Das Landgericht Stuttgart hat eine Diebesbande zu Haftstrafen verurteilt. Dabei hat das Trio den Verdacht der Staatsanwaltschaft untermauert, dass ein bekannter Juwelier an der Tübinger Straße in gewaltige Hehlereigeschäfte verstrickt sei.
Stuttgart - Bis zu ihrer Festnahme nach einer Razzia im Dezember 2016 haben drei Stuttgarter Juweliere damit geworben, aufgrund ihres guten Netzwerks innerhalb von kürzester Zeit fast jede gewünschte Luxusuhr besorgen zu können. Eine Verhandlung am Landgericht in einem anderen Fall lässt indessen Zweifel aufkommen, ob dieses Netzwerk nur mit legalen Methoden gearbeitet hat. Denn drei Betrüger, die dort nun verurteilt wurden, belasten das Familienunternehmen schwer: Die Staatsanwalt geht davon aus, dass sich die Juweliere der Hehlerei schuldig gemacht haben – in Höhe von 13 Millionen Euro. Die Aussagen der verurteilten Diebe untermauern diesen Verdacht.
Für die Staatsanwaltschaft sind die Täter offenbar nur kleine Fische. Ein 33 Jahre alter Mann muss für drei Jahre und sechs Monate ins Gefängnis, sein 23-jähriger Halbbruder und seine 23 Jahre alte Ehefrau kamen mit Bewährungsstrafen davon. Das vergleichsweise milde Strafmaß verdanken die Angeklagten ihrem Geständnis, das aber die Juweliere, alle aus dem selben Familienclan, belastet. Zwei von ihnen sitzen seit Dezember in Untersuchungshaft, ein weiterer ist wieder auf freiem Fuß.
Senioren um Wertgegenstände gebracht
Die Diebe, die jetzt verurteilt wurden, spielen der Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen gegen die Juweliere in die Karten. Denn deren Aussage zufolge sollen die drei ins Visier der Ermittler geratenen Juweliere in kriminellen Kreisen keine Unbekannten sein.
Die Vorgeschichte: Vom Sommer 2016 an hatten die beiden nun verurteilten Männer und die Frau vornehmlich Senioren um Uhren, Gold und Schmuck gebracht, indem sie bundesweit Inserate schalteten, in denen sie als Antik Pelz GmbH firmierten. „Dabei zeigten sie an Pelzen wenig Interesse“, so der Staatsanwalt.
Die Halbbrüder suchten schließlich die Verkaufsinteressenten auf, drängten sie dazu, ihnen Rolex-Uhren, Diamantringe oder Goldmünzen entweder zu Spottpreisen zu verkaufen oder sie dem Trio zur Wertschätzung mitzugeben. Hernach waren ihre Schätze weg, bis auf das, was die Polizei nach den Festnahmen im vergangenen Dezember sicherstellen konnte. Denn die Frau des Haupttäters veräußerte die Wertsachen in Pfandhäusern oder bei Juwelieren. 18 000 Euro ergaunerte das Trio dort, wobei die Beutestücke wertvoller waren. Trotz der dennoch stattlichen Summe bezahlten sie aber selbst die Rechnungen für ihre Werbeannoncen nicht.
Mit 12 die Schule abgebrochen
Der 33-jährige Kopf der Bande ist bereits wegen ähnlicher Delikte vorbestraft und offenbar wegen ausstehender Unterhaltszahlungen für vier Kinder, die er mit seiner Exfrau hat, hoch verschuldet. Er betrieb bis zu seiner Verhaftungen ein An- und Verkaufsgewerbe. Einen Schulabschluss hat er nicht, ebenso wenig wie seine Frau und sein Halbbruder, der die Schule mit 12 Jahren abgebrochen hat. Letzterer soll im Alter von 15 Jahren zwangsverheiratet worden sein, ist mittlerweile aber geschieden. Gearbeitet hat er nie. „Die Familie sorgt für mich“, so der 23-Jährige. Als Bewährungsauflage muss er nun 200 gemeinnützige Arbeitsstunden ableisten.
Die Frau wurde bereits mit 14 Jahren mit ihrem Cousin verheiratet, mit dem sie drei Kinder hat. Auch diese Ehe ist mittlerweile geschieden. Sie hat sich Lesen und Schreiben selbst beigebracht und und war auf Jobsuche, bevor die Handschellen klickten.
Nach der Festnahme des Trios durchsuchte die Polizei drei Juweliergeschäfte in Stuttgart. Die Inhaber wurden wegen des Verdachts auf Hehlerei verhaftet. Sie sollen laut Staatsanwaltschaft Diebesgut in Millionenhöhe angekauft haben. Bei den Durchsuchungen war unter anderem eine Rolex-Uhr im Wert von 15 000 Euro aufgetaucht: das teuerste Beutestück des nun verurteilten Diebestrios. Der Kopf der Diebesbande und die Frau sagten in dem Prozess, der Käufer habe gewusst, dass es sich bei der Uhr um Diebesgut handelt.
Droht ein Mammut-Hehlereiprozess?
Dieser Juwelier ist eine schillernde Figur. Er präsentierte sich im Jahr 2015 als Partner des Handball-Bundesligisten TVB 1898 Stuttgart und gab sich als ehemaliger Leistungsringer aus. Dass der Mann die Öffentlichkeit nicht scheute, bestätigte auch der 33 Jahre alte nun verurteilte Dieb: „Im Viertel kannte ihn jeder. Und auch in unseren Kreisen war er kein Unbekannter.“
Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hält sich über das, was im öffentlichen Prozess gesagt wurde, zurück – bis Anklage erhoben wurde. „Es gibt Verbindungen in die arabische Welt. Und eines der festgenommenen Familienmitglieder hat gegen die anderen ausgesagt. Darum ist er wieder auf freiem Fuß“, sagt Jan Holzner, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Stuttgart.
Einen Prozesstermin für diesen Fall gibt es noch nicht. „Aber wir wollen in den nächsten Wochen Anklage erheben“, so Holzner. Wenn die Juweliere die Vorwürfe abstreiten, droht ein Mammutprozess.