Das Künstlerpaar Hannah Zabolotna und John Ruff vor ihrem noch nicht ganz fertigen Werk. Foto: Gabriel Bock

Wird hier etwas schon wieder geschmiert? Das müssen sich Hannah Zabolotna und John Ruff oft anhören, wenn sie mir ihren Spraydosen zugange sind. In Leinfelden-Echterdingen hatten sie aber einen klaren Auftrag.

Leinfelden-Echterdingen - Konzentriert stehen die beiden vermummten Gestalten an der schneeweißen Garagenwand am Sportgelände in Leinfelden. Jede hält eine Sprühdose, die sie mit gleichmäßigen und langsamen Bewegungen hin- und herbewegen. Langsam bildet sich an der Wand in verzerrten Buchstaben der Schriftzug „Sport“. Einige Spaziergänger gucken interessiert bis verwundert. Wird hier etwa wieder rumgeschmiert?

Im Gegenteil. An der Garage sind keine Schmierfinken zu Gange, sondern die Graffiti-Künstler Hannah Zabolotna und ihr Freund John Ruff. Die beiden sind vom Jugendgemeinderat der Stadt Leinfelden-Echterdingen extra engagiert worden, um der weißen Wand ein besonderes Bild zu verpassen. Kostenpunkt: fast 1000 Euro.

„Die Stadt kam auf uns zu und hat gefragt, ob wir eine Idee hätten, wie man die Garagen am Sportgelände verschönern und vor Schmierereien schützen könnte“, erzählt Robin Krusic vom Jugendgemeinderat. Das junge Gremium hat sich anschließend gemeinsam mit Oberbürgermeister Roland Klenk die Entwürfe von Zabolotna durchgesehen und den besten ausgewählt. „Ziel war es, etwas zu finden, was zur Sportanlage in Leinfelden passt, aber auch junge Menschen anspricht“, sagt Krusic. Deshalb ist der mannshohe Schriftzug jetzt in den Stadtfarben gehalten und zeigt neben Sport-Logos auch das des Jugendgemeinderates.

Erst die Wand schön weiß anmalen, dann geht’s los

Dahinter steckt einiger Aufwand, insgesamt acht Stunden haben die 17-jährige Zabolotna und ihr 19 Jahre alter Freund gebraucht und dabei Farbe für mehrere Hundert Euro versprüht. „Außerdem mussten wir die Wand noch mal schön weiß anmalen, bevor wir angefangen haben“, sagt die Künstlerin.

Für Hannah Zabolotna ist Graffiti eine Kunstform, die davon lebt, dass es viele unterschiedliche Stile gibt. „Ich habe Graffiti schon als Kind immer an den Zügen gesehen und fand das cool. Irgendwann beginnt man selber normale Buchstaben langsam zu verzerren und auszuprobieren, was so geht“, erklärt sie. Angefangen wird immer auf dem Skizzenblock, bis man fit für die Wand ist, dauert es.

Das war auch bei Zabolotnas Graffiti-Partner und Freund John Ruff so. Er malt, seit er fünf Jahre alt war. Trotzdem war zum ersten Mal in der siebten Klasse zum Graffiti-Sprayen an einer Wand. Er schätzt vor allem die deutschlandweite Graffiti-Szene. „Man lernt recht schnell sehr viele Künstler kennen und trifft sich an den beliebtesten Stellen in den Städten, da lernt man auch viel Neues.“, sagt er. Die Sprayer sind dabei ganz unterschiedliche Menschen, manche mit professionellem Hintergrund wie Zabolotna, die eine Ausbildung zur Grafikdesignerin macht. Andere sind völlig fachfremd wie Ruff, der Soldat ist.

In Stuttgart gibt es Szenetreffpunkte

Die Städte haben für die Sprayer mittlerweile meist spezielle Stellen geschaffen, an denen Graffiti erlaubt sind und die dann oft zu Szenetreffpunkten werden. In Stuttgart gibt es die am Rathaus in Bad Cannstatt und in Stuttgart-Vaihingen. Zabolotna und Ruff besprühen nur Wände, an denen sie das dürfen. Oder, wie in Leinfelden, wenn sie dafür bezahlt werden. „Das ist entspannter, man kann in aller Ruhe und bei Sonne und mit einem Grill dazu schönere und aufwendigere Bilder machen, als wenn man nachts und illegal sprühen würde“, sagt John Ruff.

Er kann den hastig hingesprayten Schriftzügen, beispielsweise an der Stadtbahn, nur wenig abgewinnen. Seine Freundin Hannah findet aber, dass es auch unter den schnell fabrizierten Graffiti einige sehr schöne gibt. „Das ist wie bei jeder Kunst, es gibt da unterschiedliche Vorlieben und Geschmäcker“, sagt sie.

Auch als legale Sprayer treffen Zabolotna und Ruff oft auf Vorurteile. Viele Passanten verbinden Graffiti nur mit illegalen Schmierereien und hohen Kosten bei der Reinigung. Entsprechend unschöne Kommentare bekommen die beiden immer wieder zu hören. Dabei sind die Auftragsarbeiten oft ein wirksamer Schutz. „Indem wir Künstler beauftragen, schöne und gewollte Bilder zu machen, können wir die jungfräulich weißen Wände gut schützen“, sagt OB Roland Klenk. Seine Stadt praktiziert den Schutz von Flächen mit Hilfe von Graffiti schon einige Zeit mit Erfolg .