Dieter Fuchs Foto: /Foto: Torsten Schöll

Beim Pressestammtisch des Stadtseniorenrats Leinfelden-Echterdingen nimmt unser Redakteur Dieter Fuchs den Nahostkrieg unter die Lupe.

Der Krieg im Nahen Osten überlagert derzeit alle anderen militärischen Konflikte. Die Frage, warum die palästinensische Terrororganisation Hamas gerade jetzt ein Massaker bislang ungekannten Ausmaßes an israelischen Zivilisten angerichtet hat, treibt viele Beobachter um. Auf Einladung des Stadtseniorenrats Leinfelden-Echterdingen hatte Dieter Fuchs, außenpolitischer Redakteur unserer Zeitung, am Dienstag beim monatlichen Pressestammtisch in der Echterdinger Zehnscheuer darauf einige bemerkenswerte Antworten parat: Demnach stellte aus Sicht der Hamas vor allem die in den vergangenen Jahren vorangetriebene politische Verständigung Israels mit den arabischen Staaten eine zunehmende Bedrohung der palästinensischen Interessen dar.

Ohne den Angriff wäre die Normalisierung vorangeschritten

„Der Prozess der Normalisierung zwischen den arabischen Nachbaren und Israel wäre ohne den Terroranschlag vorangeschritten“, erklärte Fuchs. Die Folge: „Keiner der arabischen Parteien hätte mehr ein Interesse daran gehabt, den Konflikt zwischen Israel und Palästinensern auf eine Art und Weise zu lösen, die Israel in Bedrängnis gebracht hätte.“

Gemäß der Logik der Hamas sollte der brutale Terroranschlag vom 7. Oktober die Palästinenserfrage also mit Wucht zurück auf die Tagesordnung der internationalen Politik katapultieren. Zugleich, so Fuchs, sollte die provozierte massive militärische Antwort Israels verhindern, dass die arabischen Staaten sich Israelis weiter annähern.

Demnach war die unbeschreibliche Grausamkeit, mit der die Hamas gegen unschuldige Menschen vorgegangen ist, Kalkül: „Je brutaler die Israelis nun zurückschlagen, je mehr zivile palästinensische Opfer im Gazastreifen verursacht werden, desto schwieriger wird eine künftige Verständigung Israels mit den arabischen Staaten in der Region“, erläuterte der Nahost-Experte. Gleichzeitig betonte Fuchs, dass die israelische Regierung einen Machtzuwachs der Hamas zulasten der Fatah in der Vergangenheit lange Zeit toleriert habe, um eine geschlossene palästinensische Politik der Staatenbildung zu verhindern. Nach dieser Lesart erschwerte der Aufstieg der Hamas, ganz im Sinne der israelischen Politik der vergangenen zwei Jahrzehnte, die Möglichkeit einer Zwei-Staaten-Lösung. Um die eigenen Sicherheitsbelange zu gewährleisten, verfolgte Israel stattdessen eine Doktrin der maximalen Abschottung und Kontrolle der Palästinenser. „Die derzeitige Eskalation des Konflikts kam insofern nicht überraschend“, sagte Fuchs.

Die Zukunft sieht seiner Ansicht nach düster aus: Eine Friedenslösung zwischen Palästinensern und Israel sei überhaupt nur dann möglich, wenn die Kampfhandlungen ganz rasch beendet würden. Doch sollte es noch mehr zivile Opfer geben, werde es den Palästinensern unmöglich, künftig eine politische Partei zu bilden, die bereit wäre, mit Israel zu verhandeln.