in der Staatsoper Stuttgart ein Desaster. Der Name des Regisseurs wurde zuvor aus dem Programmheft gestrichen. Vorausgegangen war dem ein Streit mit Generalmusikdirektor Manfred Honeck.

"Mein lieber Schwan!", singt Lohengrin, der Held, dessen Name nicht genannt werden darf. Zu seinen Worten lässt Stanislas Nordey, der nach einem Streit mit Stuttgarts Generalmusikdirektor Manfred Honeck seine Arbeit niederlegte und deshalb als Regisseur im Programmheft nun auch nicht mehr genannt werden darf, weiße Papierschnipsel vom Schnürboden auf die Bühne regnen.Als es später in Rot rieselt, hat das Theater längst vor der Dekoration und hat die Analyse vor dem kitschigen Bild die Waffen gestreckt.

Zu sehen ist eine Bankrotterklärung des kritischen Geistes vor einem Begriff von Schönheit, der sich in plumpen Arrangements von Schwarz-Weiß-Gegensätzen und symmetrischen Personen-Arrangements erschöpft.

So sitzen und stehen im ersten Akt die Sänger des Staatsopernchores (über eben dieser Sitz- und Stehordnung zerstritten sich vor allem Regisseur und Dirigent, und bei aller Prägnanz im Chorgesang scheinen etliche Wackler von akustischen Irritationen zu künden) in vier Reihen starr im Hintergrund. Vorne taucht derweil ein Protagonist nach dem anderen aus der Unterbühne auf, singt an der Rampe, ringt dazu stereotyp die Hände und drapiert sich dann je nach Kostümfarbe - die Bösen sind schwarz, die Guten weiß - auf der einen oder der anderen Seite der Vorderbühne.

Dabei erinnern die Gesten der Personen ein bisschen an Inszenierungen Robert Wilsons, und bei ihrer schematischen Positionierung kommt einem unweigerlich immer wieder der barocke Regie-Rekonstruktionsversuch in den Sinn, den im Februar die Karlsruher Händel-Festspiele unternahmen. Leider nur ist Wagners "Lohengrin" kein Stück des 18. Jahrhunderts, sondern eine durch und durch romantische Oper.

In der Stuttgarter Inszenierung des Stücks wird nicht gefragt. Emmanuel Clolus (Bühne), Philippe Berthomé (Licht) und Raoul Fernandez (Kostüme) haben die Oper nur ausgestattet - eben so, wie im Programmheft ganze 24 Seiten einfach nur Grau und Schwarz sind. Ein dekoratives Armutszeugnis. Da fehlen einem die Worte. Warum nur wurde Nordeys Konzept in einem Haus mit der analytischen Tradition der Staatsoper Stuttgart nicht schon weit im Vorfeld abgeschmettert?

Nach der Premiere zeigte sich keiner aus dem Produktionsteam. Das Publikum begeisterte sich einhellig - vor allem für den Dirigenten. Tatsächlich hat Manfred Honeck Exquisites geleistet: Fein tönten zumal die Streicher des Staatsorchesters, das dynamische Spektrum wie auch das singende Legato, das Stuttgarts Generalmusikdirektor hier sehr schön kultivierte, wirkten extrem weit. Nur manche Unschärfe, manche Unsicherheit zumal bei den Bläsern hätte man lieber nicht gehört. Und gelegentlich spürte man (vor allem bei etlichen extrem lauten Passagen), dass hier einer bei seinem ersten Wagner-Dirigat so richtig die Muskeln spielen lassen wollte.

Doch immerhin zeigt Honeck Profil. Das tut dem Haus gut, dem Stück - und den Sängern, denen er geradezu liebevoll zur Seite steht. Wolfgang Koch, der zuletzt an der Bayerischen Staatsoper München einen intensiven und profilierten Doktor Faustus sang, ragt unter ihnen heraus: Sein Telramund lebt von großem Aus- und Nachdruck, von Präzision und intensiver Darstellung. Neben ihm glänzt auch Barbara Schneider-Hofstetter als farbintensiv singende Ortrud. Dass man sie wie auch die im Bereich der tiefen und der Mittellage überzeugende, in der Höhe eher spitze Elsa der US-amerikanischen Sängerin Mary Mills kaum versteht, kompensiert die Übertitelung.

Vor allem im tiefen Register bietet Attila Yun (Heinrich) Exzellentes. Adam Kim gibt einen zwar sehr starren, ansonsten aber tadellosen Heerrufer. Ob die schwache Leistung, die der tonlich unstete, enge und stimmlich wie darstellerisch extrem statisch wirkende Einspringer Scott MacAllister in der Titelpartie ablieferte, Rückschlüsse auf die Qualität des von Honeck ebenfalls kurzfristig geschassten Lance Ryan zulässt, weiß man nicht.

Der musikalischen Qualität der Staatsoper, für die sich der Dirigent zurzeit so kompromisslos verkämpft wie Herkules im Augiasstall, war der Tenor nicht zuträglich.

Doch das Publikum spendete auch ihm freundlichen Beifall. So endete, was als Skandal begonnen hatte, als nahezu konzertante Oper in eitler Harmonie. Musiktheater, das seinen Reiz aus der Spannung zwischen Klang und Szene bezieht, war dieser "Lohengrin" allerdings eigentlich nicht.