In wenigen Wochen soll Leben in die Klassen zurückkehren. Aber wie? Foto: Leif Piechowski

In einem Brandbrief bezeichnen die Bürgermeister eine weitere Schulöffnung als „besorgniserregend“. Präsenzunterricht sei unter den geplanten Bedingungen unmöglich. Sie fordern akzeptable Lösungsvorschläge.

Böblingen - In knapp drei Wochen sollen die Kinder wieder in die Schule – zumindest tage- oder wochenweise. Der Plan der Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) sieht vor, dass bis zu den Sommerferien jedes Kind mindestens zwei Wochen die Schulbank drückt.

Dagegen regt sich nun vonseiten der Städte im Landkreis Böblingen Protest: Unter der momentanen Situation seien die kurzfristigen Lösungen vor den Sommerferien nicht möglich, schreiben der Landrat Roland Bernhard und Bondorfs Bürgermeister Bernd Dürr in seiner Funktion als Vorsitzender des Kreis-Gemeindetages in einem Brief an das Kultusministerium. „Die Lehrerversorgung an den Werkrealschulen, Realschulen, Gemeinschaftsschulen, Gymnasien und den Beruflichen Schulen ist besorgniserregend“, heißt es weiter.

Am Telefon sagt Bürgermeister Dürr: „Wir spüren einen großen Druck der Eltern, die Schulen und Kitas wieder zu öffnen.“ Besonders Eltern kleinerer Kinder seien auf Betreuung angewiesen. Die Bürgermeister wollten dem Wunsch nachkommen, befürchten aber, viele Kitas und Schulen zu überfordern.

Bereits jetzt fehlten in manchen Schulen bis zu 40 Prozent der Lehrer, die den Präsenzunterricht begleiten – und das obwohl nur die Abschlussklassen in die Schulen müssen. An den beruflichen Schulen im Kreis fielen im Moment 20 Prozent des Unterrichts aus. Wenn nun mehr Schüler in die Klassen kommen, befürchten die Städte nicht nur einen Raummangel aufgrund der eingeforderten Abstandsregelungen von 1,5 Metern, sondern auch einen Personalmangel.

Sollen Regelungen mancherorts verschwinden?

Als Grund für die prekäre Situation führen die Gemeinden die rigiden Regelungen während der Corona-Pandemie an, wegen derer Lehrer zuhause bleiben. So sind Personen über 60 Jahren und andere, die zur Risikogruppe zählen, vom Präsenzunterricht befreit. Mittels Selbsterklärung haben sich mancherorts wohl mehr Lehrer untauglich gemeldet als vermutet. Die Bürgermeister fordern die Politik in Stuttgart auf, die Schulöffnung zu überdenken und mögliche Ausnahmeregelungen in Betracht zu ziehen.

Als Anregung führt Dürr in die Diskussion, mittels einer Maskenpflicht die Abstandsregelung zu minimieren, an manchen Schulen eventuell ganz auszusetzen. „In Bondorf gibt es im Moment null Infizierte“, sagt der Vertreter der Kreis-Gemeinden. „Vielleicht kann man hier auf Maßnahmen größtenteils verzichten.“ Aus seiner Sicht bestehe das Problem nicht für die Wochen vor den Sommerferien, sondern vor allem für die Monate danach. Schließlich sei auch in September mit einem Impfmittel nicht zu rechnen.

„Das Kultusministerium muss jetzt liefern“, sagt auch Thekla Walker, die Landkreis-Abgeordnete und Fraktionschefin der Grünen im Stuttgarter Landtag. Möglichkeiten einer Regeländerung sieht sie bei einer einfacheren Erfassung der Risikogruppe. Welche Lehre in Klassen müssen, sollte nicht am Alter hängen, sondern an Vorerkrankungen.

Der Druck auf die Kultusministerin jedenfalls wächst. Bedenken wegen der baldigen Schulöffnung kamen kürzlich von den Bildungsverbänden. Jetzt sind es die Städte, die Alarm schlagen. Die Politik sieht sich in einem Dilemma: Soll sie weiter öffnen und eine Infektionswelle riskieren oder mit Trippelschritten vorangehen und den Unmut der Bürger aushalten?