Gutachten des Landes zum geltenden Finanzausgleich sieht mehrere Angriffspunkte.

Stuttgart - Ministerpräsident Mappus wettert seit Monaten gegen den Länderfinanzausgleich und will vor dem Bundesverfassungsgericht dagegen klagen. Nun liegt das erwartete Gutachten vor.

Wenn es nach FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke ginge, würde er lieber heute als morgen die Klage gegen den Länderfinanzausgleich per Kurierfahrer nach Karlsruhe bringen lassen. "Wir haben gute Argumente, und wir haben sehr gute Chancen, auch recht zu bekommen", sagte Rülke Ende September, als der Mainzer Professor Hanno Kube ein Gutachten präsentierte. Die FDP-Fraktionen in Baden-Württemberg, Hessen und Bayern hatten die Expertise in Auftrag gegeben, um zu klären, ob das geltende Verteilungssystem zwischen reichen und armen Bundesländern noch zeitgemäß ist. Nein, sagte der Gutachter: "Die Neuordnung des Finanzausgleichs ist unumgänglich", weil es "zu wenige Leistungsanreize für die Länder" biete.

Kostenloses Studium in Berlin? Nicht mit uns!

Ministerpräsident Stefan Mappus begrüßte das Ergebnis. "Es kann nicht sein, dass wir Leistungen für Bürger anderer Länder finanzieren, die wir unseren eigenen Bürgern nicht bieten können", hatte der Regierungschef am Beispiel des kostenlosen Studiums in Berlin betont. Im Detail aber hatte sich Mappus zurückgehalten und darauf verwiesen, dass die Landesregierungen der drei Südländer ein eigenes Gutachten erwarten.

Und genau das liegt nun vor. Nach Informationen unserer Zeitung kommt Christian Seiler, Staats- und Verwaltungsrechtler und Experte für Finanz- und Steuerrecht an der Uni Tübingen, darin zu dem Ergebnis, dass eine Klage gegen den Länderfinanzausgleich durchaus Sinn machen würde. Tenor der fast 70-seitigen Untersuchung: Das aktuelle milliardenschwere Ausgleichssystem entspricht nicht den objektiven Maßstäben, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil 1999 gesetzt habe. Die Karlsruher Richter hatten sich bereits damals mit dem Finanztransfer befasst. Ergebnis: Stärkere Länder dürften nach dem Finanzausgleich nicht schwächer dastehen als zuvor.

Hessen zögert noch mit Klage

Aus Sicht von Seiler ist das bis heute nicht gänzlich geändert. Als Beispiele nennt er die Umsatzsteueraufteilung zwischen Bund und Ländern, die Berücksichtigung der Finanzkraft in den Kommunen und die Einwohnergewichtung zwischen Stadtstaaten und Flächenländern. Das Problem: So sehr das System in Schieflage scheint, so sehr weist der Gutachter auf die Risiken der Klage hin. Beispiel Einwohnergewichtung. Bislang gilt, dass Bürger in Hamburg, Bremen und Berlin bei der Berechnung das 1,35-Fache eines anderen Bundesbürgers ausmachen und diese Stadtstaaten sowie dünn besiedelte Flächenländer deshalb einen höheren Finanzbedarf haben als andere Bundesländer. Sollte das höchste deutsche Gericht diese Regelung aufheben, würde Baden-Württemberg davon profitieren, weil die Zahlungen in den Ausgleichstopf dann geringer wären. Sollte das Gericht die gängige Praxis bestätigen oder gar verschärfen, müsste der Südwesten womöglich noch mehr bezahlen.

Die drei Landesregierungen in Stuttgart, Wiesbaden und München haben das Gutachten inzwischen geprüft. Nach Informationen unserer Zeitung zögert Hessen mit einer Klage, die Finanzministerien von Baden-Württemberg und Bayern hingegen wollen an der geplanten Klage festhalten. Unklar ist das weitere Vorgehen. Wie es am Montag aus Regierungskreisen in Stuttgart hieß, prüfen die Südländer, ob sie auf die Nehmerländer nochmals wegen einer gütlichen Einigung zugehen. Eine Möglichkeit wäre die Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember. Insider schließen aber aus, dass die Nehmerländer freiwillig auf Geld verzichten. Insofern wird erwartet, dass spätestens am 24. Januar über die Einreichung der Klage entschieden wird. Dann treffen sich die drei Landesregierungen der Südländer zur gemeinsamen Kabinettssitzung in Stuttgart.