Kristian Jarmuschek lenkt den Bundesverband deutscher Galerien und Kunsthändler Foto: dpa

Für die angeschlagene Gastronomie soll die Mehrwertsteuer auf sieben Prozent sinken. Das sorgt bei Spitzenvertretern des deutschen Kunsthandels für Irritation und Wut.

Stuttgart - Mit dem Rücken zur Wand sieht sich der deutsche Kunsthandel schon längere Zeit. In diesen Wochen aber wird die Not greifbar. Vor allem im sogenannten Primärmarkt der Privatgalerien. Die Ausgaben laufen, Einnahmen gibt es nahezu keine – und Besserung ist nicht in Sicht. Kunstmessen, für viele Galerien ein Umsatzfaktor von bis zu 50 Prozent im Jahr, sind abgesagt, hoffend auf den Herbst verschoben, ohne dass wirklich jemand an ein Comeback glaubt.

Brandbrief an die Bundesregierung

„Viele wissen nicht, wie es weitergehen soll“, sagt denn auch Kristian Jarmuschek, Erster Vorsitzender des Bundesverbandes deutscher Galerien und Kunsthändler. Dort sieht man den deutschen Kunsthandel „vor dem Kollaps“. Am Montag hat er mit seinen Vorstandskollegen einen Brandbrief an die Bundesregierung geschickt. Verwundert und auch verärgert darüber, was in anderen und für andere Branchen eilig aus dem Gesetzgebungshut gezaubert werden konnte. So heißt es in dem Schreiben an Finanzminister Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und die Kulturstaatssekretärin Monika Grütters (CDU): „Die Folgen des coronabedingten Lockdowns in der Gastronomie werden in Kürze durch eine Umsatzsteuerermäßigung abgefedert. Das Tempo, mit der die Ermäßigung in einen Sektor eingeführt wird, in dem diese bis dato weder ein Thema war, noch eine historische Grundlage hat, ist mehr als erstaunlich.“

Und weiter: „Die historische Grundlage im Kunstmarkt bestand hingegen seit Jahrzehnten und zielte auf eine indirekte staatliche Förderung der bildenden Kunst an und für sich. Diese Förderung wurde geopfert.“

Alte Losung, neue Brisanz: „Sieben statt 19!“

Damit spielt Jarmuschek auf den Ausgangspunkt eines inzwischen mehrjährigen Steuerwirrwarrs im Kunsthandel an. Unter der Parole „sieben statt 19“ kämpfte der Verband schon 2012/2013 bis 2015 und mit Blick auf eine befürchtete europäische Mehrwertsteuerangleichung für den Erhalt des verminderten Mehrwertsteuersatzes. Vergeblich. Seit 2016 schlagen sich Kunden wie Verkäufer im deutschen Kunsthandel durch einen Regelungsdschungel, an und in dem nur eines unstrittig ist: die Marktnachteile für den deutschen Handel.

Negative Vorzeichen seit 2015

Das Fazit jetzt: „Seit 2015 gibt es einen Exitus, kaum Neugründungen und kein Wachstum im deutschen Kunstmarkt. Jede Galerieschließung blockiert oder vernichtet die Etablierung der Künstler, die mangels Alternativen keinen Ersatz mehr finden.“ Zusätzlich unter Druck ist der deutsche Kunsthandel zudem durch die internationale Entwicklung: Weltweit hatte die Branche nach Einschätzung des „Art Basel UBS Global Art Market Reports“ 2019 einen Rückgang des Marktvolumens um fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu verkraften.

Auch Künstlerverbände für Steuerermäßigung

Eine Situation, die jüngst auch die Künstlerinnen und Künstler zu Verbündeten des Handels machte und die Wiedereinführung der Steuerermäßigung für den Kunstmarkt fordern ließ. Aus Sicht von Jarmuschek eine folgerichtige Entscheidung: „Denn Künstler wissen, dass sich die für ihre Existenzsicherung grundlegende öffentliche Anerkennung ihrer Arbeit primär durch das komplexe Engagement der Galerien entfaltet“.

„Zeit ist reif für eine Korrektur“

Der Ruf „sieben statt 19“ ertönt nun wieder laut und deutlich. Zumal der Koalitionsvertrag vorsieht, die Nachteile für den deutschen Kunsthandel auszugleichen – ohne, dass hier bisher etwas passiert wäre. Und auch die deutsche EU-Ratspräsidentschaft von diesem Juli an bietet aus Sicht der Galerien und Kunsthändler Spielräume. „Die Zeit ist reif für eine Korrektur.“, heißt es da. „Wir hoffen, dass die Bundesregierung der jüngsten Aussage des Bundespräsidenten, dass ,Kunst und Kultur in einem sehr buchstäblichen Sinne Lebensmittel sind’, durch entsprechende steuerliche Lenkungsmaßnahmen folgen wird und somit zur Stabilisierung des Kunstmarktes beiträgt.“

Das Ziel: „Corona-Konjunkturprogramm“

Umso mehr, als diese Zahlen unbestritten sind: 60 Prozent der deutschen Privatgalerien erwirtschaften einen Jahresumsatz von gerade 64 000 Euro. Glimmer und Glitzer? Fehlanzeige. Für die Spitzenvertreter des Kunsthandels ist klar: „Wie alle anderen Wirtschaftszweige benötigt der Kunstmarkt zudem ein Corona-Konjunkturprogramm zur Abmilderung der schweren Verluste durch den Lockdown und die Grenzschließungen, durch die Absage der Messen und Ausstellungen sowie durch den Absturz der Kaufkraft.“