Auftritt im Beethovensaal der Liederhalle: Konzertchor und Sinfonieorchester Foto: Liederkranz

Der Stuttgarter Liederkranz beschäftigt sich mit der Frage, wie er interessant für die Musikfans bleibt und eine attraktive Adresse für sangesfreudige Menschen ist.

Das waren noch Zeiten, als sich der Stuttgarter Liederkranz rühmen konnte, ein gesellschaftlich schwergewichtiger Intelligenzzirkel zu sein, der den Freiheitsgeist des Dichterfürsten Friedrich Schiller in dessen unmittelbarer Nachfolge weiter pflegt. Viele kluge Köpfe wirken auch heute noch im Sinne eines guten Weiterwirkens des Liederkranzes. Die Themen, die sie heute beschäftigen, sind da aber vergleichbar profaner Natur. Es geht ums Hier und Jetzt, um die Frage, wie dieser Chor interessant für die Musikfans bleibt und eine attraktive Adresse für sangesfreudige Menschen ist.

Eine noble Adresse

Nach wie vor hat der 1824 gegründete Liederkranz eine noble Adresse: Geschäftsführung und der vereinseigene Schubertsaal sind Teil der Liederhalle am Berliner Platz. Damit der Liederkranz fit ist für kommende Zeiten, wurde er gründlich neu aufgestellt. Das gilt für die vierköpfige Vorstandsetage – dazu der Geschäftsführer Stephan Oehler: „Wir vier verstehen uns sehr gut, deshalb haben wir beschlossen, die Neuorganisation gemeinsam zu übernehmen – das gilt auch für die künstlerische Leitung: Andreas Großberger hat die seit 2019 inne. Zuvor gründete er 2017 den Kammerchor „Stuttgart vocal“ im Liederkranz. Großberger kennt die Stuttgarter Gesangsszene gut: Er war beim SWR-Vokalensemble tätig und war bis 2016 Domkantor in St. Eberhard.

Ambitionierte Programme und lockeres Mitsingen

Und so präsentiert sich der Liederkranz heute: Da gibt es den Konzertchor mit weltlichen und geistlichen Werke der klassischen Chorliteratur für große gemischte Besetzungen im Repertoire. Dazu kommen sinfonische Chormusik, Opernwerke und Oratorien sowie selten gespielte Werke. Dann gibt es eben „Stuttgart Vocal“ mit etwa 35 Sängerinnen uns Sänger, die derzeit an einem Programm mit Werken von Brahms, Bach und Mendelssohn arbeiten. Das sind Musikstudenten und -lehrer und sehr ambitionierte Amateuren. Hier soll auf hohem Niveau kammermusikalisch musiziert werden.

Und es gibt jetzt „SLK plus“, wo es etwas lockerer zugeht. Madrigale werden da eingeübt, aber auch Musicals. Deren Leiter ist Ulrich Walddörfer. Er führte den Liederkranz von 1995 an, stellte große Opern- und Konzertprogramme zusammen, war mit dem Liederkranz auf Auslandstourneen unterwegs. Und es gibt das hauseigene Sinfonieorchester als verlässlichen Begleiter. Auch das ist ein großer Vorteil gegenüber anderen Chören, dass hier eine verlässliche instrumentale Basis schon vorhanden ist, die nur zu bestimmten Anlässen mit speziellen Instrumentengruppen zusätzlich aufgestockt werden muss. Und die Musiker machen auch eigene Programme jenseits des Chors.

Nicht ausruhen auf der Tradition

Vor allem mit Großberger als Dirigent sieht Oehler den Liederkranz gut aufgestellt für kommende Zeiten: „Großberger hat eine sehr große Kompetenz und er versteht es hervorragend zu motivieren. Das ist ein großes Kapital“, so Oehler. Das sieht er auch an seinem eigenen Werdegang: „Mehr als 40 Jahre war ich in verschiedenen Chören als Sänger aktiv, dann wurde ich auf den Liederkranz aufmerksam gemacht“, so Oehler. „Klar, die Erwartungen sind groß an die neuen Stimmen. Man muss da schon vorsingen, um aufgenommen zu werden. Aber die Mühen lohnen sich.“ Einiges, was viele Chöre heute machen wie Ausflüge in den Pop- oder Jazzbereich, das gibt es im Liederkranz nicht. „Wir machen dafür auf andere besondere Werke aufmerksam. Für den November haben wir ein Stück von Edward Elgar eingeplant. Das gibt es sehr selten auf den Spielplänen“, so Oehler. Denn klar ist: „Wir als Liederkranz haben unsere besondere Herkunft, wir haben das entsprechende Bewusstsein und das ist ja auch ablesbar an unserer Adresse und dem Schubertsaal“, so Oehler: „Aber wir können uns nicht darauf ausruhen, wir müssen attraktiv bleiben und uns weiter entwickeln“. Und so ist nun einiges unternommen worden, damit der Liederkranz weiter eine Top-Adresse bleibt im Stuttgarter Chorgesang.