Die französischen Schüler wurden direkt mit den Eigenheiten einer deutschen Stadt vertraut gemacht. Das Foto mit BM Kalbfell (mit Krawatte) gab’s mit Feuerwehrauto. Foto: Gabriel Bock

Die Jungen und Mädchen an den Immanuel-Kant-Schulen in Leinfelden haben derzeit wieder Besuch aus der französischen Partnerstadt Manosque. Aber warum lernen die Schüler heute noch Französisch, wenn eigentlich jeder Englisch kann?

Leinfelden - Sich mit 14 Jahren allein in eine andere Familie trauen, zehn Tage in einem anderen Land verbringen, weg von den Eltern: Diese Erfahrung haben in den vergangenen Tagen Schüler aus Manosque gemacht. Die Jugendlichen aus der französischen Kleinstadt waren zu Besuch in der Partnerstadt Leinfelden-Echterdingen. Durchgeführt wird der Austausch mit den Immanuel-Kant-Schulen in Leinfelden. Für die Schüler ist das natürlich eine große Sache. Alleine in einer neuen Familie zu sein, die eine fremde Sprache spricht, und die Herausforderungen eines anderen Alltags zu meistern, all das ist für Jugendliche zwischen 13 und 15 nicht einfach.

Vor 40 Jahren haben sich die ersten Pioniere dieser Herausforderung gestellt. So lange gibt es das Programm schon und das mit Erfolg. „Wir finden oft nicht genügend französische Tauschpartner für alle deutschen Schüler, die mitmachen wollen“, erklärt Französischlehrerin Karin Dees-Bossler. In Zeiten, in denen Englisch sich als die Weltsprache durchgesetzt hat und Französisch oft nur als die schwierigere Alternative gilt, ist das bemerkenswert.

Mit Schulen in England ist kein Austausch zustande gekommen

Für die Schüler der französischen Collèges Mont d’Or und Jean Giono stellt sich die Frage, ob Deutschland oder englischer Sprachraum, erst gar nicht. „Deutsch ist unsere erste Fremdsprache, und wir brauchen das auch später in der weiterführenden Schule unbedingt“, sagt Schülerin Maya Bauvé.

Sie kann sich vorstellen, nach der Schule weiter Deutsch zu lernen. Für Englisch fehlen in Frankreich auch die Angebote. „Mit Schulen in England ist bisher gar kein Schüleraustausch zustande gekommen, mit Leinfelden gibt es das Programm dagegen schon lange“, sagt die französische Deutschlehrerin Myriam Lerrigo.

Sie ist bereits seit 22 Jahren als Begleiterin der Schüler dabei. Die Austauschzeit erleben sie und ihre fünf Kollegen immer als sehr intensiv, schließlich tauchen bei 46 Schülern eine Menge Probleme auf. Von Heimweh über Konflikte bis hin zu Krankenhausbesuchen ist alles dabei. „Für uns ist diese Zeit deutlich mehr als der Lehrerberuf, es ist als wären wir plötzlich die Eltern von sehr vielen Kindern“, sagt Lerrigo.

Auch ihr deutscher Gegenpart managt das Programm mit großer Routine. Karin Dees-Bossler hat von den 40 Jahren Schüleraustausch 34 selbst als Lehrerin begleitet. Für sie ist es auch gleichzeitig das letzte Mal vor der Pensionierung. Anlässlich ihres Abschieds und des 40-jährigen Bestehens sprach Bürgermeister Carl-Gustav Kalbfell mit den Schülern und Lehrern. „Gerade in unserer Zeit mit Brexit und Europakritik sind solche Partnerschaften enorm wichtig“, sagte er. Zudem machte er klar, dass die jungen Franzosen nach ihrem Schulabschluss eine Chance für die boomende Wirtschaft in L.-E. sein könnten, um guten Nachwuchs zu finden.