Christdemokraten beobachten „Rhetorik eines S-21-Gegners“ – Grüner Rathauschef will über Alternativen des Bahnprojekts reden. Foto: Leif Piechowski

Trotz Kritik von Seiten der CDU bleibt der neue OB Fritz Kuhn bei seinen klaren Aussagen: Stuttgart 21 steckt in einer Vertrauenskrise. Die Stadt muss vorbereitet sein, falls der Bahn-Aufsichtsrat das Projekt stoppt.

Stuttgart - Acht Tage nach dem Amtsantritt und der ersten Rede als Stuttgarter OB bekam es Fritz Kuhn (Grüne) am Dienstag mit den mehrheitlichen Stuttgart-21-Befürwortern im Rathaus zu tun. Besonders Philipp Hill (CDU) ging Kuhn heftig an, der auf Wunsch der FDP in den Ausschuss für Umwelt und Technik gekommen war. Dort erläuterte der OB seine Äußerungen über S 21 in der Antrittsrede.

Danach urteilte Hill: „Sie haben immer noch nicht den Hut des Oberbürgermeisters auf.“ Sprich: Kuhn verhalte sich noch nicht wie ein richtiger OB. Hill störte besonders, dass Kuhn von einer Vertrauenskrise des Projektes spreche und er der Bahn unterstelle, sie habe früher unwahre Angaben über die Kosten gemacht. „Wenn die Bahn sich bei den Kosten vertut und sie neu bestimmt, ist das noch kein Schaden für die Stadt“, sagte Hill, „das wäre es nur dann, wenn die Stadt Mehrkosten bezahlen müsste.“ Kuhn hätte die Bahn in die Pflicht nehmen und ihr aufzeigen müssen, dass die Stadt ihre Kostenbeteiligung nicht erhöhe, wozu im Übrigen auch die CDU stehe. Kuhns Job sei es, der von der Stadt zugesagten Projektförderpflicht nachzukommen. Hill: „Sie haben aber die Rhetorik eines Stuttgart-21-Gegners. Sie wollen das Projekt und die Bauträgerin diskreditieren, das Vorhaben verhindern.“

Kuhn will Alternativen zu Stuttgart 21 diskutieren

Nicht nur die FDP und die Freien Wähler assistierten Hill. Kritik kam auch von der SPD. „Es wäre falsch, jetzt Ausstiegsszenarien anzuzetteln“, sagte Roswitha Blind. Die Diskussion über Alternativen, die Kuhn beim Amtsantritt forderte, wäre aber der Auftakt dazu. Falls das Projekt nicht gebaut würde, müsse man noch sehr lang über früher erwogene und verworfene Alternativen reden. Daher reiche es, wenn man in vier Wochen nach einer Entscheidung begänne.

Kuhn hielt dagegen. Mit dem 12. Dezember, als der Bahn-Vorstand Mehrkosten von 1,1 Milliarden Euro und zusätzlich Risiken von 1,2 Milliarden Euro offenbarte, habe sich „etwas geändert“. Wenn der Aufsichtsrat jetzt entscheiden wolle, ob man das Projekt baue, „sind wir aufgefordert, über Alternativen zu reden“, sagte Kuhn, „denn wie stünden wir im März da, wenn der Aufsichtsrat nicht bauen wollte“? Die Gefahr bestehe: „Wir sind in einer offenen Situation.“ Im Fall des Stopps würde es um Sofortmaßnahmen am „verlotterten Gleiskörper“ und zugunsten eines reibungsloseren Bahn- und vor allem S-Bahn-Verkehrs gehen. Danach käme eine längere Phase, in der es um die Bahnhofsgestalt ginge. Kuhn: „Das alles wäre extrem schwierig.“ Die Stadt müsse aber auch gewappnet sein, falls die Bahn weitermache, jedoch die konkreteren Mehrkosten von 1,1 Milliarden nur dann bezahle, wenn ihre Partner für die weiteren Kostenrisiken geradestünden.

Kritik an seiner Rolle weist Kuhn zurück

Kuhn kritisierte auch Landtags-Fraktionschef Claus Schmiedel (SPD), nach dessen Ansicht der Lenkungskreis der Projektpartner ausgedient hat. Gerade jetzt müsse man klären, warum die Finanzmesslatte „massiv gerissen“ worden sei und was die präzisen Kosten- und Zeitrisiken seien. Er sehe nicht ein, dass man den neuen Kostenangaben unbesehen glauben müsse. Wie es bei S 21 weitergehe, werde auf der Basis der Rechtslage, der finanziellen Lage und der politischen Mehrheiten in Land und Stadt zu entscheiden sein. Hills Kritik an seiner Rolle wies Kuhn als polemisch zurück. Eine Woche nach dem Amtseintritt stelle sich die Frage nicht, ob er den OB-Hut aufhabe.

Rückhalt fand er besonders bei den Grünen. Man müsse aufpassen, sagte Peter Pätzold, dass man nicht erpressbar werde. Dass man nicht angesichts einer großen offenen Baustelle Geld nachschießen müsse oder dass die Bahn nicht mangels Geld die Bauzeit strecke und Gegenleistungen für städtebauliche Qualität verlange. „Wir brauchen einen Plan B, falls die Bahn S 21 nicht mehr für machbar hält.“