Bei den Walk Acts im Weinberg war ein faszinierendes Farbenspiel zu sehen. Foto: Gottfried Stoppel

Rund 7000 Besucher kommen zum „Leuchtenden Weinberg“ nach Weinstadt, genießen Wein, Livemusik und Walk Acts. Trotz Wetterkapriolen kann die Veranstaltung wie geplant ablaufen.

Im Pulk geht es vom Bahnhof Beutelsbach hinauf zur Burgruine Kappelberg. Der Weg zum „Leuchtenden Weinberg“ führt durch ruhige Wohnstraßen. Nach halber Strecke seufzt der Hintermann: „Ich dachte, hier gibt’s einen Shuttle.“ Seine Begleiterin sehnt sich nach einem Glas Wasser. Der Wunsch erfüllt sich nach wenigen Schritten: Geschäftstüchtige Anwohner haben in ihrem Garten einen Tisch aufgebaut, sie verkaufen Schorle, Wasser und Saft in Einwegfläschchen an die Passanten.

Erst CSD in Stuttgart, dann „Leuchtender Weinberg“

Hinter der Abendkasse verläuft sich die Menge rasch auf dem weitläufigen Gelände, strömt zu den Ständen, an denen Wurstsalat und Pulled Pork, Würste und Pommes in allen denkbaren Formen angeboten werden. Und natürlich Wein für jeden Geschmack. Viele Besucher schlendern mit einem Glas in der Hand durch die Rebenlandschaft und tanken mal beim einen, mal beim anderen Weingut auf. „Das Konzept ist genial, es ist wie eine kleine Weinprobe“, schwärmt Yvonne Maierhöfer aus Aalen. Gemeinsam mit ihrem Partner Steffen Hachtel war sie tagsüber beim Christopher Street Day in Stuttgart und hat auf dem Rückweg einen Abstecher in den Weinberg gemacht. Nun genießt sie den Ausblick ins Tal. „Da reisen die Leute ins Piemont oder die Toskana, dabei ist es hier auch wunderschön!“, sagt Steffen Hachtel. Dann macht sich das Paar auf den Weg zur Bühne 1 beim Aussichtspunkt Drei Riesen, wo die Combo Heinz und die Bembel spielt, bei der schon allein das Bühnenoutfit den Fußmarsch lohnt – eine erlesene Kombination aus Perücken und Polyestergarderobe.

Ein Hingucker sind auch die Klamotten der drei Damen, die extra aus dem niederländischen Friesland nach Weinstadt gereist sind: Knallgelbe Sommerkleider, dazu farblich passende Gummistiefel und pistaziengrüne Helme, auf denen oben eine Nagelbürste befestigt ist. An den Fahrrädern, mit denen das Trio über das Gelände tourt, ist über dem Lenker ein Waschbecken samt Seifenspender befestigt, am Hinterrad hängt ein Tank, aus dem sich per Hebel ein Schwall Wasser ins Waschbecken befördern lässt, an dem sich Passanten die Hände waschen können. Die Idee sei ihnen während der Coronapandemie gekommen, erzählen die Sisters of Soap, die den Besuchern während des Händewaschens ein Ständchen singen. Ansonsten beschränken sich die Damen darauf, „juhu“ zu rufen. Gespräche seien bei diesem Auftritt nicht vorgesehen, sagen die drei Niederländerinnen und schwingen sich wieder auf die Sättel ihrer gut 30 Kilo schweren Zweiräder. Die Tour durch den Weinberg wird da fast zur Tortur – im flachen Friesland lässt es sich leichter radeln.

Aus dem Lüftchen wird eine steife Brise

Gegen halb acht Uhr sind die Bierbänke und Liegestühle gut belegt, die Gästeschar ist alterstechnisch bunt gemischt: Familien mit Kindern, junge Leute in Gruppen, Mittfünfziger und Rentner. Aus dem Tal ertönt ein Cat-Stevens-Song. Andrea Reminder ist mit ihrem Mann aus Stuttgart-Möhringen gekommen, sie ist zum ersten Mal hier. „Freunde aus Backnang haben uns vom ‚Leuchtenden Weinberg’ erzählt“, sagt die Stuttgarterin und ist voll des Lobes: „Es ist sehr schön hier und gut organisiert. Essen und Getränke bekommt man schnell.“

Als das angenehm-kühle Lüftchen kurz vor 20 Uhr plötzlich zur steifen Brise wird und dicke Regentropfen vom Himmel fallen, bricht Hektik aus. Schirme werden aufgespannt, Gäste flüchten in die Gastrozelte oder suchen in den Dixi-Toiletten Schutz. Auf der einen Seite des Festgeländes türmt sich eine bedrohlich schwarze Wolkenwand auf, ein Blitz fährt herab. Auf der anderen Seite liefern Sonne und Wolken ein faszinierendes Schauspiel am Himmel. „Das hält“, sagt eine Besucherin zuversichtlich und stülpt sich die Kapuze ihrer Regenjacke über. Auch der Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes bleibt gelassen. „Wenn ein halber Weltuntergang ist, wird das Gelände evakuiert, aber im Moment ist noch alles okay.“

Das Unwetter verzieht sich – vorerst

Kurz darauf verzieht sich das Unwetter, den Gästen bleibt ein abruptes Ende wie im Jahr 2019 erspart, als die Veranstalter angesichts eines Unwetters das Gelände gegen 21 Uhr räumen ließen. In diesem Jahr spielt das Wetter besser mit, bei Dunkelheit erstrahlen die Weinberge in buntem Lichterglanz, auch der Pyroweltmeister Joachim Berner darf sein Feuerwerk noch steigen lassen. Das Fest ist zu Ende, bevor gegen halb ein Uhr doch noch ein heftiges Gewitter aufzieht. Die meisten Besucher sind da schon weg, aber die Veranstalter müssen im Regen abbauen.