Früher traf man sich den den Lichtstuben zum spinnen, stricken und nähen. Foto: dpa

Abends kamen bis ins 20. Jahrhundert die jungen Frauen reihum in Lichtstuben zusammen.

War das Tagwerk getan, kamen in den langen Nächten des Jahres bis ins 20. Jahrhundert die jungen Frauen reihum in Lichtstuben zusammen, um zu spinnen, zu stricken, zu nähen: in geselliger Runde emsig an ihrer Aussteuer zu arbeiten - nicht nur, um Licht zu sparen.

"Daß solche Lichtkertze von ledigen Mannßpersonen niemalen leer seyen", versetzte von November bis Februar geistliche und weltliche Obrigkeit in erhöhte Alarmbereitschaft: Der spielerische Umgang der Geschlechter rief sie auf den Plan - und am liebsten hätten sie seit dem 16. Jahrhundert, evangelisch (wie in Schwenningen) oder nicht (wie in der katholischen Reichsstadt Rottweil 1546), alle Fasnetsmummerei und Lichtstubenherrlichkeit verboten. Die Burschen pflegten die Mädchen zu vorgerückter Stunde in ihrer Lichtkarz zu besuchen, mit ihnen zu scherzen, zu tanzen, sie nach Hause zu begleiten.

Als "Treibhaus der Unsittlichkeit" galt Hütern der Moral seit je die Lichtstube: Die Kirchenkonvente bekämpften das Schmausen und Schmusen - und den Schmus: das "Leutaustragen", wenn sie nicht nur als Hochzeitsmarkt diente, sondern auch als Nachrichtenbörse zu einem kritischen Forum werden mochte.

Vor allem galt es, das Zusammenschlupfen mit den jungen Burschen zu verhindern. Die Jungen sammelten erste erotische Erfahrungen, fanden womöglich ihren Ehepartner, neigten zu "Winkelheiraten" hinter dem Rücken der Väter. So unterliefen sie die Heiratsordnung, die an Besitz und Vererbung gebunden war: Das ist der soziale Kern aller Kritik an der Lichtstube. Verbote und Verordnungen sollten der Jugend den Raum selbstbestimmten Tuns nehmen. Statt heimlicher Zusammenkünfte waren herrschaftlich erlaubte Lichtstuben unter Aufsicht eines "Lichtherrn" einzurichten, der Männern den Zutritt verwehrte.

"Denen weibern und töchtern aber, da sie von spinnens wegen zusammengehen, solle solches unverwehret seyn, wann sie sich still und erbar verhalten." Mädchen im heiratsfähigen Alter sollten "der Arbeit allein obliegen" - und nicht dem sinnlichen Vergnügen. Zudem geriet ihre Arbeitsleistung in den Blick: Befürworter merkantilen Gewerbefleißes erkannten im 18. Jahrhundert Vorteile in der Verbindung von Arbeit und Freizeitvergnügen - zumal die Konkurrenz der ledigen Mädchen auf dem Heiratsmarkt sie zu gesteigertem Fleiß anspornte. Der Ruf, den ein Mädchen im Kreise seiner Gespielinnen in der Lichtstube gewann, zeigte sich dann an deren Beitrag zur Hochzeit: Je reicher er ausfiel, desto höheres Ansehen genoss die junge Braut. Der soziale Gabentausch aber stärkte den Zusammenhalt der Jugendfreundinnen weit über die gemeinsam erlebten Tage in der Lichtstube hinaus. Soziale Selbstkontrolle zeigte sich effektiver als alle Reglementierung und Überwachung samt von den Kanzeln gepredigter Moral.

Der schwäbische Spruch des Wochenendes kommt von Leser Heiko Zeh aus Oberboihingen. Er schreibt: "Mein alter Lehrmeister hat immer zu den Lehrlingen gesagt, die sich ungeschickt anstellten: ,Ihr sen Kerle wie a Kapp voll Hehla!' (Kücken)."

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