Die grün-rote Landesregierung rückte in Mann- und Frauschaftsstärke an zum 55. Landespresseball in Stuttgart – und Ministerpräsident Winfried Kretschmann wirbelte übers Parkett. Das aktuelle CDU-Spitzenduo Wolf und Strobl ist andersweitig beschäftigt.
Stuttgart - Barfuß oder Lackschuh? Nun, der Dreivierteltakt ist mittlerweile auch für ehemalige Sandalenträger aus dem alternativen Spektrum kein Problem mehr. Man wächst mit seinen Aufgaben. Ministerpräsident Winfried Kretschmann, natürlich mit Gattin Gerlinde erschienen, beherrscht bei seinem mittlerweile vierten Einsatz, von persönlichen Popularitäts-Spitzenwerten beflügelt, den Einsatz auf dem Tanzparkett nahezu perfekt.
Allerdings musste er sich beim Eröffnungswalzer umstellen – auf eine neue Partnerin. Denn Gabriele Renz vom Stuttgarter Büro des Konstanzer Südkuriers hat den Vorsitz der Landespressekonferenz übernommen. Kretschmann und Renz wirbelten locker übers Parkett. Vor ihrer Premiere gestand die 52-Jährige, die mit ihrem Mann Andreas Braun (Geschäftsführer Tourismus Marketing Baden-Württemberg) gekommen war, durchaus ein wenig Bammel ein: „Ich tanze eigentlich sehr gern, allerdings habe ich gewisse Schwächen beim Standard.“ Ansonsten scherzte sie in ihrer Rede angesichts der grün-roten Ministerriege: „Offensichtlich haben Grüne und Genossen ihre Scheu gegenüber einer so bürgerlichen Veranstaltung abgelegt.“
Endlich Premiere – so hieß es auch für Rathauschef Fritz Kuhn. Moment mal, der ist doch schon seit 2012 im Amt. Doch beim ersten Mal sagte er ab, weil Vorgänger Wolfgang Schuster noch ein paar Tage im Amt war. Vergangenes Jahr ließ Kuhn sich erneut entschuldigen: Wegen des Tods von Alt-OB Manfred Rommel eine Woche zuvor halte es für angemessen, als Stuttgarter Oberbürgermeister Zurückhaltung zu üben und auf den Landespresseball zu verzichten.
Eine echte Premiere war es gestern allerdings nicht ganz. Schließlich besuchte er einst schon als Abgeordneter des Stuttgarter Landtags den hiesigen Presseball. Seine Tanzkünste seien im Übrigen solide, zeigte Kuhn sich bereits zuvor überzeugt – für den wirbelnden Einsatz mit Gattin Waltraud Ulshöfer reichte es denn auch problemlos. Allerdings stehe er eher auf die Stargäste von Earth, Wind and Fire (Superhit: „September“) als auf Wiener Walzer. „Ich bin Rocker und Jazzer“, so Kuhn, und er gehe als Jazzliebhaber häufig in Konzerte in Stuttgart. Den Namen der Soul-Pop-Combo aus Chicago/Illinois übersetzte Gabriele Renz übrigens zeitgemäß treffend mit: „Erdwärme, Windflügel und lodernde Holzschnitzel.“
Nicht ganz so feurig war SPD-Sozialministerin Katrin Altpeter – „Sie wissen doch, ich gehöre eher zur Generation Tanzkursverweigerer.“ Die 51-jährige Waiblingerin strahlte lieber um die Wette – an der Seite ihres 21 Jahre jüngeren Lebensgefährten Florian Wahl aus Böblingen.
Gern hätte sicher auch das Moderatorenduo Evelin König und Markus Brock gesehen, wer vom christdemokratischen Spitzenpersonal denn den geschmeidigsten Hüftschwung beherrscht. Doch der Tuttlinger Guido Wolf und der Heilbronner Thomas Strobl mussten gestern Abend beim Duell in Göppingen klären, wer sich besser zum „neuen Big Leader“ (Renz) der CDU eignet. Die Parteifahne hoch hielt in Stuttgart letztlich Fraktionschef Peter Hauk.
Presseball-Organisator Johannes B. Fink war ansonsten sehr zufrieden mit dem Zuspruch. Der Ball, das letzte übrig gebliebene gesellschaftliche, tänzerische Großereignis von Bedeutung in der Landeshauptstadt, war mit 2400 Besuchern wieder ausverkauft. Der Erlös aus den Eintrittsgeldern und der Tombola liegt wohl wie in den Vorjahren bei rund 90.000 Euro. Das Geld kommt in Not geratenen Journalisten und ihren Familien zugute. Umso mehr freut es Fink, dass die BMW-Niederlassung Stuttgart mit Leiter Erwin Mayer an der Spitze erneut den Hauptgewinn stiftete – einen neuen BMW 228i Active Tourer. Die Bayerischen Motoren Werke waren bereits vor zwei Jahren erstmals eingesprungen, weil Daimler seine seitherigen Mercedes-Spendierung beendet hatte. Als Glücksfee zog kurz vor Mitternacht Box-Weltmeisterin Alesia Graf die Gewinner.
Rück, Seit’, ran: Ebenfalls für einen guten Zweck tanzten: EnBW-Chef Frank Mastiaux, Joachim Hermann (Sparkassenverband), Rainer Dulger (Gesamtmetall), Christian Rasch (Rothaus-Brauerei), SWR-Intendant Peter Boudgoust, Chefredakteur Christoph Reisinger (Stuttgarter Nachrichten), Christoph Reese (Geschäftsführer der Werbevermarktung der Stuttgarter Zeitungen), Ex-Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt, FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rühlke, Schauspieler Walter Sittler und viele andere.