Edeltraud John wusste Interessantes zur Dischinger Burg zu berichten, deren Überreste im Hintergrund zu sehen sind. Foto: Müller-Baji

Edeltraud John führte die Besucher bei der 22. Auflage des literarisch-geschichtlichen Spaziergangs auf steilen Wegen zur Dischinger Burg.

Weilimdorf - Der Treffpunkt war noch wenig poetisch: Unter der Brücke der B295, beim Waldheim Lindental kam man zusammen, um bei einem weiteren Literaturspaziergang von Bezirksamt, Forum, Heimatkreis und den Naturfreunden Weilimdorf „die Herren von Tischingen und die Räuberburg“ zu entdecken. „Ein so herrliches Wetter wie gestern habe ich bestellt“, hatte Edeltraud John in der Einladung angekündigt. So viel Optimismus kann auch schiefgehen, nicht aber am Sonntag, als sich eine bemerkenswert große Gruppe bei strahlendem Sonnenschein auf den Weg machte.

„Mit so vielen Teilnehmern hätte ich nicht gerechnet, auch wegen der Steigung“, sagte Edeltraud John erfreut und zitierte zur Einstimmung Walther von der Vogelweide (1170 bis 1230) als wohl bekanntesten Dichter des Mittelalters und wusste auch Interessantes über sein Berufsprofil zu berichten: Minnesänger seien üblicherweise von Hof zu Hof gezogen, hätten dabei die Neuigkeiten mitgebracht und so durchaus Einfluss auf Politik und Diplomatie gehabt.

Das Leben der Edelfräulein war wenig glamourös

Auch Literat und Mittelalterkenner Ludwig Uhland (1787 bis 1862) kam zu Wort, passend zur Jahreszeit: Edeltraud John trug das am 21. März 1812 entstandene Gedicht „Frühlingsglaube“ vor: „Die linden Lüfte sind erwacht“, heißt es darin. Sie wuchsen sich am Sonntag freilich hin und wieder zu rechten Böen aus. Und der berühmt gewordene Refrain „Nun muss sich alles, alles wenden“ nahm irgendwie den sich windenden Weg hinauf zur Dischinger Burg voraus. Es war Sportsgeist gefragt: „Sehr interessant bisher, ich habe aber ein bissle was auf dem Weg herauf vergessen“, fasste eine Teilnehmerin zusammen.

Oben angelangt, zeigte sich, dass es bei den alten Rittersleut sehr viel karger zuging als in den Hollywood-Hochglanz-Ritterfilmen dargestellt. Und auch das Leben der Edelfräulein war wenig glamourös: Wie im Vortrag von Edeltraud John immer wieder anklang, wurden sie möglichst gewinnbringend verheiratet – die Adelsehe als Mittel des Machtzuwachses. Auch interessant: Es scheint keine historisch verbrieften Hinweise zu geben, die die volkstümliche Bezeichnung „Räuberburg“ rechtfertigen würden.

Von den Dischingern ist nicht viel geblieben

Soviel lässt sich aber sagen: Es muss beengt zugegangen sein in der im späten 12. Jahrhundert erbauten Dischinger Burg. Sie diente wohl dazu, den Fernweg zwischen Stuttgart und Ditzingen zu sichern und war eher auf Höhe als auf Breite angelegt: Eine zehn Meter hohe Schildmauer sicherte die Anlage, zu der es offenbar nur Zugang für Mensch und Pferd gab, nicht aber für Karren. Überragt wurde sie von einem auf 20 Meter Höhe geschätzten Turm mit bis zu drei Meter starken Wänden und Fachwerkaufsatz. John erläuterte, dass es damals keinen Wald gab, der die Sicht verdeckt hätte, so dass man die ganze Umgebung überblicken konnte.

Trotzdem ist nicht viel geblieben von den Dischingern: Das Wappen mit den charakteristischen Hörnern sowie einige Fundstücke aus den Fundamenten – Keramikscherben, Schlüssel, abgefeuerte Armbrustbolzen. Letztere lassen den Schluss zu, dass die Burg belagert und dabei möglicherweise stark beschädigt wurde. Im Spätmittelalter hat man jedenfalls ihre Steine abgetragen und wiederverwertet. Die Edelknechte selbst scheinen ganz unspektakulär im Leonberger Bürgerstand aufgegangen zu sein.

Wo einst belagert wurde, lagert und picknickt man heute höchstens noch an der nahegelegenen Grillstelle. Dort endete der spannende Sonntagsausflug ins Mittelalter, das sich vielleicht anders gezeigt hatte, als erwartet. „Gut war’s, frische Luft haben wir gehabt – und Steigung“, unterstrich eine Spaziergängerin resümierend. Und das mit den „linden Lüften“ kommt sicher auch noch.

Info Beim 23. literarischen Spaziergang führt Peter Hanle am Dienstag, 14. Mai, um 14.30 Uhr von der Reisachschule, Maierwaldstraße 14, aus zum Thema „Der Lemberg und das Kotzenloch“.