Gespräche über eine Schuldenbremse sind gescheitert. Foto: dpa

Kann man zu schnell sparen? Grün-Rot meint Ja und will den Haushalt lieber langsam und nachhaltig sanieren. Dazu würde sie sich sogar in der Landesverfassung verpflichten. Doch CDU und FDP reichen dafür nicht die Hand.

Stuttgart - Die grün-rote Landesregierung ist mit ihrem Versuch, die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse auch in die Landesverfassung zu übernehmen, an der Opposition gescheitert. Ersatzweise will sie die Vorschrift, wonach der Haushalt ab 2020 grundsätzlich ohne Kredite auskommen muss, nun in die Landeshaushaltsordnung schreiben: „Das ist aber nur ein erster Schritt“, sagte Finanzminister Nils Schmid (SPD) am Dienstag. Das Ziel bleibe eine Änderung der Landesverfassung.

Baden-Württemberg hat bereits eine Schuldenbremse, die Grün-Rot bewusst außer Kraft setzt“, hielt am Dienstag CDU-Fraktionschef Peter Hauk dagegen, der die Gespräche über eine Verfassungsänderung für gescheitert betrachtet. Er meint damit die bestehende Landeshaushaltsordnung, die in Paragraf 18 vorschreibt: „Die Gesamtverschuldung am Kreditmarkt soll den am 31. Dezember 2007 erreichten Betrag nicht dauerhaft überschreiten.“

Die Kreditpläne für 2013 und 2014 gehen mit 1,78 beziehungsweise 1,49 Milliarden Euro deutlich darüber hinaus

Dieser noch von Schwarz-Gelb stammende Satz würde jedoch den nächsten Haushalt von Grün-Rot über den Haufen werfen: Die Kreditpläne für 2013 und 2014 gehen mit 1,78 beziehungsweise 1,49 Milliarden Euro deutlich darüber hinaus. Grün-Rot will die alte Landesvorschrift deshalb durch das Ziel ersetzen, dass der Haushalt erst ab 2020 ausgeglichen sein muss.

„Bisher verhindert die Landeshaushaltsordnung, dass man strukturell spart“, sagte Schmid. Die Begrenzung auf die Verschuldung von 2007 setze nur Anreize für „Einmaleffekte und kurzfristige Einsparungen“ – zum Beispiel die Kürzung von Investitionen und der Zugriff auf Rücklagen. Schmid: „Das ist ökonomisch unsinnig.“

Die neue, ab 2020 geltende Vorschrift schaffe hingegen die Voraussetzung für eine strukturell wirkende Haushaltskonsolidierung, versicherte Schmid am Dienstag vor Medienvertretern. Festschreiben will Grün-Rot darin außerdem, wie das Land das Defizit von 2,5 Milliarden Euro im Landeshaushalt in gleichmäßigen Schritten bis 2020 ausgleicht. Schmid geht davon aus, dass das Land bis dahin noch weitere 6,4 Milliarden Euro Kredite aufnehmen muss.

Das Ziel der Nullverschuldung bis 2020 „außerordentlich ambitioniert“

Ministerpräsident Winfried Kretschmann ergänzte, es sei nicht realistisch, vor 2020 ohne neue Schulden auszukommen: „Ich wüsste nicht, wie das gehen soll.“ Mit den kürzlich beschlossenen strukturellen Einsparungen von 581 beziehungsweise 642 Millionen Euro im nächsten Doppelhaushalt habe Grün-Rot aber bereits „erhebliche Erfolge“ vorzuweisen. Das Ziel der Nullverschuldung bis 2020 sei jedenfalls „außerordentlich ambitioniert“.

CDU und FDP hingegen werfen der Koalition vor, sie habe jedweden Sparwillen aufgegeben. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke erklärte, wer mit seiner Fraktion eine Verständigung anstrebe, müsse mit der Aufnahme von neuen Schulden deutlich früher Schluss machen und die bis 2020 noch aufzunehmenden Kredite deutlich reduzieren. FDP-Landeschefin Birgit Homburger erklärte, die vom Kabinett beschlossene Schuldenbremse sei reine Augenwischerei: „Ab 2020 gilt nach dem Grundgesetz sowieso eine Schuldenbremse für alle Länder, also auch für Baden-Württemberg.“

„Die Landesregierung hat ohne Abstimmung mit der Opposition Fakten geschaffen“

Hauk warf Kretschmann außerdem vor, er habe nur Alibi-Gespräche über eine Verfassungsänderung geführt. Dieser habe zwar noch am Dienstag per Fax ein weiteres Gesprächsangebot gemacht, gleichzeitig jedoch im Kabinett eine Änderung der Haushaltsordnung samt weiterer Schuldenaufnahme beschlossen: „Die Landesregierung hat ohne Abstimmung mit der Opposition Fakten geschaffen.“ Deshalb sehe er die Gespräche als gescheitert an.

Die grün-rote Landesregierung baut ihre Argumentation im wesentlichen auf ein Gutachten, das Schmid im Frühjahr bei der Berliner Hertie School of Governance in Auftrag gegeben hatte. Danach muss Baden-Württemberg seine im Haushaltsrecht verankerte Schuldenbremse nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus rechtlichen Gründen reformieren. Diese sei nämlich nicht vereinbar mit der Schuldenbremse des Grundgesetzes. Außerdem wirke sich der Zwang zu schnellen Sparmaßnahmen wirtschaftlich negativ aus.

Der DGB lehnt einen Schuldenabbau in gleichmäßigen Schritten grundsätzlich ab. Landeschef Nikolaus Landgraf sagte, ob eine Begrenzung der Verschuldung bis 2020 gelinge, hänge nicht von der Haushaltsordnung, sondern von der Konjunktur ab. Niemand könne aber die wirtschaftliche Entwicklung der kommenden acht Jahre absehen. Die Einsparungen gingen außerdem auf Kosten wichtiger Zukunftsaufgaben.