Die Kassiererin "Emmely" hat sich ihren Job vor dem Bundesarbeitsgericht zurückerobert. Foto: dpa

Bundesarbeitsgericht hebt die Kündigung von Deutschlands bekanntester Kassiererin auf.

Erfurt - „Emmely“ ist fassungslos vor Glück und zunächst sprachlos. Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt kippte am Donnerstag die Kündigung der Kassiererin aus Berlin. Sie war im Februar 2008 wegen der Einlösung zweier liegengebliebener Pfandmarken im Wert von 1,30 Euro fristlos gefeuert worden.

Der Zweite Senat ließ in diesem konkreten Fall besondere Umstände gelten, rückte aber nicht grundsätzlich von seiner harten Linie bei Kündigungen nach Bagatelldiebstählen ab.

Die Kündigung sei angesichts des Alters der Kassierin, die unter ihrem Spitznamen „Emmely“ bundesweit bekannt wurde, nicht gerechtfertigt. Auch sprechen 31 Dienstjahre dagegen, begründete der Vorsitzender Richter Burghard Kreft die Entscheidung, nachdem der Beifall von den vollen Zuschauerrängen abgeklungen war. „Die lange Betriebszugehörigkeit führt zu einem großen Vorrat an Vertrauen, der nach einer einmaligen Verfehlung nicht völlig aufgezehrt ist.“

„Emmely“ sei eine erhebliche Pflichtverletzung vorzuwerfen. „Ob das strafbar ist, spielt keine Rolle“, erklärte Kreft. Allerdings hätte dafür eine klare Warnung in Form einer Abmahnung ausgereicht.

Dem Arbeitgeber sei es zuzumuten, die heute 52-Jährige weiter zu beschäftigen. Die Festschreibung von sogenannten Bagatellgrenzen bei Minidiebstählen hielt Kreft aber weiterhin für problematisch.

Richterspruch eine kleine Sensation

Der Richterspruch war für „Emmely“ und ihren Anwalt eine kleine Sensation. In zwei Instanzen hatten sie erfolglos gegen den Rauswurf geklagt. „Das jetzige Urteil ist herausragend“, sagte Anwalt Benedikt Hopmann.

Dennoch stellte die höchste Instanz in Sachen Arbeitsrecht klar, dass es von seiner jahrzehntelangen strengen Rechtsprechung nicht abrückt. Bagatelldelikte können weiterhin eine fristlose Kündigung rechtfertigen. „Es kommt immer auf die besonderen Umstände des Einzelfalls an“, sagte die stellvertretende Pressesprecherin des Bundesarbeitsgerichts, Inken Gallner.

Entscheidend ist der entstandene Vertrauensbruch, der weiterhin auch eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung ermöglicht.

Bei Minidiebstählen waren die Arbeitsgerichte in der Vergangenheit selten gnädig. Die meisten wegen Lappalien gekündigten Arbeitnehmer bekamen keine zweite Chance. In der Öffentlichkeit sorgten derart harte Sanktionen für helle Empörung.

Auch unter Juristen geriet die rigide Rechtsprechung zunehmend in die Kritik. Sie geht auf das „Bienenstich-Urteil“ im Jahr 1984 zurück. Damals hatte das höchste deutsche Arbeitsgericht die Kündigung einer Verkäuferin bekräftigt, die ein Stück Kuchen aus der Auslage gegessen hatte.

"Jetzt kann ich wieder an die Kasse"

„Das Bundesarbeitsgericht muss nach dieser Einzelfallentscheidung seine Sichtweise weiter konkretisieren. Das ist derzeit noch sehr diffus“, meinte die Anwältin Karin Schindler-Abbes von der Arbeitgeberseite.

Für „Emmely“ bedeutet die Entscheidung die Rückkehr in ihren alten Job. „Das ist ein Sieg für alle - und in erster Linie für mich“, sagte die dreifache Mutter überglücklich. „Ich habe gekämpft und gehofft, dass es Gerechtigkeit gibt. Jetzt kann ich wieder an die Kasse: Das war mein Ziel.“